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legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Dabei schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Rasch sah sie sich um. Soviel sie wusste, bewachten die Posten das Tor immer zu zweit. Vielleicht wäre der Kollege dieses Grobians etwas zugänglicher. Doch außer den Bauersleuten, die ergeben neben ihrem Wagen standen, war niemand zu sehen. Nicht einmal die Bettler, die sonst vor den Toren lagen und um Almosen flehten.

      »Absteigen!«, befahl der Wachmann rüde und rüttelte am Wagen.

      Matthias Gesicht wirkte so angespannt, dass die dicke, blaue Ader, die über seiner Schläfe verlief, deutlich hervortrat.

      »Bleib ruhig!«, flüsterte Luzia ihm zu. Sie hätte ebenso gern wie Matthias eine Faust im Gesicht des unverschämten Mannes gesehen. Aber das würde ihnen schlecht bekommen. Sie mussten ruhig Blut bewahren.

      Sie war bereits vom Wagen gestiegen, aber Matthias ließ sich unendlich Zeit.

      »He! Wird’s bald, oder soll ich nachhelfen?« Der Wachmann ging zum hinteren Teil des Wagens, öffnete ungefragt die Reisetruhe und stocherte mit seiner Hellebarde hinein. »Was ist das für ein Gerümpel?«

      »Nun, da ich vorhatte, eine Bürgerin der Stadt zu werden, komme ich mit einem Teil meines Hausstandes«, brachte Luzia mühsam hervor. Ihre Hände zitterten vor Wut.

      »So schnell geht das nicht. Zuerst muss ich prüfen, was ihr für einen Mist mitbringt. Also weg da!« Der grobe Kerl schwang seine Waffe, um sie und Matthias auf Abstand zu halten. Dann richtete er die Spitze seiner Hellebarde auf den Reisekorb. Dahinter fauchte Nepomuk. Der Torwächter wich etwas zurück, hatte sich aber gleich darauf wieder in der Gewalt.

      »Was führt ihr da mit? Teufelszeug, Hexenwerk!«, spie er aus und spuckte zu Boden.

      »Das ist Nepomuk! Nur eine gewöhnliche Katze.« Luzia konnte eine gewisse Schadenfreude in ihrer Stimme nicht verbergen.

      Mit zusammengekniffenen Augen spähte der Wächter ins Innere des Weidenkorbs.

      »Und er wird mich begleiten!«, stellte Luzia entschieden fest, dabei klang ihre Stimme um einiges schärfer als beabsichtigt. Die Blicke des Wächters wanderten vom Reisekorb zu Luzia und wieder zurück. Wenn du es wagst, ihn anzurühren, schlage ich dir auf deine dreckigen Finger, dachte sie zornig und stemmte ihre Fäuste in die Hüften.

      »Eine schwarze Katze? Ich hasse Katzen! Aber die Schwarzen ganz besonders. Eine rote Hexe mit einer schwarzen Katze!« Seine Augen glitzerten gefährlich.

      Luzia las in ihnen die Lust zur Gewalt. »Dann lasst uns passieren und Ihr müsst seinen Anblick nicht länger ertragen«, entgegnete sie so ruhig wie möglich.

      Der Wächter grinste. Mit einem Ruck öffnete er den Korb und wollte nach dem Tier greifen. Nepomuk hob fauchend seine Pfote, doch der Kerl wollte sich dadurch nicht beeindrucken lassen.

      Mit einem Sprung, den nur eine Katze zustande bringt, landete der Kater auf der Schulter des Mannes. Dort bohrte er seine Krallen in das dicke Lederwams, wobei er ein Stück des ungeschützten Halses erwischte.

      »Verdammt! Zur Hölle, elendes Drecksvieh!«, brüllte der Wachmann wütend und versuchte Nepomuk abzuschütteln.

      Doch Nepomuk hieb dem Kerl seine Pfote durchs Gesicht. Von der rechten Augenbraue bis zum linken Mundwinkel verlief die Spur seiner scharfen Krallen wie ein paar rote Fäden. Noch ehe der Mann etwas unternehmen konnte, war Nepomuk schon zu Boden gesprungen und wie ein geölter Blitz in der Gasse hinter dem Frauentor verschwunden.

      »Zum Teufel, dieses dreckige Mistvieh hat mich erwischt! Verfluchter Teufelsfurz! Elender Hexenbastard!«, fluchte er und legte seine Hand schützend über die blutende Wunde, »wenn ich den erwische, zieh ich ihm das Fell über die Ohren!« Luzias Mundwinkel zuckten unter dem kleinen Lächeln, das sie mühsam unterdrückte. Auch Matthias verkniff sich ein Grinsen.

      »Was gibt es da so blöd zu glotzen?«, brüllte der Wächter, doch erst als er einen Schritt in Luzias Richtung tat, zuckte sie zusammen. Viel zu nah stand der schmuddelige Kerl jetzt bei ihr und bedrängte sie mit seinem massigen Leib. Der Gestank von saurem Schweiß und verfaulten Zähnen stach ihr in die Nase. Als seine Hand nach ihrem Kinn schnappte, glaubte Luzia für einen Moment in einen gähnenden Abgrund zu fallen. Die hasserfüllten Gedanken des Torwächters trafen Luzia wie ein Schlag ins Gesicht. Hinter dem Wachmann sah sie Matthias mit großen Schritten angelaufen kommen, die Fäuste zum Angriff geballt.

      »He, Berthold, was treibst du da? Nimm sofort deine Finger von der Frau!«

      Die rettende Stimme kam scheinbar aus dem Nichts. Der Angesprochene drehte sich so rasch herum, wie es ihm niemand zugetraut hätte.

      Luzia griff nach ihrem schmerzenden Kinn. Mit der anderen Hand hielt sie Matthias am Arm fest, der sich sonst auf den Widerling gestürzt hätte.

      »Misch dich nicht ein! Deine Schicht ist längst um. Also verzieh dich!« Bertholds Worte hörten sich längst nicht so selbstsicher an, wie er es beabsichtigte.

      »Das glaube ich kaum!«, entgegnete der andere scharf. »Wenn du im Begriff bist, Reisende zu belästigen, bin ich zu jeder Zeit im Dienst. Führen sie etwa auffällige Waren mit sich?«

      »Eine schwarze Katze«, stieß Berthold ungehalten hervor. »Sie hat mich angegriffen.« Damit wies er jammernd auf sein Gesicht.

      Der Andere sah sich suchend um. »Ich sehe hier keine Katze. Wie steht’s mit verbotenen Gütern?«

      Berthold schüttelte den Kopf.

      »Also, dann lass die Leute augenblicklich durch, sonst melde ich, dass du schon wieder besoffen deinen Dienst versiehst und in übler Weise Frauen belästigst!«

      Berthold setzte zu einer Entgegnung an, sah aber dann ein, dass er hier nicht gewinnen konnte. Fluchend räumte er das Feld.

      Luzia fiel ein Stein vom Herzen. Auch Matthias entspannte sich zusehends.

      »Lukas Feldmann, Hauptmann der Turmwache«, stellte sich der junge Mann vor.

      »Matthias Weisner, Huf-, und Nagelschmied. Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Darf ich Euch Jungfer Luzia Gassner vorstellen?«

      Feldmann nickte, während er sie zu ihrem Wagen begleitete.

      »Was führt Euch noch so kurz, bevor die Tore schließen, in unsere Stadt?«

      »Vor Euch steht die neue Hebamme«, klärte Matthias den Hauptmann auf.

      »Meine Mutter ist erst vor Kurzem gestorben, und ich trete ihre Nachfolge an«, ergänzte Luzia und ließ ihr Tuch wieder auf die Schultern gleiten.

      »Ja, ich weiß, ich kannte Eure Mutter. Es tut mir sehr leid, dass sie schon so früh verstorben ist. Jungfer Gassner, darf ich Euch mein aufrichtiges Beileid aussprechen«, sagte Feldmann und drückte Luzias Hand.

      »Ich danke Euch für Euer Mitgefühl und für die Rettung vor Eurem unverschämten Kollegen.«

      »Um ihn solltet Ihr einen großen Bogen machen. Aber jetzt erst einmal herzlich willkommen in Ravensburg.«

      Luzia trat einen Schritt vor. »Hauptmann, würdet Ihr Euch auch dieser armen Leute annehmen. Euer ungehobelter Kollege hat ihnen den Zugang zur Stadt verwehrt und nebenbei ihre Ernte mit seiner Hellebarde verwüstet.«

      Der Hauptmann sah sie lange an. »Es ist mir eine Ehre, Euch einen Wunsch zu erfüllen«, sagte er dann.

      Als sie das Tor passierten, entdeckte Luzia ihren Kater. Nepomuk schien auf sie gewartet zu haben. Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Du hast gleich gewusst, dass der Kerl ein Scheusal ist!«

      Als neben ihr geräuschvoll ausgespuckt wurde, erschrak sie. Sie wandte den Kopf und sah Berthold, der sich in eine Nische drückte. Hasserfüllt starrte er sie an und rieb sich in einer zutiefst anstößigen Geste an seiner Hellebarde.

      Ich habe mir einen mächtigen Feind in Ravensburg gemacht, dachte Luzia sorgenvoll.

      5

      Sobald

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