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zwar nicht verstehen, wie sie es machte, aber es klappte. Sie fuhren ziemlich schnell, fand sie.

      „Warum zur großen Straße, dort fahren doch Autos?“ fragte Petra. Stine lachte.

      „Dort ist es eben. Wenn wir nach der andern Seite fahren, haben wir lauter Wege, die bergauf und bergab führen. Vor der Straße halte ich an. Dann springst du ab und winkst den Autos, daß sie uns sehen und rüberlassen. Wir überqueren die Straße nur und fahren dann durch die Bahnunterführung.“

      „Und dann den Feldweg weiter? Gut. Durch die Unterführung – hoffentlich kommt da nicht gerade ein Zug“, rief Petra, machte sich zum Sprung bereit und lauerte. Stine gab ihren vier Kleinen eine Parade und bekam sie in Schritt.

      „Jetzt!“

      Petra sprang ab. Sie rannte das letzte Stück zur Bundesstraße vor und äugte nach links und rechts.

      „Jetzt ist es grade günstig! Links das Auto ist noch weit, und rechts ist frei.“ Sie stand mitten auf der Straße und winkte mit beiden Armen. Die Ponys zogen wieder an. Auch Anja guckte nach links und rechts.

      Wirklich, sie hatten Glück. Das Auto, das von links kam, hatte bemerkt, daß hier jemand quer über die Straße wollte, und bremste schon von weitem ab. Auf der andern Seite blieb die Straße leer. Hier herrschte sonst ziemlich starker Verkehr. Stine fuhr im Schritt auf die Straße hinauf und ließ die Ponys auch im Schritt wieder hinuntergehen.

      „Biste da?“ fragte sie nach Petras Seite hin, ohne den Blick von ihren Pferden zu nehmen.

      „Ja. Oben. Los!“ rief Petra. Sogleich zogen die Ponys wieder an, und nun ging es in flottem Trab den Feldweg entlang. Hier kamen keine Autos, nichts war da, wovor die Ponys hätten scheuen können, nicht einmal ein Graben rechts und links, in den man hineinfallen konnte. Anja atmete auf und fand es wunderbar, so zu fahren.

      „Wie die Königin von England“, dachte sie gerade, da rief Petra, als könnte sie Gedanken lesen, dasselbe.

      „Oder etwa nicht? Ich bin der Prinz Philip –“ sie richtete sich, ein möglichst würdiges Gesicht machend, auf, so gerade sie konnte. Stine lachte.

      „Und ich bin die Majestät. Anja die Anne, das paßt genau. Vorwärts, kleine Hörschens, nun lauft mal, damit wir bald in Schloß Windsor sind –“

      Stine war herrlich, fanden die Mädchen. Groß, mager, weißblond und von einer bestechenden Uneitelkeit. Sie trug verwaschene Jeans und einen uralten Pulli, der ihr bis zu den Knien ging, hatte das Haar ziemlich kurz geschnitten und eine Narbe quer über der Wange, um die Anja sie heimlich, aber glühend beneidete. Solch eine Narbe zu haben und sagen zu können: „Kommt von einem Reitunfall ...“

      Jetzt näherten sie sich dem Bahndamm. Anja schielte nach rechts und links, ob ein Zug käme. Nichts zu sehen, welch ein Glück. Es ging ein Stück bergab – Stine nahm die kleinen Pferde fest an den Zügel –, dann hinein ins Dunkel. Ja, ziemlich dunkel war es da unten, obwohl die Unterführung nicht sehr lang war. Im letzten Augenblick sahen sie, daß sie voller Pfützen stand. Hoffentlich nur flache Pfützen und kein tiefer Teich.

      Trotzdem gab es Schwierigkeiten.

      „Himmel, daran hab’ ich nicht gedacht. Lettchen haßt es, durchs Wasser gehen zu müssen.“ Anhalten aber konnten sie nicht mehr, auch nicht umdrehen. Stine nahm die Peitsche und versuchte, Lettchens Flanke damit zu erreichen.

      „Vorwärts, du schwarzer Satan, nun hilft es nichts mehr!“

      Lettchen hatte das Wasser auch erspäht. Sie versuchte nach links auszubrechen, ging hoch und riß die Deichsel auf ihre Seite herum –

      „Vorwärts!“ rief Stine noch einmal und gab ihr einen kleinen Klaps. Die drei Ponys zogen los, als wären sie persönlich gemeint. Und da mußte Lettchen, ob sie wollte oder nicht, mit ihnen ins Wasser. Es patschte und schäumte; Petra und Anja krallten sich schweigend an den Seitenlehnen der Kutsche fest, rauschend durchpflügten sie das Wasser. Gottlob, es war nicht tief, es ging den Pferden nur etwa spannenlang über die Fesseln. Und dann waren sie schon wieder im Bergauffahren, die Gefahr lag hinter ihnen. Stine ließ die Ponys wieder antraben.

      „Da kommt nämlich was“, sie deutete mit dem Kinn nach links hinter sich. Wahrhaftig, die beiden Mädchen hatten das gar nicht gemerkt. Eine Lok nahte, war aber noch ziemlich weit entfernt. Stine ließ die Pferdchen traben, was sie konnten.

      „So ist’s recht. Galopp gibt’s nicht vor dem Wagen! Vor dem Schlitten ja. Aber ein ordentlicher Trab bringt uns auch weg von dem Ungetüm –“

      Der Feldweg machte eine kleine Kurve, und das war gut. Nun sahen die Ponys nicht, was hinter ihnen vorbeischnaufte. Es war nur eine Lok mit Tender, kein Zug daran. Sie war schnell verschwunden.

      „So, nun sind wir allein auf weiter Flur. Nun können wir es genießen“, sagte Petra und fläzte sich in ihren Sitz.

      „Ich war mal mit den Ponys in Cannstatt zum landwirtschaftlichen Hauptfest, nur zweispännig, aber ein Fohlen bei Fuß“, erzählte Stine. „Ponys und Kutsche verladen, also mit dem großen Transporter hingefahren. Man konnte dort nicht nah ranfahren, wir mußten etwa zwei Kilometer vom Turnierplatz entfernt halten und ausladen, einspannen und hinkutschieren. Das war früh am Morgen und ging glatt. Später aber, als wir heimwollten, ach du liebe Zeit! Da galt es, mit der Kutsche durch den Nachmittagsverkehr bis zum Transporter zu kommen. Dabei hab’ ich Petroleum geschwitzt, sage ich euch! Mitten in der Autoschlange und dann an den Kreuzungen bei Rot halten! Der Fahrer des Transporters saß neben mir, die Arme untergeschlagen, und ließ sich fahren. Auf seinem Gesicht stand zu lesen: ‚Nun zeig mal, was du kannst!‘ Eine junge Reitschülerin lief nebenher, wegen des Fohlens, das unangebunden neben der Mutter hersprang, es war noch nicht halfterzahm gemacht worden. Lieber Gott, war das eine Fahrt! Wenn die Ampel Rot zeigte, stand Lettchen immer auf zwei Beinen, bis sie wieder losdurfte. Aber die Autofahrer waren nett und rücksichtsvoll und machten einander Zeichen, besonders vorsichtig zu sein.

      Nach einer Weile konnte das Mädchen, das nebenherrannte, nicht mehr. Sie japste zum Gotterbarmen, schließlich machte sie ja alle Wege doppelt, um das Fohlen immer wieder zu erwischen. Ich winkte sie an einer Kreuzung zu mir herauf, gab ihr die Zügel in die Hand – wir fuhren ja nur zweispännig – und sprang selbst hinunter, um mich um das Fohlen zu kümmern. So kamen wir schließlich doch einigermaßen glatt zum Transporter. Der Fahrer ahnte sicherlich nicht, was für einen Ritt über den Bodensee er gemacht hatte.“

      „Das Gedicht vom Reiter über den Bodensee stand auch in unserem Lesebuch“, sagte Petra. „Ich hab’ es immer doof gefunden, daß der hinterher tot umfiel. Da war doch alles gut.“

      Stine lachte.

      „Ja. Damals waren die Leute noch zarter besaitet als heute, glaub’ ich. Heute würde der Reiter vermutlich sagen: ‚So, über den See bin ich geritten? Na, da haben wir ja wieder mal Glück gehabt.‘“

      „So wie wir eben, als die Lok später kam“, sagte Anja. „Wenn sie gerade über die Unterführung gedonnert wäre, als wir drunter waren – ich jedenfalls hätte gescheut, wenn ich ein Pony gewesen wäre!“

      „Ich wahrscheinlich auch“, sagte Stine vergnügt, „aber sie ist ja nicht. Und nun fahren wir einen weiten Bogen und kommen dann auf dem Rückweg über die Eisenbahnbrücke und eben nicht mehr durch den Tunnel.“

      Anja atmete insgeheim auf. So ganz zu Hause fühlte sie sich im Vierspänner eben doch nicht, auch wenn Stine fuhr.

      Die Ponys gingen allmählich auch vernünftiger, sie waren abgetrabt und nicht mehr zu Dummheiten aufgelegt.

      „Nur über die Bundesstraße müssen wir noch mal, das ist klar“, sagte Stine, „aber Petra hält wieder die Autos an, dann wird es schon klappen.“

      „Natürlich klappt es, ich möchte den Autofahrer sehen, der nicht hält, wenn er so eine süße Kutsche sieht.“

      „Ja, die meisten sind nett und rücksichtsvoll, so wie damals in Cannstatt“, sagte Stine, „es gibt aber auch andere. Ich ritt einmal mit einer etwas

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