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beginnt Peterle, sichtlich von der Hoffnung erfüllt, den Gast für die Salpeterersache zu gewinnen, die Entwicklung derselben zu schildern. „Hör zu!“

      „Ja!“ sagt Sepli und stärkt sich durch einen Schluck.

      „Die Salpeterer sind entstanden als politisch-religiöser Bund, als der Propst von Sankt Blasien im Jahre 1719 ein Dinggericht zu Remetswil ankündigte und auch richtig durch seine Amtsluit, den Waldvogt und die zwölf Waldrichter, eröffnete. Der Vogt verlas den Dingrodel von Anno 1467 als erneute Grundlage des Gerichts. Gegen diese Grundlage von Anno dazumal erhob der Einungsmeister Friedolin Albiez zu Birdorf Protest wegen Verjährung, wasmaßen der Dingrodel durch die Gnade der Kaiser längst abgethan, die Leibeigenschaft aufgehoben worden sei. Schwer stritten sich der Vogt und der Einungsmeister, und schlau erklärte der Waldvogt, daß es sich nicht um das abgeschaffte Wort Leibeigenschaft, sondern um die damit verbundenen, von dem Kaiser selbst als rechtskräftig anerkannten und deshalb unentwegt fortbestehenden Gebühren und Schuldigkeiten handle?[3] Aber alle Schlauheit der Deutung und Wortklauberei nützte dem Waldvogt nichts, die Wäldler hielten zum Einungsmeister und gingen unter Protest vom Dinggericht weg. Damit fing die Gärung an — ich han's alles genau in den Akten —, die sich verstärkte, als einige Jahre später der Abt Blasius III. unter Genehmigung der Regierung eine Verzeichnung der Ehen, Kinder, der Entlassenen, Urgroßahnen, Klosterluit und Unfreien zur Feststellung der Leibeigenschaftsgefälle in der Grafschaft Hauenstein vornehmen ließ. Und in dieser Zeit war's unser Hans Albiez zu Buch im Pfarrsprengel Birdorf, der Salpeterhannes, mit Schweizerblut von mütterlicher Seite in den Adern, der fest eingriff mit seiner Rede Gewalt, mit durchdringendem Verstand und trutzigem Sinn, mit Begeisterung für die zu Recht erkannte Sache. Hannes verkündete die Lehre, daß die Grafschaft nicht zu Österreich, sondern zum Deutschen Reich gehöre, daß sie frei, reichsunmittelbar sei, und dem Kaiser lediglich pro Kopf jährlich zwölf Kreuzer Schirmgeld zu zahlen habe. Auch Sankt Blasien habe kein Recht auf das Land, das wider der Hauensteiner Willen zu Wien an den Waldpropst verkauft worden sei. Und so kam's zum Krieg gegen die Machthaber, der größte Teil der Waldeinung schloß sich der gewaltigen Bruderschaft unter Albiez Führung zusammen. Bloß die ‚Halunken‘ thaten nicht mit, die feigen Schufte.“

      „Wer seist?“ warf Sepli erstaunt ein.

      „Die Halunken, die zum Propst und zu Österreich hielten! Die Salpeterer aber verschworen sich, die fremden Fürsten abzuschaffen, die Steuern, Zinsen und Abgaben aufzuheben in der ganzen Grafschaft. Frei soll jeder Hotze sein, nur Gottes Wort soll allein richten über uns! Und Hans ging nach Wien zum Kaiser, unsere heilige Sache verfechtend; er redete tapfer für unser Recht und unsere Freiheit. Ihm glaubte der Kaiser und gab ihm einen Gnadenbrief, die Salpeterersache siegte.[4] Nur die Tröndle's thaten noch immer nicht mit, aber der neue Redmann und die Einungsmeister aus unseren Reihen besorgten ihnen das Nötige. Die Regierung zu Freiburg aber setzte ihre ganze Macht ein, den kaiserlichen Gnadenbrief[5] zu erlangen, ließ Albiez verhaften, im Gefängnis schmachten, wo ihn eine böse Krankheit von allen Leiden und aus seinem Martyrium erlöste. Seine Mahnung zu geeintem Widerstand hielten die Salpeterer heilig, fest standen sie gegen St. Blasien, dessen neuem Abt Franz Schechtelin die Huldigung ebenso tapfer verweigert ward, wie dem früheren Propst Blasius. Weg mußte die Leibeigenschaft! Mann für Mann stand auf, und auch die Weiber thaten mit! Lieber die Ehe ab, als hörig sein!“

      „Ah, ah!“ stammelte Sepli.

      „Was seist?“

      Unwillkürlich plappert der verwunderte Sepli heraus, daß sein Eheweib ihm heute morgen mit der gleichen Drohung zugesetzt und ihn dadurch veranlaßt habe, zu Petern zu gehen.

      Frohlockend prahlte Peter, daß solche Weiber die richtigen Bundesgenossen seien, vor schier hundert Jahren so gut wie heute. Handeln die Weiber auf dem Wald alle derart, so kann es nicht fehlen, und muß die alte Freiheit wiederkehren wie einst zur Zeit der Grafen Hans von Hauenstein! Peter gratuliert dem Sepli zu solch' tapferem Weib, um das Sepli zu beneiden wäre.

      Den Sepli fröstelt es bei solcher Rede, und am liebsten wär' er auf und davon.

      „I will dir aber weiter verzähle: was die Regierung auch befehlen mochte, es nützte nichts; fest stand der Bund, eitel war jegliches Patent, die Salpeterer rissen die Schriftstücke von den Kirchentüren und schonten nur des kaiserlichen Adlers. Wer in der Familie nicht zur heiligen Sache stand, wurde ausgestoßen. Man nennt das ‚purifiziere‘! Bei Nacht, an geweihten Orten, wurden Versammlungen abgehalten, immer mehr Anhänger scharten sich um die Waldfahne und um den neuen Führer Martin Thoma, den füürigen Müller am Haselbach. Er nahm zu Gurtweil und Hochsaal Anno 1727 den gesamten Salpeterern den Treuschwur ab und gab die Losung aus: Los von St. Blasien, los von Österreich! Und vor Weihnachten selbigen Jahres kamen die Sendboten von Wien zurück mit drei kaiserlichen Befehlen, wonach das Wort „leibeigen“ auf ewig abgethan sein soll, doch bestünden die Pflichten fort, und St. Blasiens Rechte müßten ungekränkt bleiben. Der Kaiser forderte: Man solle auf dem Wald Ruhe halten, dem Stift alle Gebühren zahlen und mit Handgelübde huldigen, auch den Sicherungsbrief[6] ausstellen; dagegen dürfe St. Blasien das Wort „leibeigen“ nie mehr gebrauchen. Und mit dem dritten Kaiserbrief wurde die Friburger Regierung aufgefordert, die verhafteten Achtmannen allsogleich auf freien Fuß zu setzen[7]. Sepli! Das muß herrlich gsi si! Und dem Abt muß der Schreck in alle Glieder g'fahre si, denn er zeterte und lehnte jegliches Handgelübde ab. Und gezittert werden die Halunken auch gehörig haben, denen es nun an den Kragen ging.[8] So mußte der Biber Hannes von Herrischried dran glauben, wie der Halunken-Redmann Tröndle von Niederalpfen….“

      „Was ist diesen geschehen?“ fragt Sepli, dem der Angstschweiß auf der

       Stirne steht, dazwischen.

      „Den Biber Hannes, weisch, dem Großvater vom jetzigen Biber in Herrischried, hat man fast zu Tode „behandelt“; dem giftigen Tröndle nahm man die Pferde, ließ ihm den Weiher ab, fischte ihn aus, verstopfte seine Brunnen und nahm ihm den Mammon ab für die heilige Sache!“

      „Das isch ja Raub!“

      „Das verstehsch du nit, Sepli! Jeder Halunke isch Gegner und muß bekämpft were!“

      „Ah, ah! Also bekämpft Ihr au mi?“

      „Wenn du nit Salpeterer wirsch, schon!“

      „I mag aber nit! I fercht' mi!“

      Einlenkend sucht Peter den ruheliebenden furchtsamen Besucher zu beruhigen mit dem Hinweis, daß es ja heutzutage nicht mehr so scharf zugehe wie damals, und daß die jetzige Bruderschaft lediglich durch passiven Widerstand kämpfe. Heute sei auch nicht zu befürchten, daß wieder Soldaten auf Bauernkosten ins Land gelegt werden.

      „Soldaten seist?“

      „Ja, weisch, damals waren die Salpeterer noch strammer, nit so landsem (langsam), man versteckte sich nicht hinem Lädemli (hinter dem kleinen Fensterladen) und schielte oebsch (etwa) nach den Husaren, man klopfte die Soldaten, besonders an jenem Pfingstdienstag[9] mit Füsi (Flinten), Spießen, Heugabeln und Prügeln.“

      „Wer isch hernach 'prügelt wore?“

      „Hm! Es isch bide Thile schlecht gange. Doch fercht' di nit, Sepli! Wir mache die Sach' annersch, wir führe nimme Krieg mit Waffen. Es goht au minem Papier!“

      So sehr sich Peter bemüht, den Besucher für die Salpeterersache zu gewinnen, Sepli will nicht anbeißen, er macht Ausflüchte und schickt sich zum Gehen an. Ärgerlich begleitet Peter den Gast hinunter ins Erdgeschoß und sagt zu Sepli, er solle sich die Sache wenigstens noch einmal überlegen. Im selben Augenblick stolpert Jobbeli zur Hausthüre herein, erhitzt, verstört, blutbespritzt, so daß der Vater erschrocken fragt, was denn passiert sei. Der ängstliche Sepli steht wie angewurzelt, und Thrinele springt aus ihrer Stube herbei, zu fragen, was sich ereigne. Jobbeli will nicht mit der Sprache heraus und sucht sich davon zu drücken, doch der Vater besteht fest und scharf darauf, daß Jaköble beichte. Auch fragt der Vater, ob der Bursch Botschaft vom Hottinger über Riedmatter's Gang nach Basel habe.

      Jobbeli stottert heraus, daß er auf Hottinger nicht mehr warten konnte, weil er schleunigst flüchten müßte.

      „Hat 's en Chlapf

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