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lange sie in der Klinik bleiben muß, habe ich veranlaßt, daß sie vorzeitig ihr Zimmer bei uns kündigen kann. Wir können es ohne Schwierigkeiten schon morgen wieder belegen.«

      »Ich nehme an, du hast vor, Frau Berger täglich im Krankenhaus zu besuchen«, sagte Gerhard Thomson eisig.

      »Ja.«

      »Verbrenn dir nicht die Finger, Jörg. Ich weiß, daß ich mich wiederhole, doch mit dieser Frau stimmt etwas nicht. Wenn man einmal so lange wie ich in unserem Beruf ist, dann hat man dafür eine Nase. Es ist nicht so, daß ich Frau Berger nicht mag, sie besitzt Stil, einen guten Geschmack, hat ausgezeichnete Manieren… Trotzdem…« Er legte sein Besteck an den Tellerrand. »Du kannst sagen was du willst, mein Sohn. Diese Frau ist dir gegenüber nicht offen. Sie verbirgt etwas.«

      Jörg hatte keine Lust, sich mit seinem Vater zu streiten. Deshalb ging er auch nicht weiter auf dessen Worte ein, sondern sprach von den beiden Pferden, die sie sich noch für ihren Reitstall anschaffen wollten. »Wir sollten auch an die Kinder unserer Gäste denken und uns einige Ponys zulegen«, meinte er.

      »Keine schlechte Idee«, bemerkte seine Mutter.

      »Gibt es auf dem Gestüt der Kordes auch Ponys?« erkundigte sich Gerhard Thomson.

      »Ein paar«, erwiderte sein Sohn. »Wenn wir von den Kordes die beiden Pferde kaufen, können wir sie uns anschauen.«

      »Deine Idee ist nicht schlecht«, gab der Hotelier zu. »Ich laß dir da völlig freie Hand, und was die Pferde betrifft, ebenfalls. Zum einen weiß ich, daß uns Heinz Kordes nicht übers Ohr hauen wird, zum anderen verstehst du mehr von Pferden als ich.«

      »Kann deine Melanie reiten?« erkundigte sich Maria Thomson.

      Jörg bedauerte, daß seine Mutter nicht mit dieser Frage gewartet hatte, bis er mit ihr allein gewesen wäre. Er befürchtete, daß sein Vater dankbar den Faden aufnehmen würde, und es überraschte ihn, als dieser darauf verzichtete. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich werde sie danach fragen.«

      Melanie saß auf der Terrasse und trank nach dem Essen eine Tasse Kaffee. Niedergeschlagen schaute sie auf den Swimmingpool und die kleinen, von Buschwerk umgebenen Nischen mit ihren Liegestühlen, Tischen und Bänken. Sie dachte wieder daran, wie lange sie für diesen Urlaub gespart hatte. Warum mußte das ausgerechnet ihr passieren?

      Jörg kam auf sie zu. »Hallo, da bin ich«, sagte er und setzte sich. »Hast du alles gepackt?«

      Die junge Frau nickte. »Den größeren meiner Koffer habe ich bereits in eurem Aufbewahrungsraum untergestellt. Ich nehme nur den kleineren ins Krankenhaus mit.«

      »Ja, das ist sehr vernünftig.« Jörg umfaßte liebevoll ihre Hand.

      »Im Moment erscheint mir das Leben ziemlich düster«, gestand sie. »Am liebsten würde ich schreiend durch die Gegend laufen. Ich werde lernen müssen, mich selbst zu spritzen. Ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, daß ich jemals dazu in der Lage sein werde.«

      »Du wirst es«, versicherte er. »Es gibt sehr viele Leute, die seit ihrer frühesten Kindheit mit Diabetes leben müssen. Auch wenn es kein Trost sein mag, es gibt schrecklichere Krankheiten.«

      Um Melanies Lippen huschte ein Lächeln. »Und aus dem Chaos sprach eine Stimme, sei froh und freue dich, es hätte noch schlimmer kommen können«, zitierte sie. »Ich war froh und freute mich, und es kam schlimmer.«

      »Es wird nicht schlimmer kommen«, meinte der junge Hotelier zuversichtlich. »Außerdem bist du nicht allein. Ich werde immer an deiner Seite sein.« Er beugte sich vor und küßte sie auf die Wange.

      Eine halbe Stunde später verließen die jungen Leute das Hotel. Ein Page brachte Melanies Koffer zu Jörgs Porsche. Sie hatten vereinbart, daß ihr eigener Wagen bis zu ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus auf dem Hotelparkplatz bleiben sollte. Die junge Frau gab dem Pagen ein großzügiges Trinkgeld, dann stieg sie in den Sportwagen ihres Freundes. Sie hatte ihm noch immer nicht gesagt, daß sie bei einer Versicherung arbeitete.

      »Wir nehmen die am See entlangführende Straße«, bestimmte Jörg, nachdem sie den Bereich des Hotels verlassen hatten. Er legte eine Hand auf ihr Knie. »Kopf hoch, Melanie. Mach nicht so ein niedergeschlagenes Gesicht.«

      Melanie atmete tief durch. Sie durfte nicht länger zögern. »Jörg, bitte fahr auf den nächsten Parkplatz«, bat sie. »Es gibt etwas, was ich dir sagen muß.«

      Der junge Mann warf ihr einen überraschten Blick zu. »Klingt, als sei es etwas Ernstes«, erwiderte er und bog von der Straße ab. Kurz darauf brachte er seinen Wagen zum Stehen. Er löste seinen Gurt und setzte sich so, daß er seine Freundin voll ansehen konnte. »Falls du mir einen Mord gestehen willst, laß es…«

      Melanie löste ebenfalls den Gurt. »Gehen wir ein paar Schritte«, schlug sie vor und öffnete die Wagentür.

      Jörg mußte an die Worte seines Vaters denken. »Sie verbirgt etwas vor dir«, hörte er ihn sagen. Seine Kehle fühlte sich plötzlich furchtbar trocken an. Widerwillig stieg er aus. Er war sicher, daß er nicht hören wollte, was ihm seine Freundin zu sagen hatte.

      Schweigend überquerten sie die Straße, gingen zum See hinunter und starrten auf das in der Sonne glitzernde Wasser.

      »Wie schön es hier ist.« Melanie beschattete die Augen mit der Hand. »So wunderschön. Manchmal habe ich das Gefühl, schon eine Ewigkeit am Tegernsee zu leben.« Sie ließ die Hand sinken und blickte zu ihm auf. »Seit meiner Kindheit habe ich davon geträumt, in einem Luxushotel einen Traumurlaub zu verleben. Mit jedem Film, in dem die Hauptpersonen in so einem Hotel ein- und ausgingen, wurde mein Wunsch größer. Also sparte ich und sparte…«

      Jörg stieß vor Erleichterung heftig den Atem aus. »Und ich dachte schon, du hättest irgendwo eine Leiche im Keller«, sagte er und riß sie stürmisch an sich. »Melanie, mir ist es völlig gleich, ob du Geld hast oder nicht. Worauf es ankommt, ist einzig und allein unsere Liebe. Ich brauche keine Freundin, die wie Dagobert Duck den größten Teil ihrer Zeit damit verbringt, im Geld zu baden.«

      Melanie mußte lachen. »Und du bist nicht enttäuscht, weil ich dir nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt habe?«

      Der junge Mann lauschte in sich hinein. »Ein bißchen schon«, gab er zu. »Du hättest mir ruhig die Wahrheit sagen können.«

      »Ich hatte ganz einfach Angst, dich zu verlieren«, gestand seine Freundin. »Außerdem ist es ein wundervolles Gefühl gewesen, einmal so zu tun, als würde es einem nicht auf das Geld ankommen.«

      Er legte den Arm um sie. »Du hast nie von deiner Familie erzählt, von deinem Beruf. Wenn ich dich gefragt hätte, hättest du mir die Wahrheit gesagt?«

      »Ja«, erwiderte Melanie spontan. »Ich hätte dich nicht anlügen können.«

      »Das ist alles, was ich wissen will.« Jörg nahm sie in die Arme. »Du hast nichts Unrechtes getan. Manche Leute sparen, um eine Reise rund um die Welt zu machen, oder kaufen sich eine Parzelle auf dem Mond. Ich bin froh, daß du dich zu einem Aufenthalt im »Luisenhof« entschieden hast, denn sonst hätten wir uns nie

      kennengelernt.« Leidenschaftlich küßte er sie, und Melanie vergaß, wieviel Angst sie vor ihrem Geständnis gehabt hatte. Jörg liebte sie, was jetzt noch kam, konnte sie nicht mehr schrecken.

      *

      Es geschah nicht oft, daß Dr. Baumann dazu kam, eine längere Wanderung zu machen, doch am Mittwochnachmittag beschloß er, zwei, drei Stunden mal alles hinter sich zu lassen und mit Franzl ein Stück in Richtung Neureuth zu marschieren. Er hatte keine Sprechstunde und auch keine Patienten zur Akupunktur oder Neuraltherapie bestellt.

      Katharina Wittenberg hatte dafür gesorgt, daß weder er noch Franzl auf der Wanderung verhungern konnten. »Deinetwegen muß ich mich so plagen«, meinte er, nachdem er auf einem Parkplatz beim Lieberhof seinen Wagen abgestellt hatte und den Rucksack schulterte. »Ich gehe jede Wette ein, daß über die Hälfte des Vespers dir gehört.«

      Franzl stellte sich auf die Hinterpfoten,

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