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der neu belebten Erde. Es grünte das alte Gras und nicht minder das junge, das seine Spitzen aus dem Boden hervorstreckte; die Knospen der Schneeballsträucher, der Johannisbeersträucher und der klebrigen, von berauschendem Safte strotzenden Birken schwollen, und auf den mit goldgelben Blütenkätzchen überdeckten Weidensträuchern summten die aus ihren Körben hervorgekommenen umherfliegenden Bienen. Unsichtbare Lerchen schmetterten über dem grünen Samt der mit Winterfrucht bestellten Äcker und über den noch vereisten Stoppelfeldern; über den Sümpfen und über den Niederungen, die mit braunem, noch nicht abgelaufenem Wasser bedeckt waren, ließen die Kiebitze ihren klagenden Schrei ertönen, und hoch oben flogen mit frühlingsfreudigem Rufen die Kraniche und die wilden Gänse vorüber. Auf den Triften brüllten die Rinder, die gehaart hatten und nur an einzelnen Stellen des Körpers damit noch nicht ganz fertig waren; krummbeinige Lämmchen spielten um die blökenden Mutterschafe, die ihre Wolle verloren; schnellfüßige Kinder liefen über die auftrocknenden Fußwege hin, auf denen dann die Abdrücke ihrer bloßen Füße zurückblieben; am Teiche schnatterten die munteren Stimmen der Bauernweiber, die dort Leinwand wuschen, und auf den Höfen erschollen die Beilschläge der Bauern, die die Pflüge und Eggen zurechtmachten. Der richtige Frühling war gekommen.

      13

      Ljewin zog hohe Stiefel an und zum ersten Male nicht den Pelz, sondern einen Tuchrock und ging durch seine Wirtschaft; er schritt durch kleine Bäche hindurch, die durch ihr Glitzern im Sonnenschein die Augen blendeten, und trat dabei bald auf Eisstücke, bald in zähen Schmutz.

      Der Frühling ist die Zeit der Pläne und Vorsätze. Wie der Baum im Frühling noch nicht weiß, wohin und wie sich später die jungen Triebe und Zweige ausbreiten werden, die noch in den geschwellten Knospen eingeschlossen liegen, so wußte auch Ljewin, als er auf den Hof hinaustrat, selbst noch nicht recht, an welche Unternehmungen er sich in seiner geliebten Wirtschaft jetzt heranmachen werde; aber er fühlte, daß er voll der besten Pläne und Vorsätze sei. Vor allen Dingen ging er zum Vieh. Die Kühe waren in das Gehege hinausgelassen; ihr glattes, neues Fell glänzte nur so; sie wärmten sich in der Sonne und verlangten brüllend nach der Weide. Mit Behagen musterte Ljewin die ihm bis in die kleinsten Einzelheiten bekannten Kühe und ordnete an, sie auf die Weide zu treiben und in das Gehege die Kälber hineinzulassen. Der Hirt lief fröhlich weg, um sich für den Aufbruch nach der Weide zurechtzumachen. Die Viehmägde, in aufgeschürzten Röcken, mit den bloßen, noch weißen, von der Sonne noch nicht verbrannten Füßen durch den Schmutz patschend, liefen mit langen Ruten hinter den blökenden Kälbern her und trieben sie auf den Hof hinaus.

      Nachdem Ljewin die ungewöhnlich gute Zuzucht dieses Jahres vergnügt betrachtet hatte – die frühen Kälber waren von der Größe einer Bauernkuh, und Pawas drei Monate altes Kalb war so groß wie die einjährigen –, ließ er ihnen einen Futtertrog herausbringen und Heu in die Raufen stecken. Aber es stellte sich heraus, daß die Raufen, die er erst im letzten Herbst für das im Winter nicht benutzte Gehege hatte anfertigen lassen, zerbrochen waren. Er schickte nach dem Zimmermann, der dem erhaltenen Auftrage gemäß die Dreschmaschine in Ordnung bringen sollte. Aber es zeigte sich, daß der Zimmermann noch mit der Ausbesserung der Eggen beschäftigt war, die doch schon in der Butterwoche hätten instand gesetzt sein sollen. Darüber war Ljewin sehr ärgerlich. Es war doch auch zu verdrießlich, daß in der Wirtschaft diese ewige Unordnung gar nicht aufhören wollte, gegen die er nun schon so viele Jahre mit aller Kraft ankämpfte. Die Raufen, die im Winter im Gehege nicht gebraucht wurden, waren, wie er nun erfuhr, in den Stall der Arbeitspferde hinübergebracht worden und dort entzweigegangen, da sie, für die Kälber bestimmt, nur leicht zusammengezimmert waren. Außerdem wurde bei diesem Anlaß klar, daß die Eggen und alle anderen Ackergeräte, die nach seiner Anordnung noch im Winter hätten nachgesehen und ausgebessert werden sollen, wozu er eigens drei Zimmerleute hatte annehmen lassen, noch nicht ausgebessert waren und das Ausbessern der Eggen erst jetzt vorgenommen wurde, wo schon geeggt werden sollte. Ljewin schickte nach dem Verwalter, ging aber dann sogleich selbst, um ihn zu suchen. Mit fröhlich strahlendem Gesichte, wie alles an diesem Tage, kam der Verwalter, in einem kurzen Schafpelz mit Lammfellbesatz, von der Tenne her; er zerknickte in den Händen einen Strohhalm.

      »Warum ist der Zimmermann nicht bei der Dreschmaschine?«

      »Ja, ich wollte es schon gestern melden: die Eggen müssen ausgebessert werden. Wir müssen ja schon pflügen.«

      »Warum ist das nicht im Winter besorgt worden?«

      »Wozu wünschen Sie denn den Zimmermann?«

      »Wo sind die Raufen vom Kälberhof?«

      »Ich habe veranlaßt, sie an ihren Platz zu bringen. Aber ich bitte Sie, was soll man mit solchem Volke anfangen!« erwiderte der Verwalter mit einer geringschätzigen Handbewegung.

      »Nicht mit solchem Volke, sondern mit einem solchen Verwalter!« brauste Ljewin auf. »Wozu halte ich Sie mir denn eigentlich?« schrie er. Aber da er sich sagte, daß damit nichts gebessert werde, brach er mitten in seiner Scheltrede ab und seufzte nur. »Nun, wie ist's? Kann gesät werden?« fragte er nach kurzem Stillschweigen.

      »Hinter Turkino wird es morgen oder übermorgen möglich sein.«

      »Und der Klee?«

      »Ich habe Wasili und Michail hingeschickt; die säen. Ich weiß nur nicht, ob sie überall durchkommen werden; es ist noch sehr sumpfig.«

      »Auf wieviel Deßjatinen?«

      »Auf sechs.«

      »Warum denn nicht auf allen?« rief Ljewin.

      Daß der Klee nur auf sechs und nicht auf zwanzig Deßjatinen gesät wurde, das war noch ärgerlicher als alles Vorhergegangene. Der Klee gedieh sowohl nach den Lehren der Handbücher als nach seiner eigenen Erfahrung nur dann gut, wenn die Aussaat möglichst früh stattfand, beinah noch in den Schnee hinein. Aber das hatte Ljewin nie erreichen können.

      »Es sind nicht genug Leute da. Ich bitte Sie, was soll man mit solchem Volke anfangen! Drei Mann sind nicht gekommen. Na, und nun ist auch Semjon . . . «

      »Nun, dann hätten Sie ein paar vom Stroh wegnehmen sollen.«

      »Ja, das habe ich so schon getan.«

      »Wo verwenden Sie denn die Leute?«

      »Fünf machen Kompott (er meinte Kompost), vier schaufeln den Hafer um; hoffentlich hat er nicht gelitten, Konstantin Dmitrijewitsch.«

      Ljewin glaubte ganz genau zu wissen, daß dieses ›hoffentlich hat er nicht gelitten‹ bedeutete, daß der englische Saathafer bereits verdorben sei, – es war eben wieder nicht ausgeführt worden, was er angeordnet hatte.

      »Aber ich hatte doch schon in der Fastenzeit gesagt: die Ventilationsröhren . . . «, rief er.

      »Haben Sie keine Sorge, wir werden mit allem zur rechten Zeit fertig werden.«

      Ljewin machte eine ärgerliche Handbewegung nach dem Verwalter hin, ging zum Speicher, um den Hafer zu besehen, und kehrte dann in den Pferdestall zurück. Der Hafer war noch nicht verdorben. Aber die Arbeiter schütteten ihn mit Schaufeln um, während er doch unmittelbar in das untere Stockwerk des Speichers hinabgelassen werden konnte; nachdem Ljewin dies angeordnet und zwei Arbeiter von dort weggenommen und zum Kleesäen bestimmt hatte, war auch sein Ärger über den Verwalter so ziemlich geschwunden. Und der Tag war auch so schön, daß es nicht möglich war, lange zornig zu sein.

      »Ignat«, rief er den Kutscher an, der mit aufgestreiften Ärmeln am Brunnen die Kutsche wusch, »sattle mir . . . «

      »Welches Pferd befehlen Sie?«

      »Na, meinetwegen den ›Reiher‹.«

      »Zu Befehl.«

      Während das Pferd gesattelt wurde, rief Ljewin den Verwalter, der sich in seiner Sehweite hielt und sich dort irgend etwas zu schaffen machte, wieder heran, um sich mit ihm auszusöhnen, und begann mit ihm von den bevorstehenden Frühjahrsarbeiten und sonstigen wirtschaftlichen Plänen zu sprechen.

      Mit dem Dungfahren sollte zeitig begonnen

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