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Es erscheint seltsam, zu glauben, dass wir dieses Recht aufgrund der Bedeutung politischen Handelns haben sollten. Wenn die Grundlage des von Oberman angeführten Interesses grundsätzlich informativer Natur sein sollte, dann halte ich es für ungeeignet, um ein Recht auf Migration zu verteidigen. Wir denken im Allgemeinen nicht, dass ein Recht darauf, in eine Beziehung mit anderen zu treten, mit dem Erlangen von Informationen begründet werden kann. Ich mag ein großes Interesse daran haben, wie Universitäten geleitet werden und aus diesem Grunde auch ein starkes Interesse daran, zu erfahren, wie die University of Miami den Fachbereich Philosophie führt.51 Allerdings scheint nichts davon ausreichend, um mir ein Recht auf eine Stelle an der University of Miami zuzusprechen. Aus der Tatsache, dass meine Anwesenheit in dieser Gemeinschaft mich mit für mich wertvollen Informationen versorgen würde, folgt nicht, dass die derzeitigen Mitglieder dieser Gemeinschaft eine Verpflichtung hätten, mich in ihrem Kreis willkommen zu heißen.

      2.3 Kohärenz mit bestehenden Bewegungsrechten

      Wir können die Diskussion dieses Argumentationsmusters mit Carens’ Analyse innerstaatlicher Migration beginnen. Ihm zufolge müssen die Gründe für den starken Schutz innerstaatlicher Migration, von welcher Art auch immer sie sein mögen, auch für die Frage internationaler Mobilität gelten; die der innerstaatlichen Bewegungsfreiheit zugrunde liegenden Interessen müssten demnach ebenso stark auch im internationalen Raum berücksichtigt werden. Carens führt keine bestimmte Vorstellung von der Beschaffenheit dieser Interessen an – tatsächlich macht er diesbezüglich bewusst keine Ausführungen –, sondern bemerkt bloß, dass jede beliebige Begründung, die für Bewegungsfreiheit angeführt werden könnte, sowohl innerstaatlich als auch international gelten müsste.52 Der zentrale Punkt besteht Carens zufolge darin, dass jedes Interesse, welches eine der beiden Formen der Bewegungsfreiheit rechtfertigt, ebenso auch für die andere Form gilt.

      Die Antwort auf dieses Argument besteht jedoch in dem Hinweis darauf, dass das Interesse daran, mobil zu sein, bloß ein Teil der umfassenderen Rechtfertigung innerstaatlicher Bewegungsfreiheit ist. Der andere Teil besteht in der Frage, ob eine Person oder Institution, die uns dieses Recht verweigert, auch das moralische Recht dazu hat. Wir betrachten im Allgemeinen nicht nur die Interessen einer Seite, wenn wir moralische Rechte zu bestimmen versuchen. Ihr Interesse daran, ein öffentliches Gelände zu betreten, mag dem Interesse ziemlich ähnlich sein, aufgrund dessen Sie ein privates Gelände betreten möchten. Daraus folgt jedoch nicht, dass es keinen moralisch bedeutsamen Unterschied zwischen diesen Fällen gibt. Ebenso mag Ihr Interesse an Ihrem Abendessen von gleicher Art sein wie mein Interesse an Ihrem Abendessen. Allerdings denken wir nicht, dass wir beide aufgrund dieses Umstands einen gleichwertigen Anspruch auf dieses Abendessen hätten.

      Wie aber können uns diese Ideen bei einer Antwort auf das „Kranarm“-Argument helfen? Um zu sehen, warum sich internationale von innerstaatlicher Bewegungsfreiheit unterscheidet, müssen wir uns bloß anschauen, was der Staat in beiden Fällen zu tun gedenkt, wenn er diese Freiheit einschränken will. Wie bereits erwähnt, scheinen sich die zwei Fälle in dieser Hinsicht zu unterscheiden. Im ersten Falle nutzt der Staat seine Zwangsgewalt, um Menschen am Eintritt in dasjenige Hoheitsgebiet zu hindern, in dem er der Souverän ist. Im zweiten Fall nutzt der Staat ebenfalls Zwang, allerdings um über einzelne Personen zu regieren und ihnen zugleich vorzuschreiben, dass sie kein Recht darauf besitzen, sich innerhalb seines Hoheitsgebiets frei zu bewegen. Aus Perspektive der Moral sind diese Szenarien nicht identisch. Selbst wenn wir in beiden Fällen ähnliche Gründe für unseren Wunsch, uns frei zu bewegen, anführen könnten – wir möchten vielleicht eine neue Arbeit antreten oder eine Liebesbeziehung führen – würden wir daraus nicht schließen, dass dem Staat in beiden Fällen die Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit auf gleiche Weise untersagt ist. Wir gehen davon aus, dass es ein Bürgerrecht gegenüber dem Staat gibt, von solcherlei Einschränkungen frei zu sein, und dass es denjenigen zukommt, die der Staat zu regieren beansprucht. Kurzum: das Recht auf innerstaatliche Bewegungsfreiheit ist ein Bürgerrecht. Dieses Bürgerrecht mag wiederum auf einem Menschenrecht beruhen – vielleicht einem Menschenrecht darauf, von einem Staat regiert zu werden, der es unterlässt, die interne Bewegungsfreiheit mittels Zwang einzuschränken. Aber das ändert nichts daran, dass dieses Recht korrekterweise nur von denen in Anspruch genommen werden kann, die sich bereits in Reichweite der staatlichen Zwangsbefugnis befinden.

      Wir können allerdings darüber hinaus auch die spezifischeren Argumente in Carens’ „Kranarm“-Argument untersuchen. Carens nennt fünf Arten, auf die innerstaatliche und internationale Bewegungsfreiheit unterschieden werden können, um dann zu zeigen, dass keine dieser Unterscheidungen funktioniert. Die von ihm genannte Differenz, die meiner soeben ausgeführten Erwiderung am nächsten kommt, ist die Idee, dass Bewegungsfreiheit ein auf Mitgliedschaft beruhendes Recht ist bzw. ein Recht darauf, in einem Staat zu leben, dessen Rechtsprechung frei von Diskriminierung ist. Carens weist diese Unterscheidung zurück und es lohnt sich, genauer zu betrachten, wie auf sein Argument reagiert werden kann.

      Zunächst führt Carens aus, dass die Geltung der einem Recht zugrunde liegenden Interessen als unabhängig von der Staatsbürgerschaft einer Person begriffen werden sollte. „Aus der Perspektive des Individuums“, schreibt er, „ist innerstaatliche Bewegungsfreiheit aus einer Vielzahl von Gründen wichtig, die keinerlei Bezug zur politischen Mitgliedschaft haben.“53 Wir sollten daher annehmen, dass Nicht-Bürgerinnen wie auch Bürgerinnen ein Recht darauf haben, sich frei innerhalb eines Landes zu bewegen. Das Problem hiermit ist jedoch erneut, dass der für den Wunsch nach Bewegungsfreiheit ausschlaggebende Grund uns nicht alles darüber mitteilt, warum diese Freiheit von Bedeutung sein sollte. So könnte ich beispielsweise die Religionsfreiheit aus dem Grund befürworten, dass ich Kirchenarchitektur und Choräle liebe und diese daher gerne erhalten wissen würde. (Was, nebenbei gesagt, tatsächlich zutrifft.) Allerdings besteht in der Begründung der Religionsfreiheit keinerlei Bezug zu diesen individuellen Interessen. Stattdessen spielen dabei spezifischere Gründe bezüglich der Historie staatlicher Verurteilung und Marginalisierung von Mitgliedern missliebiger Glaubensgemeinschaften eine Rolle. Die Bedeutung der Religionsfreiheit beruht auf dieser Geschichte staatlicher Angriffe auf religiöse Praktiken. Wir verteidigen die Religionsfreiheit nicht einfach deshalb, weil das Interesse an Religion stark ist, sondern aufgrund einer Vergangenheit, in der die Menschen- und Bürgerrechte der Anhänger bestimmter Religionsgemeinschaften allzu oft missachtet wurden. Ebenso sollten wir die interne Bewegungsfreiheit aus Gründen verteidigen, die sich speziell auf die Legitimation politischen Zwangs beziehen – und nicht einfach auf die Stärke der Interessen, die von einem solchen Recht verteidigt würden.

      Einen solchen Zusammenhang zwischen politischer Gleichheit und innerstaatlicher Bewegungsfreiheit weist Carens mit wenigen Sätzen zurück: Innerstaatliche Bewegungsfreiheit sei „ein zu umfassendes Recht“, als dass ihr vorrangiger Zweck in der Vermeidung von Diskriminierungen bestehen sollte.54 Ich denke nicht, dass dieses Argument funktioniert. Andere, tendenziell stärkere – und umfassendere – Rechte sind häufig in vergleichsweise eng gefassten Zwecken begründet. Nehmen Sie zum Beispiel die Verteidigung der Rede- und Meinungsfreiheit John Stuart Mills, der diese Freiheit mit der Suche nach Wahrheit in persönlichen und politischen Diskursen rechtfertigt. Diese Verteidigung der freien Rede schützt aber nicht nur komplexe und erkenntnisreiche Diskussionen über die politische Ethik, sondern auch Groschenromane, Katzenblogs und die Filme von Michael Bay. Mit anderen Worten: Selbst eine eng umrissene Rechtfertigung kann ein umfassendes Recht begründen, vor allem dann, wenn uns die natürliche Tendenz des Staates, die Grenzen seiner legitimen Herrschaft zu überschreiten, Sorge bereitet.

      Ich möchte anmerken, dass Carens’ Position eine unter den Befürworterinnen offener Grenzen übliche Vorstellung von der Bewegungsfreiheit darstellt; sie verstehen Bewegungsfreiheit als ein vorpolitisches Recht. Dieser Vorstellung nach ist es so, als ob wir so lange dazu berechtigt gewesen wären, uns frei über die Oberfläche der Erde zu bewegen, bis Staaten entstanden und uns Mauern und Hindernisse in den Weg stellten. Dabei handelt es sich selbstredend bloß um eine bestimmte Art, die moralische Grundlage der Bewegungsfreiheit zu verstehen, und meiner Meinung nach handelt es sich dabei nicht um die einzig mögliche Betrachtungsweise – ganz abgesehen davon, dass ich sie auch einfach nicht besonders ansprechend finde. Die Vorstellung von einem Staat, der unsere vorpolitischen Rechte auf

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