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Andere nahmen sich in ihrer Not einen auswärtigen Teilhaber, wobei die ganze Arbeit an ihnen hängen blieb. Vom Ertrag aber erhielten sie nur einen bescheidenen Teil.

      Kleinheppach hatte die meisten unehelich geborenen Kinder; fünfmal mehr als der Nachbarort Hanweiler. Wer nämlich damals heiraten wollte, musste dazu die Einwilligung der Obrigkeit haben. Wer kein Vermögen hatte oder keinen sicheren Erwerb nachweisen konnte, durfte nicht heiraten.

      Viele Mittellose, die ihre Heimat nicht verlassen wollten, versuchten, als Kleinhändler und Hausierer ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie wurden in Gemeindeprotokollen ›Viktualienhändler‹ genannt. 1830 zählte man in Kleinheppach dreißig solche Händler. Sie grasten die Gegend bis nach Welzheim ab, um Butter, Hühner, Eier und Obst einzukaufen. Auf dem Kopf, in Körben auf dem Rücken oder auf zweirädrigen Karren schafften sie diese Waren nach Hause. Dann wurden sie für den Verkauf hergerichtet und die Frauen und Töchter verkauften sie auf einem Markt. Dabei legten sie oft große Strecken zurück, um überhaupt dorthin zu gelangen.

      In den Jahren 1829, 1830 und 1831 folgten drei Missernten aufeinander. Am 1. Juli 1833 richtete ein Unwetter in den Weinbergen und im Dorf schwere Verwüstungen an. Ein Haus wurde an Mauern, Fenstern und Türen schwer beschädigt. Auch sämtliche Gerätschaften waren in Mitleidenschaft gezogen. Eine Kuh ertrank. Große Mengen herunter geschwemmte Erde musste wieder nach oben geschleppt werden. Auch sehr viele Weinstöcke waren herausgerissen; neue mussten gepflanzt werden.

      Am 6. Juli wurde die ins Dorf herab geschwemmte Erde dann sogar verkauft!

      Schon am 8. Juli kam eine neue Sintflut, die von den Weinbergen in die Heppach schoss und drei Häuser unter Schlamm und Dreck begrub. Das am schlimmsten betroffene Haus gehörte Andreas Hermann. Er ist dadurch in Not und Elend gekommen. Bestimmt war er ein Verwandter meines Vorfahren, denn dieser und ein Georg Hermann standen später als Bürgen für das ›Prädikats & Vermögens Zeugniß‹ im Ratsprotokoll zu Kleinheppach.

      Zwei Monate später ist mein Ur-Ur-Urgroßvater ausgewandert. Er war 56 und seine Frau 54 Jahre alt. Am 22. September sind sie losgefahren. Entweder mit Pferd und Wagen oder mit einem Ochsengespann.

      Aus alten Unterlagen geht hervor, dass die Familie sehr beliebt und geachtet war und zum Mittelstand gehörte. Auch war er seit über zwei Jahrzehnten Mitglied im Gemeinderat und wurde von diesem und dem Bürgermeister immer wieder gewarnt, nicht nach Russland auszuwandern. Sie wollten ihn nicht gehen lassen.

      In Kleinheppach sind von ihren acht Kindern im Laufe der Jahre vier gestorben. Die fünfjährige Elisabetha Katharina starb 1815. Das fünfte Kind hatte ebenfalls den Namen Elisabetha Katharina und ist 1819 im Alter von nur einem Jahr gestorben.

      Die beiden letzten Kinder waren Buben: 1828 starb Johann Wilhelm im Alter von sieben Jahren und 1823 verstarb Richard mit einem Jahr.

      Es war sicher nicht leicht, sich von den Kindergräbern zu verabschieden, ebenso von vertrauten Nachbarn, lieben Freunden und Verwandten.

      Mit auf die Reise gingen die beiden Töchter Johanna Wilhelmine, 29 Jahre, und Wilhelmine Katharina, 26 Jahre, und die Söhne Johann Georg, 18 Jahre, und Johann Daniel, 14 Jahre. Beide Töchter waren nicht verheiratet, obwohl sie längst das Heiratsalter erreicht hatten. Vermutlich reichte das Geld nicht, um zu heiraten.

      Mit dabei war noch der ledige 50-jähriger Bruder Johann Friedrich und die ledige Magd Magdalena Heubach, 33 Jahre. Magdalena wollte mitreisen, weil alle Verwandten bereits nach Sarata in Bessarabien ausgewandert waren. Sie stammte aus Grunbach.

      Beschleunigt wurde dieses Vorhaben durch den überraschenden Umstand, dass J. D. Hermann an der Stelle von Johannes Idler aus Strümpfelbach ausreisen konnte. Dieser wollte nicht mehr fort und so verkaufte er für 12 Gulden alle Rechte und ließ seinen Verzicht von dem Schultheiß Krauß in Strümpfelbach beurkunden. Der Kaiserliche Russische Gesandschaftssekretär Cofedoraff hatte inzwischen dem Wunsch Daniel Hermanns entsprochen, an Stelle des Johann Idler nach Südrussland zu wandern, wenn die hierzu nötigen Bedingungen erfüllt sind. Nun mussten das Ehepaar Hermann und die volljährigen Kinder noch die Bürgerrechts-Verzichts-Urkunde des Königreiches Württemberg unterschreiben, wonach auf das Bürgerrecht zu Kleinheppach wissentlich und wohlbedächtig Verzicht geleistet wurde. Erst dann erhielt Johann Daniel Hermann den gesetzlichen Reisepass, auf dem auch Friedrich Hermann als Knecht und Marie Magdalena Heubach als Magd aufgeführt waren.

      All diese Vorschriften waren eine nervenaufreibende und umständliche Prozedur. In ihren Taschen hatte Johann Daniel Hermann 600 Gulden, sein Bruder Friedrich 50 Gulden und Maria Magdalena Heubach 260 Gulden.

      Obwohl der Winter vor der Tür stand, machten sie sich am 22. September auf den Weg. Eine lange Reise per Achse und ohne Anführer.

      1834 kam die Gruppe in Gnadental an.

      Hätte Johann Daniel Hermann damals schon gewusst, dass er bereits zwei Jahre später sterben würde und seine Frau zwei Jahre nach ihm, er wäre vermutlich in Kleinheppach geblieben.

      Als die Familie in Gnadental ankam, war sie sehr enttäuscht. Viele neu angekommene Familien hausten noch in äußerst primitiven Erdwohnungen – ›Pude‹ genannt. Das waren zwei hintereinander liegende Zimmer, die in etwa einem Meter Tiefe in die Erde gebaut worden waren. Vorne die Küche und hinten ein Schlafzimmer für alle. Das Dach war mit Schilf gedeckt. Solch eine ›Pude‹ kaufte er dann für 200 Rubel und 1 Körbeltaler von dem Wagner Zeller, der weiterziehen wollte. Die Ansiedler Gnadentals waren nicht angeworbene freie Auswanderer, denen von Seiten des Staates keinerlei Unterstützung weder zur Reise, noch zur ersten Einrichtung gegeben worden ist.

      So hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt und so wollte er es auch nicht fristen. Heimweh machte sich breit. Das ganze neugegründete Dorf Gnadental beschloss einstimmig, wieder in die alte Heimat zurückzukehren. Daraus wurde dann allerdings nichts, weil Krankheiten, Seuchen, Tod und vermutlich auch Geldmangel eine Rückreise unmöglich machten. Er starb 1836 in Teplitz bei seiner ältesten Tochter, die sich inzwischen nach dort verheiratet hatte. Zwei Jahre später starb auch seine Frau Wilhelmine Katharina, geb. Gall.

      Johann Friedrich, der Bruder, hatte sich in Beresina niedergelassen. Er verstarb im gleichen Jahr wie Wilhelmine Katharina.

      Die zweite Tochter, Wilhelmine Katharina, verheiratete sich nach Beresina. Johann Georg blieb in Gnadental und gründete dort eine Familie. Er ist mein Vorfahre mütterlicherseits (Anna Hermann, geb. 28.12.1917).

      Johann Daniel, der Jüngste, erlernte in Odessa das Schneiderhandwerk und übersiedelte nach Beresina, wo er 1849 starb.

      Quellenangabe:

      Gnadental 1830–2002 Sippentafeln.

      Ludwigsburg/Auswandererakten, Staatsarchiv.

      Kleinheppach von 1967, Chronik der Gemeinde.

      Heimatbuch Gnadental.

      Pfarramt Korb Archiv der ev. Kirche.

       UNTERWEGS GEBOREN ...

      Anna stand in der vorderen guten Stube am Tisch. Vor sich hatte sie Stoff für ein neues Kleid ausgebreitet. Den hatte sie vor Kurzem im Konsum, dem einzigen Gemischtwarenladen in Gnadental, gekauft. Die Ware war neu eingetroffen und gefiel ihr ausnehmend gut, und so hatte sie gleich zugegriffen. Auch Stoff für Mullwindeln kaufte sie ein. Sie war eine junge Frau von 22 Jahren und erwartete mich, ihr erstes Kind.

      Die gute Stube in dem Bauernhof bewohnte sie erst seit knapp einem Jahr. Damals hatten Robert und sie den Bauernhof von einem kinderlosen alten Ehepaar übernommen. Dafür hatten sie sich verpflichtet, für dieses Ehepaar zu sorgen. Es war ein kleiner Bauernhof. Für beide Familien reichte der Wohnraum nicht aus. Deshalb war es notwendig, eine zusätzliche separate Wohnung einzurichten. Das erreichten sie durch den Umbau des im hinteren Teil des Hauses befindlichen Kuhstalles, wo nach geraumer Zeit ein schönes Wohnzimmer und ein Schlafzimmer entstanden. Die neue Wohnung, in dem nun Emma und Gotthilf wohnten, wurde ›Altenteil‹ genannt. Meine Eltern Anna und

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