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packt Peter blitzschnell einen Bund trockenen Reisigs und wirft es auf die glimmende Glut, und Jobbeli beeilt sich augenblicklich, des Vaters Beispiel kräftig und flink nachzuahmen. Gierig züngeln die Flammen auf, es prasselt das Reisig wie Zunder, im Nu ist die Küche raucherfüllt und in dicken Schwaden steigt der Qualm in den Schlot. Vergebens poltert der Kommissär gegen solch' boshaftes Beginnen und wischt sich die brennenden Augen aus; doch die Gottsteins kümmern sich nicht den Pfifferling um das Gezeter und werfen immer neues Reisig auf die prasselnde Glut. Nur Thrinele thut nicht mit und flüchtet vor Qualm und Rauch hinweg in ihre Stube. Ihr Beispiel ahmt hustend, schier erstickend der Bebuschte nach und stürmt ins Freie. Gleich darauf rasselt der Schornsteiner die Esse herab, betäubt vom Qualm und krachend fährt er mitten in die aufspritzende, funkensprühende Glut des Herdfeuers, worüber Peter und Jaköble ein wahres Freudengeheul anstimmen und sich die Seiten halten vor Lachen über das sie höchlich belustigende Schauspiel. Wie besessen springt der Schwarze aber vom Herd hinweg, heulend vor Schmerz und stürmt ins Freie, eine schwarze Fährte ziehend im frischgefallenen Neuschnee. Brüllend vor Vergnügen stürzen Peter und Jaköble ihm nach, um das Auge zu weiden an der rasenden Flucht der geprellten Kommission, bis der dicke Kommissär mit dem wackelnden Federbusch und hinterdrein der toll springende Schwarze hinter den Häusern von Hochschür verschwinden.

      * * * * *

      Gegen die neunte Abendstunde hat es zu schneien aufgehört. Die Wolken sind verzogen, klar ist der Himmel, besät von mildstrahlenden Sternen, und der Mond sendet sein Silberlicht herab auf den überzuckerten Tann und die weißschimmernden Bühlhöhen des Schwarzwaldes. Das Kreuz auf dem toten Bühl wirst vom magischen Licht übergossen, einen langen Schatten auf den schneeigen Grund und geisterhaft strecken die entlaubten Buchen ihre Äste gen Himmel. Es flimmert die öde Landschaft im glitzernden Schmuck winterlichen Geflockes, und gegen die Helle am Bühl sticht schaurig das Schwarz der Tannenwälder ab mit ihrer unheimlichen Finsternis und geheimnisvollen Starrheit. Der Wind hat sich gelegt; still ist's weit um, tot und leer. Nur zeitweise rutscht in kleinen Ballen der Neuschnee von den Tannengipfeln tiefer herab auf die Äste und von der weißen Last befreit schnellen die Zweige wieder hinauf zur normalen Lage. Das giebt ein knisterndes Geräusch im sonst kirchenstillen Tann, das sich zum dumpfen Getöse verstärkt, wenn die größer gewordene Schneelast durchbrechend auf den Waldboden aufschlägt. Schneestaub quillt dann für einen Augenblick auf, alles verhüllend; dann aber legt sich der weiße Staub, schwarz ragt die befreite Tanne auf in schauriger Hoheit und nächtlicher Majestät.

      Vom Kirchturm zu Hochschür schlägt es zehn Uhr nachts in langgedehnten Tönen. Wohl blinken die Fenster der wenigen Häuser des kleinen Dorfes im Mondenschein, doch ist jegliches Licht erloschen. Die Dörfler sind wohl längst zur Ruhe gegangen und schlafen den Schlaf des Gerechten, mit Ausnahme vielleicht jener Hochschürer, die dem Dörflein den üblen Ruf eingebracht haben, von dem Scheffel schreibt: „So einem in der Umgebung nachts in dem Keller eingebrochen und Kartoffeln geholt, oder ihm das frischgeschlachtete Schweinlein aus dem Kamin ausgeführt wird, so heißt's: es wird den Weg alles Fleisches nach Hochschür gegangen sein.“ Von einigen Häuschen lösen sich richtig schwarze Gestalten ab, hochgewachsene Männer, die dunklen Überwurf, wallende Mäntel und auf dem Kopf gewaltige Pelzmützen tragen. Schweigend stapfen diese Gestalten alle einem Ziele zu: hinauf zum Kreuz am toten Bühl. Und auch von anderen Seiten her pilgern Männer dicht vermummt gegen Frost und Kälte; die einen durch den Tann von Gebisbach her, andere von Altenschwand und Hottingen, von Sägeten, jenem Dörflein, von dem es heißt: Hochschür und Sägeten giebt eine Trägeten (Traglast, d.h. sie wiegen [im Rufe] gleich schwer), und von Herrischried. Seltsam düster heben sich die Gestalten ab vom glitzernden Schnee, schier geisterhaft in ihren schwarzen Mänteln und hohen Mützen. Von allen Seiten klimmen und steigen sie den toten Bühl hinan, schweigend, ernst, feierlich, und stellen sich im Kreise um das Kreuz auf, vor dem sie die Mützen lüfteten und das Knie beugten, zugleich das Kreuz auf der Brust schlagend. Doppelt und dreifach wird der Menschenring auf der Bühlhöhe, die Männer stehen wie die Mauern im rasch zusammengetretenen Schnee und harren der kommenden Dinge im gespenstischen Mondenschein, die Augen auf den Christus am Kreuze gerichtet.

      Und wie die Uhr von Hochschür die Geisterstunde schlägt, hebt einer aus der nächtlichen Versammlung an zu sprechen: „Im Namen der heiligen Jungfrau Maria. Gottwilche! (Willkommen).“

      „Gottwilche!“ tönt es mit gedämpfter Stimme in dem dreifachen

       Menschenring.

      Streitpeter ist's, der den Willkomm ausgesprochen als der Vertrauensmann der Salpeterer am toten Bühl, der die Versammlung einberufen hat zur Besprechung wichtiger Dinge, und der nun den Ring verläßt, sich an den Kreuzstamm stellt und zu reden beginnt: „Gott wilche! 's isch e gheimi Sach, die mer han z' verhandle heroben am toten Bühl. Sin Ihr alle da, die ich g'lade han zur Geischterstund? Die Männer von Gebisbach, Altenschwand, Hottingen, Sägeten, Hochschür und Herrischried?“

      Mit dumpfer Stimme melden sich die Verschworenen aus den ausgerufenen

       Orten.

      „Sind annere aus 'm Wald aach noch chomme?“

      „Ja! Ich, Ägidius Riedmatter von Kuchelbach bin aach chomme!“ ruft ein alter Mann aus dem dritten Ring.

      Tiefe Bewegung geht durch die Menschenreihen, summendes Geflüster der Überraschung, daß sich ein Salpeterer auch aus dem Albthal eingefunden, der drüben Führer ist und Hauptverfechter der heiligen Sache.

      Peter fordert Riedmatter auf, ans Kreuz zu treten und der Versammlung zu sagen, was er als richtiger Salpeterer auf dem Herzen habe.

      Die Männer treten etwas zur Seite, um den alten Riedmatter durchzulassen, und mit festem Schritt tritt derselbe auf das magisch beleuchtete Kreuz, entblößt das von weißem Haar umrahmte Haupt und spricht mit kräftiger Stimme: „Im Namen der heiligen Jungfrau Maria seid gegrüßt, Salpeterer! Was ich euch han ze sage, isch kurz und bündig das: Wer ich bin, wisset ihr alle! Und mir, Ägidius Riedmatter isch in stiller Nacht der Geischt des Salpeterhannes, Albiez' Geischt wirklich und wahrhaftig erschienen, und selbiger Geischt hat mich eingeweiht und bezeichnet als Hannesle's Nachfolger in der Führerschaft der Salpeterer. Ich soll den Kampf aufnehmen und führen wie einst der Hannes selber! Und dem Mahnruf des Geischtes han ich Folge geleistet und drüben im Albthal mein heilig und schweres Amt übernommen. Heute in verschwiegener Nacht am Kreuz des toten Bühl bin ich erschienen und frage euch, ihr Mannen des Murgthales: Wollt Ihr mitkämpfen für die heilige Sache?“

      „Ja! Wir wollen, im Namen des dreieinigen Gottes für die Freiheit unseres Volkes und für unseren Glauben!“ tönt es rauh, aber feierlich aus dem dreifachen Menschenringe.

      Nun frägt Peter den alten Riedmatter: „Ischt der Geischt des Hannes dir wirklich erschienen? Erhebe die rechte Hand zum Kreuz und schwör' es uns zur heiligen Dreifaltigkeit!“

      „Ich schwör' es!“

      „Dann glauben wir dir! Und du, Ägidi, sollst fürder auch unser Führer sein im heiligen Kampfe. Willst du?“

      „Ja, ich will! An der Hand der alten Festen und Privilegy, der kaiserlichen Briefe will ich unsere Sache führen und nicht erlahmen in der Verteidigung unserer alten Rechte. Schwört mir Gehorsam und Gefolgschaft!“

      „Wir schwören!“

      „Und nun höret: Wie einst Hans Albiez müssen auch wir die uralten Rechte der Grafschaft Hauenstein verteidigen. Unsere Vereinigung, der im stillen auch tapfere Weiber, Söhne und Töchter angehören, ist bereit, dafür das Leben zu lassen. Ein offener Aufruhr mit den Waffen in der Faust kann uns jedoch nur das Schicksal unserer Großväter, die gewaltsame Verbannung, Verlust des Lebens und Eigentums eintragen. Wir müssen der Übermacht anjetzo noch weichen! Aber was wir können, was wir müssen, ist die Hochhaltung unserer alten Rechte, auf die wir niemals verzichten werden, auch dann nicht, wenn man uns die Bajonette auf die Brust setzt und zum Galgen schleift! Kein Verzicht, aber auch kein gewaltsam Auflehnen. Wir huldigen nicht, niemandem, wir wollen frei und unabhängig bleiben! Und große wichtige Dinge bereiten sich vor! Unser ärgster Feind, das Kloster zu St. Blasien, wird bald nicht mehr sein!“

      Jähe Überraschung fährt durch

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