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der Ost- und Südküste der Provinz. Ein erfahrener Soldat, der römische General Theodosius, stellte die Ordnung wieder her. Er sicherte den Hadrianswall und richtete eine Reihe abhängiger Pufferstaaten im Westen und im Norden ein. Im späten 4. Jahrhundert schuf sich der spanische General Magnus Maximus im Westen eine Machtbasis und wurde schließlich als »Macsen Wledig« zum sagenhaften Gründer mehrerer walisischer Dynastien. Gleichzeitig trat ein gewisser Paternus oder Padarn Pesrut (Paternus vom roten Mantel) als Herrscher der Votadini auf. Sein roter Mantel verwies auf einen hohen römischen Rang; in seiner mutmaßlichen Hauptstadt Marchidun (dem heutigen Roxburgh Castle) wurden große Mengen römischer Münzen aus der Zeit zwischen 369 und 410 gefunden. Für das Jahr 405 erwähnt ein Eintrag in einem irischen Annalenwerk eine Schlacht im strath Cluatha, »die Schlacht im Clydetal«. Dies ist höchstwahrscheinlich der Moment, in dem die schattenhaften nachrömischen Staaten des Nordens ins Licht der Geschichte treten. Die Lehensstaaten, die Theodosius als Puffer eingesetzt hatte, wurden jetzt zu richtigen einheimischen »Königreichen«.17

      Natürlich ist der Begriff »König«, wie ihn Quellen und Historiker gleichermaßen verwenden, ein ziemlich hoch gegriffener Titel. Diese Herrscher waren keine gekrönten Monarchen, sondern Anführer von Kriegerscharen, die ihren Willen mit Gewalt durchsetzten und Tribute forderten. Ihr schwankendes Vermögen beruhte auf der Zahl der Siedlungen, von denen sie Tribute eintreiben konnten.

      Nachdem sich die römischen Truppen aus Britannien zurückgezogen hatten, also 410 oder vielleicht ein bisschen später, beherbergte das Intervallum fünf, vielleicht auch sechs oder sieben einheimische Königreiche. Manche sind besser belegt als andere. »Galwyddel« (Galloway) nahm die Länder der Novantae in Besitz. »Rheged« mit dem Zentrum Caer Ligualid (dem früheren Luguvalium und heutigen Carlisle), dehnte sich auf beiden Seiten des Hadrianswalls aus. Es verfügte über eine ganz und gar römische Hauptstadt inklusive Stadtmauer, Bischof, Aquädukt und Stadtbrunnen, der noch 250 Jahre später in Betrieb war. Irgendwann im 5. Jahrhundert wurde es von Coel Hen, dem eigentlichen »Old King Cole«, regiert, der viel Zeit auf Feldzügen in Aeron – dem späteren Ayrshire – verbrachte und dessen Name am Anfang der walisischen genealogischen Liste steht, die unter dem Namen »Die Abstammung der Männer des Nordens« (Bonedd Gwyr y Gogledd) bekannt ist.18 An der Ostküste beherrschten »Manau« (Clackmannan) und »Lleddiniawn« (Lothian) die einander gegenüberliegenden Küsten des Firth of Forth. Es ist unklar, ob es sich hier um zwei Reiche handelt, zusammen jedenfalls gelten sie als die Heimat der »Guotadin«, wie die Votadini auf Keltisch eigentlich heißen. Dieses »Land der Gododdin« (um eine modernere Form des Namens zu verwenden) könnte durchaus ebenfalls unter der Herrschaft von Coel Hen gestanden haben, bevor es sich lossagte. Wie Rheged wurde es schon früh vom Christentum beeinflusst. Auf dem Friedhof seiner Hauptstadt Dun Eidyn fanden sich zahlreiche christliche Gräber. Das benachbarte »Bryneich« umfasste die Küsten südlich von Gododdin und auf beiden Seiten des Hadrianswall. Im Vergleich zu diesen Reichen verharrte Alt Clud noch eine Zeit lang im Schatten der Geschichte.19

      Im 5. Jahrhundert rückten die Ereignisse im Intervallum durch die Aktivitäten dreier Männer, die Aufmerksamkeit auch von außen auf sich zogen, zumindest ein wenig ins Licht: Cunedda, Patrick und Ninian. Cunedda ap Edern, der »Gute Führer«, war ein Krieger aus Gododdin, der um 425 einen Feldzug ins ferne Gwynedd in Nordwales führte, um eine nicht willkommene Kolonie irischer Siedler zu vertreiben. Nachdem er diese Mission erfolgreich beendet hatte, zog er als einer der frühen walisischen Helden und Urvater des Herrscherhauses von Gwynedd in die Geschichte ein. Seine Expedition, wie sie sich in der Historia Brittonum darstellt, einem späteren historischen Werk, das am Hofe eines Nachfolgers entstand, könnte von einem Solidaritätsgefühl unter den Cymry angeregt worden sein.20

      Cuneddas Geschichte zeigt, dass die schlechte Quellenlage mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Die Interpretation der Königslisten ist noch immer ebenso schwierig wie rätselhaft. Die frühesten Kompilationen dieser Epochen finden sich in den Harleian Genealogies, einer Handschriftensammlung der British Library aus einer Zeit lange nach der Regierung der dort genannten Könige. Die Texte stammen vor allem aus Wales, nicht aus Nordbritannien, und dürften ein Versuch der mittelalterlichen Waliser sein, die Erinnerung an ihre untergegangenen nördlichen Verwandten zu bewahren. Sie enthalten nur wenige verlässliche Daten und sind voller sich wiederholender Namen und außergewöhnlicher Schreibungen, die man kaum bestimmten Individuen zuordnen kann.

      Die Wissenschaftler, die sich mit diesen Listen beschäftigen, müssen auf eine Zählung der Generationen, auf gründliche Quellenvergleiche und endlose Vermutungen zurückgreifen. Überdies haben sie die Praxis der sogenannten tanistry anstelle der Primogenitur zu berücksichtigen, also die Ernennung eines geeigneten Nachfolgers, der nicht notwendigerweise der Sohn des Herrschers ist. Man fühlt sich an die Situation früher Ägyptologen erinnert, die die Regierungszeiten und Dynastien der Pharaonen zusammenstellten.

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      Ich, Patrick, ein Sünder, sehr schlecht ausgebildet, erkläre, dass ich ein Bischof in Irland bin … Ich lebe unter barbarischen Stämmen als Exilant und Flüchtling um der Liebe Gottes willen … Ich habe mit eigener Hand diese Worte geschrieben und festgehalten, die feierlich den Soldaten des Coroticus gegeben, zugetragen und gesandt werden sollen. Ich sage nicht: »An meine Mitbürger« … sondern: »An die Mitbürger des Teufels« wegen ihres üblen Verhaltens.

      An dem Tag, nachdem die Neugetauften, noch das Chrisam tragend, noch in ihrem weißen Gewand … gnadenlos massakriert und hingeschlachtet worden waren, sandte ich durch einen heiligen Presbyter gemeinsam mit anderen Geistlichen einen Brief. Sie wurden ausgelacht.

      Hier wurden Deine Schafe zerfleischt … durch Verbrecher auf Geheiß des Coroticus. Jemand, der Christen verräterisch in die Hände von Skoten und Pikten gibt, ist der Liebe Gottes entfremdet. Gierige Wölfe haben die Herde des Herrn in Irland aufgefressen, die durch harte Arbeit so schön gewachsen war …

      Es ist der Brauch der römischen Gallier, die Christen sind, den Franken Botschaften zu senden … und Getaufte, die in Gefangenschaft geraten sind, freizukaufen. Du dagegen ermordest sie und verkaufst sie an fremde Menschen, die Gott nicht kennen. Du lieferst praktisch die Glieder Christi einem Bordell aus …

      Deshalb trauere ich um dich, mein Liebster … Andererseits aber freue ich mich für jene getauften Gläubigen, die diese Welt für das Paradies verlassen haben … Die Guten werden feiern in der Gemeinschaft mit Christus. Sie werden über Völker richten und über gottlose Könige herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.23

      Übereinstimmend wird dieser Coroticus mit Ceredig Gueldig bzw. Ceretic Guletic gleichgesetzt mit dem frühesten bekannten Herrscher von Dumbarton Rock. Was wäre also für Patrick natürlicher gewesen, als den Fürsten seines Heimatlandes anzusprechen, nachdem er Bischof geworden war? Die Soldaten des Coroticus hätte er als »meine Mitbürger« angesprochen, wenn sie nicht so viele Schandtaten begangen hätten. Die Anrede civis, »Bürger«, war die höchste Achtungsbezeigung unter

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