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Minderheitspolitik der rumänischen Regierung, die ein Klima der Verunsicherung, wachsende Unzufriedenheit und Proteste erzeugte.

      Das Aufkommen der Erneuerungsbewegung wurde durch die jungen Intellektuellen ins Land getragen. Diese hatten überwiegend in Deutschland studiert, und viele kehrten nach Abschluss ihres Studiums als überzeugte Nazis heim. Sie lehnten das alte System und vor allem die verschärfte Rumänisierungspolitik ab und erhofften sich Rückenwind aus NS-Deutschland für eine wirksamere Vertretung ihrer deutschen Minderheitsinteressen.

      Die Volksräte in Bessarabien konnten mit der Zeit diese Stimmungslage sowie den Ansehens- und Bedeutungsverlust nicht mehr auffangen und den Zulauf zur Erneuerungsbewegung, die sich an den Nationalsozialis­ten in Deutschland orientierte, aufhalten. Diese Strömung schwappte auch aus dem größeren Siebenbürgen herüber. Schon 1934 gelang es den Anhängern der Erneuerungsbewegung, die Führung bei den Volksratswahlen zu übernehmen und sie bis zur Umsiedlung im Jahr 1940 zu halten. Trotz ihrer Ausbreitung stieß auch vielerorts, vor allem bei der pietistisch geprägten Bauerngesellschaft Bessarabiens, die antireligiöse und rassis­tische Propaganda der Nationalsozialisten auf Unverständnis und Ablehnung.

      Die letzten Tage in Gnadental waren voller Hektik. Unvergesslich für alle Dorfbewohner war der letzte Gottesdienst am 22. September 1940. Die Glocken riefen, fast alle Dorfbewohner folgten. Bei der ergreifenden Predigt des Pastors über Psalm 121 wurde mancher Seufzer laut. In Begleitung der Orgel sang die Gemeinde: ›Befiel du deine Wege‹, dann stehend: ›Eine feste Burg ist unser Gott‹. Mit dem Lied ›So nimm denn meine Hände‹ verabschiedete sich die Gemeinde von ihrer Kirche. Am Nachmittag nahmen die Familien auf dem Friedhof von ihren lieben Toten Abschied. Sie schmückten ein letztes Mal die Gräber der Verstorbenen. Der frühe neblige Spätherbstabend umhüllte die Gräber und die stolze, weiße Kirche.

      Plötzlich durchflutete ein Orgelspiel den großen, weiten Raum der Kirche. Ein Lehrer hatte sich an das Ins­trument gesetzt und spielte ›Eine feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffe ...‹. Die Melodie brauste auf – schwoll an und brandete an die dicke Kirchenmauer, stieg den Turm hinauf bis zur Spitze in die herbstlichen Nebelschwaden.

      Dann erfüllten nur noch die Dämmerung und eine tiefe Stille den Raum.

      Gnadentaler Kirche.

      GNADENTAL – LEB WOHL ...

      Am 23. September 1940, einem Montag, erfolgte der erste Transport von Gnadental zum Donauhafen Kilia. Dort war die Einschiffung in Donaudampfer vorgesehen, der die Menschen in ein Lager in der Nähe von Belgrad bringen sollte. Frauen, Kinder und ältere Leute mussten als Erste ihr Dorf verlassen. Anna sowie Emma und Gotthilf vom Altenteil gehörten auch zu dieser Gruppe. Jetzt erst merkten sie, wie schwer das Verlassen der Heimat war. Ein letzter Gang durchs Haus – von jedem Zimmer wurde tränenreich Abschied genommen.

      Dann verließen die Frauen ihr Reich. Gefasst traten sie auf die Straße. Robert hatte die Pferde eingespannt und brachte sie mit dem Gepäck zum Omnibus.

      Die zurückbleibenden Männer wären am liebsten ihren Angehörigen nachgefahren. Sie mussten aber wegen der Abschätzung und Übergabe des Vermögens in ihren Häusern bleiben. Das war noch eine sehr unangenehme Prozedur.

      Später zahlten die Russen an Deutschland für das zurückgelassene Eigentum in Form von Getreide, Speise- und Mineralöl. Der Gewinn floss in die deutsche Reichskasse. Hitler hatte all das mühevoll erarbeitete Vermögen der deutschen Kolonisten an die Russen verkauft und den Erlös einbehalten!

      Früh, noch im Dunkeln, fuhren von vielen Seiten zweispännige Fuhren die breite Dorfstraße entlang zu einem Sammelpunkt. Sie brachten Handgepäck der Umsiedler zu dem Platz, auf dem die Omnibusse und Lastkraftwagen warteten. Schnell war das Gepäck auf den Wagen verstaut, einige Lastkraftwagen hatten sogar Anhänger, was auf den unbefestigten Wegen eine außerordentliche Belastung bedeutete.

      Es fing an zu regnen und viele der Gnadentaler dachten sicher, jetzt weint der Himmel zum Abschied. Es gab aber auch welche, die fröhlich waren und sich über die Ausreise freuten. In den letzten Jahren mussten die Kolonisten sehr viele Repressalien der rumänischen Besatzung hinnehmen. In den Schulen durfte nur auf Rumänisch unterrichtet werden, selbst auf den Schulhöfen war die deutsche Sprache verboten. Prügelstrafen für kleine Vergehen waren auch ohne Verhandlung oder Urteil üblich. Hohe Steuern drückten, deftige Strafen drohten denen, die die Steuererklärung nicht in rumänischer Sprache abgegeben hatten. Nicht zuletzt deshalb übte der vollmundige Ausruf Hitlers »Deutsche heim ins Reich« eine große Wirkung auf viele aus. Sie wollten endlich nicht mehr unter fremdländischer Regierung leben, sie wollten unter ihresgleichen sein.

      Es wurde Abschied genommen, ein letztes Winken. Viele Fremdstämmige, hauptsächlich aus dem Russendorf Pawlowka hatten sich zum Abschied eingefunden. Viele von ihnen arbeiteten schon jahrelang für die Deutschen und erst jetzt konnten sie das Unfassbare glauben, dass diese nun tatsächlich wegziehen würden.

      850 Dorfbewohner warteten auf die Abfahrt. Nach einem Hornsignal setzte sich der Zug in Bewegung. Als dann die Glocken anfingen zu läuten, flossen viele Tränen.

      Die 11-jährige Alma O. konnte gar nicht verstehen, weshalb die Erwachsenen weinen. Sie durften jetzt mit dem Omnibus fahren! Das war doch etwas Besonderes! Außerdem freute sie sich darüber, dass sie nicht den schrecklichen Staubmantel anziehen musste, der sonst üblich war, wenn sie mit dem Pferdefuhrwerk über Land fuhren.

      Er war ein Schutz gegen die große, aufgewirbelte Staubwolke, in die sie meistens eingehüllt waren. Nur von diesen Fahrten waren sie immer wieder heimgekehrt. Alma verstand nicht, warum es diesmal nicht so sein sollte. Nicht mehr zurückzukommen, überstieg ihre Vorstellungskraft.

      Bauern aus dem Dorf kamen mit Fuhren voll Stroh, welches sie auf den Straßen ausstreuten, damit die schweren Wagen nicht ins Gleiten kamen. Das war auch notwendig, denn der Regen machte die nicht ausgebauten Straßen in kurzer Zeit unbefahrbar. Schlimm waren die vielen Löcher und die Querrinnen, schlimm vor allem, weil kein fester Untergrund vorhanden war. Es ging langsam vorwärts, aber es ging, und der Regen hörte zum Glück bald auf. Mittags wurde eine Rast eingelegt.

      Eigentlich sollte die Kolonne schon gegen 14.00 Uhr in Kilia sein. Aber die Straßenverhältnisse und das Wetter hielten so lange auf, dass es Abend wurde. Der Transportbegleiter der Kolonne war mit seinem Personenwagen mal am Anfang, mal am Ende des Zuges. Er half, wo er konnte.

      Vor der Hafenstadt Kilia waren die Schwierigkeiten fast unüberwindlich geworden. Tiefer Morast und Löcher in der großen Lößgrube mussten durchfahren werden. Gegen 19 Uhr fuhren die Aussiedler geschlossen in den Hafen von Kilia, bestaunt von den Bewohnern der Stadt und von den sowjetischen Soldaten.

      Das Schiff war schon mittags angekommen. Schwes­tern des Roten Kreuzes und der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) warteten auf die Reisenden. Für die kleinen Kinder wurde Milch für die Flaschen verteilt. Die Großen bekamen Tee und verpflegten sich von ihren mitgebrachten Vorräten.

      Anna wurde nach dieser anstrengenden und holprigen Fahrt ganz besonders umsichtig betreut, weil sie hochschwanger war. Auch die Mutter von Alma O. betreuten die Schwestern sehr fürsorglich. Dass auch sie schwanger war, wusste sie damals noch nicht, aber ihr war die Sonderbehandlung aufgefallen.

      Ansonsten mussten alle in den Bussen warten und dann wagenweise aussteigen, um mit ihrem Gepäck durch die sowjetische Zollkontrolle zu gehen. Das nahm viel Zeit in Anspruch. Die Busse warteten lange in der dunklen Nacht. Diejenigen, die abgefertigt waren, bestiegen die Schiffe, wo ein Imbiss auf sie wartete. Die Kinder und die älteren Leute konnten sich gleich schlafen legen, denn der aufreibendste Teil ihrer Reise lag hinter ihnen. Viele auf den Schiffen blieben wach und schauten zu dem Land hinüber, das bislang ihre Heimat gewesen war.

      Die

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