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untere Schublade auf, Adam Sternberg glitt ans Licht.

      Neben seinem zerschmetterten Schädel stand ein Einmachglas, in dem es trübe schwappte. Der Rechtsmediziner nahm das Glas heraus und hielt es gegen das Licht.

      »Im Körper haben wir sie nicht nachweisen können, wohl aber im Rotkäppchensekt.«

      »Rotkäppchensekt?«

      »Der Mageninhalt. Adam Sternberg hat kurz vor seinem Tod noch Rotkäppchensekt getrunken. Der Sekt wird ihn nicht umgehauen haben, wohl aber die Gamma-Hydroxybuttersäure, mit der der Sekt gewürzt worden ist.«

      »Gamma-Hydroxybuttersäure? K.-o.-Tropfen? Sind Sie sicher?«

      »Hundertprozentig.«

      »Das heißt, Sternberg wurde betäubt und dann aufgehängt?«

      »Sieht alles danach aus.«

      »Aber die Abwehrreaktionen an den Händen, die Wunden durch den Klöppel?«

      »Das Opfer wird durch den ersten Glockenschlag aufgeweckt worden sein. Bedauerlicherweise jedoch zu spät.«

      Es war schon nach elf, Mütze und Braunkärsch saßen immer noch am Küchentisch von Karl-Dieters und Mützes loftartiger Wohnung. Sechs geleerte Fläschchen Köstritzer standen stumm Parade, zwei weitere befanden sich im fortgeschrittenen Entleerungszustand. Die beiden Kommissare waren über die Tischplatte gebeugt, auf der etliche vollgekritzelte und nummerierte Zettel lagen. Braunkärsch klopfte mit dem stumpfen Bleistiftende energisch auf der Nummer drei herum.

      »Assistierter Suizid. Meiner Meinung nach könnte es sich durchaus um einen assistierten Suizid handeln.«

      »Aber Braunkärsch, für einen assistierten Suizid solch ein Aufwand?«

      »Wir kennen die Hintergründe eben zu wenig. Adam Sternberg muss eine besondere Beziehung zum Dom gehabt haben, wollte dort sterben, und nur dort. Da hat er einen Freund gebeten, ihm dabei zu helfen.«

      »Muss ein ziemlich guter Freund gewesen sein.«

      »Dieser Wieland zum Beispiel.«

      »Und der Anzug, die Nelke?«

      »Eben! Sterben mit Stil. Wir hatten mal einen Bauern in Ilmenau, der hat sich extra einen Smoking schneidern lassen, nur um sich darin aufzuhängen.«

      »Aber warum hat es Sternberg nicht allein gemacht? Assistierte Suizide gibt’s doch in der Regel nur bei Schwerkranken, bei Menschen, die zu schwach sind, um eigenhändig Schluss zu machen. Adam Sternberg war ein kräftiger Gärtner.«

      »Er wollte eben in der Glocke sterben und ohne Schmerzen. Wie sollte er das alleine anstellen?«

      »Ohne Schmerzen? Hast du gesehen, wie er sich gegen die Glocke gewehrt hat? Hast du seine Hände vergessen, den ganzen Todeskampf?«

      »War nicht eingeplant. Die K.-o.-Tropfen sind zu schwach gewesen.«

      »Ich weiß nicht.« Mütze ploppte eine weitere Flasche Köstritzer auf. »Magst du auch noch ein Fläschchen?«

      In diesem Augenblick klopfte es. Noch bevor Mütze aufstehen konnte, wurde die Wohnungstür geöffnet. Es war Karl-Dieter. Er war nicht allein. Neben ihm stand eine kleine energische Frau.

      »Noch mal langsam zum Mitschreiben«, sagte Mütze, »Sie sagen, Sie hätten Adam Sternberg des Öfteren im Theater gesehen.«

      »Janz jenau, Herr Kommissar.«

      »Und er ist immer alleine gekommen.«

      »Genau. Immer alleene, immer im Anzug, oft mit ’ner Blume im Knopfloch, elegante Erscheinung, so einer von der alten Schule, wenn Sie verstehen, wat ik meene.«

      »Er wäre aber nach der Vorstellung nie allein aus dem Theater gegangen.«

      »Dat hab ik nüscht jesagt, Herr Kommissar, nur, datt er oft mit ’ner Dame am Arm davon is.«

      »Immer mal mit ’ner anderen.«

      »Janz jenau. Ik hab’s beobachten können, in der Pause ist er uff sein Zielobjekt los, hat es angesprochen und hat die Dame dann zu einem Sekt eingeladen.«

      »Kannten Sie vielleicht eine der Damen?«

      »Iwo, Herr Kommissar. Wo denken Sie hin? Ik bin doch nur ’ne einfache Garderobenfrau, ik kenn doch die feine Gesellschaft nicht, nur deren Mäntel.«

      *

      Alles glaubte ich schon erlebt zu haben und ich sage Ihnen, in fünfhundert Jahren erlebt man eine Menge. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein erhebender Moment es gewesen ist, als man mich mit Feuer getauft hat. Ganz Erfurt kam zusammengelaufen, im Juli 1497. Auf dem Hof von St. Severi hatte mein Meister die Form errichtet, Gerhard van Wou aus Kampen. Ein unglaubliches Feuer schmolz das Metall, um zehn Uhr abends war die Speise flüssig, die perfekte Mischung aus Bronze und Zinn. In einer feierlichen Prozession zogen die Stiftsherren nun zum Gussort. Wie die meisten Menschenkinder, so sollte auch ich in tiefer Nacht das Licht der Welt erblicken. Um 1.00 Uhr in der Früh schlug Meister Gerhard den ersten Zapfen aus, gleich darauf den zweiten. Glühend heiß strömte es in die Form hinein, um 2.00 Uhr war der Guss vollendet und man stimmte dankbar das Tedeum an. Doch noch fast zwei Jahre sollte es dauern, bis man mich zum Klingen brachte. Im Frühling 1499 zog man mich endlich in den Turm hinauf, alle Zwischengeschosse hatte man aufbrechen müssen, anders wäre es nicht gegangen. Dann kam der 19. Mai. Am 19. Mai 1499 ließ ich zum ersten Mal meine Stimme ertönen und ganz Erfurt hielt den Atem an. Mancher mochte dabei meiner Vorgängerinnen gedacht haben, ich bin bereits die sechste Glocke mit dem Namen Gloriosa. Einigen meiner Ahninnen ist wegen handwerklicher Mängel kein langes Leben gegönnt worden, zwei sind Bränden zum Opfer gefallen. Auch mich hätte dieses Schicksal fast ereilt, im Jahr 1717, ein furchtbarer Tag. Der Himmel hatte Blitz und Donner hinabgesandt, hatte den Glockenturm getroffen und in Brand gesetzt. Hilflos musste ich zusehen, wie alle meine Schwestern zerstört wurden. Mich haben die Gewölbe gerettet, die man eigens zu meinem Schutz eingezogen hat. Blitz und Feuer habe ich überstanden, alles glaubte ich, schon erlebt zu haben, alle Schrecknisse der Welt. Und nun das. Ich weiß, wer an dem Verbrechen die Schuld trägt, ich hab schließlich alles mitbekommen. Ich habe nicht nur den Schädel des Mannes zertrümmert, ich bin auch die einzige Zeugin der Tat gewesen, eine Zeugin jedoch, deren Stimme niemand versteht.

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