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durch neues Prozessieren nicht sich und alle völlig ins Unglück bringen. Zugleich sucht das schmucke Mädel durch vorsichtiges Fragen herauszukriegen, was denn abermals die Prozeßlust des streitsüchtigen Vaters geweckt habe. Peter poltert denn auch rasch heraus, daß aus der behördlichen Schlotfegerei nichts werde, so lange er seine Arme rühren und auf den Beistand der gleichgesinnten Bühler rechnen könne.

      Thrinele vermag nicht sogleich zu erfassen, worum es sich aufs neue handle und fragt: „Schlotfegerei, was soll das bei uns? Das isch in unserer Gegnig (Gegend) nit Brauch gsi!“

      „Der alte Graf Hans wird sich im Grabe umdrehen, wenn er vernehmen könnte, was für Neuerungen es giebt auf dem Wald! Aber es wird solche bei Gott nicht nicht geben! Noch leben treue Anhänger der heiligen Salpeterersache,[1] für die wir leben und sterben!“

      „Ach Ätti! Laß' doch ab von solcher Sache! Sie hat sich überlebt und nur

       Unglück gebracht in unser Land!“

      „Schweig' Maidli! Eine Sache, für die so viele Wäldler das Leben gelassen, Männer wie Wybervölker, überlebt sich nicht, sie stirbt nicht, so wenig wie unser alter Glauben! Wir wollen frei bleiben und treu der Kirche, alles andere ist eitel und für uns nicht von Rechtens! Und in meinen Rauchfang wird kein Franzose, kein Österreicher, wie kein anderer klettern! So wahr der alte Gott lebt und ich Peter Gottstein heiße!“

      „Ist's denn aber auch wahr, daß wirkliche Schlotgücksler in den Wald kommen sollen?“

      „Frili isch's wahr! Der Jaköble hat die Kunde mitgebracht von Waldshut und andere Botschaft dazu, daß die Wälderchnabe ohne Ausnahm' Soldate werden müsse und die Alten neue Steuern, Accise zahle! Gott verdamm' mi, daraus wird nichts, sag' ich!“

      „Ätti, ich mein', das Schlotgückslen wär' aber doch noch zu ertragen!“

      „Nein! Das wird nur der Anfang sein und alles andere kommt noch nach!“

      „Wenn das Schlotfegen uns aber nichts kostet, mein ich —“

      „Nichts kosten, haha! Ausziehen werden sie uns und schinden, bis die letzte Ziege aus 'm Haus ist! Das haben unsere Vordern erlebt mit dem Waldpropst wie mit 'm Vogt zu jeglichen Zeiten! Drum schwör' ich: Eher werd' ich zum Chilchhof getragen, bevor mir ein Fremder in den Schlot steigt! Und die Füsi (Flinten) sollen knattern wie zu Hannes Zeiten!“

      Erschreckt wirst sich Thrinele an Vaters Brust und sucht ihn zu beruhigen mit dem Hinweis, daß ein Schlotgücksler doch wahrlich nicht ein Blutvergießen und sonstiges Unheil wert sei.

      Noch poltert der Alte: „Der Gücksler frili nit!“ da schreit des Wirtes blonder Jaköble wie besessen zur Thüre herein: „Sie kommen!“ und prasselt wieder zurück und durch den Flur ins sturmdurchtoste Freie.

      Augenblicklich stößt Peter sein Maidli von sich und zetert nach der Füsi, um den Gücksler gebührend mit einem Schrothagel begrüßen zu können. Wie umgewandelt ist Thrinele, verschwunden jegliche Sanftmut, ein entschlossener Zug tritt in ihrem zarten Gesichtchen hervor und scharf fordert sie den Ätti auf, Gewalt zu unterlassen. Doch schon greift der Wirt nach der Flinte, die in einer Ecke hängt, immer scharf geladen, da wirst sich Thrinele ihm entgegen, reißt das Gewehr samt dem Nagel herunter, mit zitternder Hand schlägt sie den Hahn zurück, dreht den Lauf dem Fenster zu und drückt blitzschnell ab. Dichter Pulverdampf erfüllt die Stube, klirrend fallen die Scheibenscherben auf das Pflaster vor dem Hause. Verdutzt blickt der Alte auf seine so urplötzlich resolut gewordene Tochter und auf das abgeschossene Gewehr. Thrinele stellt wortlos die Waffe in die Ecke und verläßt die Stube. Dann folgt ihr Peter, unschlüssig, wie er nun den Feind abwehren soll. Und da ist sie auch schon die Gücksler-Kommission: ein Beamter in Uniform mit langem Schleppsäbel und einer Aktentasche, einen gewaltigen Dreispitz mit Federbusch auf dem Kopf, und neben ihm der Rauchfangkehrer in schwarzer Adjustierung mit Kratzeisen und der Leiter auf der rechten Schulter. Des Alten Sohn Jaköble beguckt die seltsame Kommission ungefähr mit der Andacht, mit welcher eine Kuh das neue Scheunenthor beschaut, indes Thrinele vor dem gestrengen Kommissär einen Knicks macht und nach seinem Begehr fragt. Zögernd ist auch der Vater nähergetreten, der seine Fäuste in den Sack gesteckt, um seinen Ingrimm nicht äußerlich zu schnell erkennen zu lassen. Es funkeln seine Augen ohnehin verräterisch genug und die zusammengekniffenen Lippen künden keineswegs Liebe und Sanftmut.

      Mit schnarrender Stimme verkündet der Beamte das neue Edikt betr. den Schlotkehrzwang und fordert Unterwerfung und Einlaß für seinen schwarzen Begleiter im Namen des Großherzogs von Baden. Sodann fragt der Federbuschträger, sich zum Alten wendend, was der Schuß zu bedeuten hatte. Peter zieht sein Gesicht in höhnische Grimasse, Thrinele jedoch giebt schnell die Antwort, daß das Gewehr sich zufällig entladen und der Schuß keineswegs der anrückenden Kommission gegolten habe.

      „So so! Na, ist Euer Glück! Künftig spritzt aber keinem Beamten Schrot ins Gesicht, so Ihr nicht Bekanntschaft mit Eisenmeister und Galgen machen wollt. — Öffnet also und laßt den Kaminfeger ein zur Arbeit! Bei Euch, Peter Gottstein soll im oberen Wald begonnen werden!“

      Nähertretend fragt Peter: „Warum bei mir zuerst?“

      „Weil Ihr die wichtigste Person am „toten Bühl“ seid!“

      Geschmeichelt steht Peter eine Weile und kratzt sich hinter'm Ohr. Was soll er thun? Daß man ihn mit seinem Einfluß auf die Wäldler respektiert, ihm gewissermaßen den Vorrang sogar beim Schlotfegen einräumt, schmeichelt ihm nicht wenig; aber er ist gewohnt, just das Gegenteil zu thun, was von ihm verlangt wird, und deshalb neigt er eher zu einer Verweigerung hin, es juckt ihn seine Protestleidenschaft. Auch ist sicher anzunehmen, daß die Salpeterer am toten Bühl überall den Schwarzen hinauswerfen und das Kaminfegen verweigern, wenn der Peter hierzu das leuchtende Beispiel gegeben haben wird. Und wenn der dicke Federbuschmann mit hinausgeworfen würde aus jeglichem Salpetererhofe, müßte das ein köstlicher Anblick sein, füglich aber ein Merks für die Freiburger Regierung, daß noch der alte Geist der Freiheit und Unabhängigkeit herrsche auf den Schwarzwaldhöhen. Auf gewöhnlichem Wege jedoch die Kommission unverrichteter Dinge vom „dürren Ast“ wegzuschieben, däucht Petern in seiner Führerwürde zu harmlos, vom Gehöft des Streitpeterle dürfen die Kommissionsleute nicht gewöhnlich gehen, sie müssen hüpfen, wie besessen rennen und ein Andenken an den „dürren Ast“ mitnehmen, das ihnen das Wiederkommen verleidet.

      Der Beamte wiederholt die Aufforderung und schwingt dabei die Aktenmappe, um seiner Wichtigkeit größeren Nachdruck zu geben. Über Peters Gesicht huscht ein höhnisches Lächeln, grinsend sagt er: „Wenn ich nicht will, kommt Ihr mir nicht ins Haus! Ich will Euch aber einlassen, so Ihr da mit Eurem Federbusch auch mit hinauf in den Schlot steiget!“

      Erschrocken prallt der Beamte zurück und stottert: „Wie? was? Seid Ihr verrückt? Ich — ich — habe oben nichts zu thun — das ist des Kaminfegers Sache!“

      Auch Thrinele kann das Lachen über die drollige Erscheinung des Federbuschmanns und dessen Schrecken nicht verbeißen und kichert vor sich hin, indessen Jobbeli in Vorahnung eines Spaßes die Hausthüre angelweit aufreißt und durch eine linkische Armbewegung zum Eintritt einladet.

      Peter besteht darauf, daß der Kommissär unter der Esse auf den Vollzug der Kehrordnung warten müsse, andernfalls lasse er den Schornsteiner nicht ein. Dem Beamten ist es zu thun, den Streitpeterle 'rum zu bekommen, auf daß er bei den übrigen Waldbauern nicht auf Widerstand stößt. Vielleicht ist es lediglich eine Marotte des eigensinnigen Hotzen, und Peter ist ja der größte Starrkopf der Wäldler. Auch tobt der Wind so grimmig um den Bühl, daß der Aufenthalt selbst in der rußigen Küche vorzuziehen sein wird. So entschließt sich denn der Kommissär zum Eintritt und hinter ihm und den Schornsteiner drängen die Andern nach ins Haus. Schon hinter der Thür beginnt der Federbuschmann zu husten, der Qualm des glimmenden Herdfeuers benimmt ihm schier den Atem. Der Schwarze meint, das Feuer müsse ausgelöscht werden, sonst könne er nicht in den Rauchfang aufsteigen.

      Mit Entschiedenheit aber fordert Peter nun sofortigen Beginn der „Regierungsthätigkeit“ des Schornsteiners und droht im Weigerungsfalle mit gewaltsamer Entfernung der ganzen Kommission. Das Faceletto vor den Mund haltend,

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