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ein Verräter war dieser Schurke! Er warf sich damals, als Old Shatterhand noch Surveyor war, zu seinem Beschützer auf und hat ihm doch fort und fort nach dem Leben getrachtet. Er hätte ihn sicher ausgelöscht, wenn dieser Weiße nicht klüger und stärker als er gewesen wäre. Wo findet Ihr da die Treue, von der Ihr sprecht? Und dass die Spuren von Roten nur im Kriege Gefahr bedeuten – haben die Sioux Ogellallah nicht mitten im Frieden wiederholt Eisenbahnzüge überfallen? Haben sie nicht mitten im Frieden Männer getötet oder Weiber geraubt? Sie sind dafür bestraft worden, nicht von großen Jäger- und Militärhaufen, sondern von zwei einzelnen Menschen, von Winnetou und Old Shatterhand. Befände sich einer von ihnen hier, so würden mir allerdings die Indianerspuren wenig Angst bereiten.“

      „Pshaw! Ihr übertreibt, Sir! Diese beiden Männer haben sehr viel Glück gehabt; das ist alles. Es gibt noch ebensolche und auch noch bessere, als sie sind.“

      „Wo?“

      Der Mestize sah ihm mit stolz herausforderndem Blick ins Gesicht und antwortete: „Fragt nicht, sondern seht Euch um!“

      „Meint Ihr etwa Euch, Euch selbst?“

      „Und wenn?“

      Der Engineer wollte ihm eine zurechtweisende Antwort geben, wurde dieser aber enthoben, denn Kas kam mit zwei Schritten seiner langen Beine herbei, pflanzte sich hoch vor dem Mestizen auf und sagte: „Ihr seid der größte Schafskopf, den es geben kann, mein Sohn!“

      Der Mischling sprang im Nu auf und riss sein Messer aus dem Gürtel; aber noch schneller hatte Kas seinen Revolver gespannt, hielt ihm diesen entgegen und warnte: „Keine Übereilung, my boy! Es soll Menschen geben, die eine Kugel durch ihren Dummkopf nicht vertragen können, und ich habe allen Grund anzunehmen, dass Ihr so einer seid.“

      Der auf ihn gerichtete Lauf des Revolvers verbot dem Mestizen, sein Messer zu gebrauchen. Hierüber wütend, zischte er dem Langen zu: „Was habe ich mit Euch zu schaffen? Wer hat Euch erlaubt, Euch in unser Gespräch zu mischen?“

      „Ich selbst, mein Junge, ich selbst. Und wenn ich mir etwas erlaube, so möchte ich den sehen, der es nicht leiden will!“

      „Ihr seid ein Grobian, Sir!“

      „Well, diese Antwort lass’ ich mir gefallen, denn ich sehe, dass Ihr Geschmack an mir findet. Sorgt nur dafür, dass ich auch welchen an Euch finde, sonst ergeht es Euch wie damals bei Timpes Erben!“

      „Timpes Erben? Wer seid Ihr denn eigentlich, Sir?“

      „Ich bin einer, der auf Winnetou und Old Shatterhand nichts kommen lässt; mehr braucht Ihr nicht zu wissen. Lebt wohl, my boy, und steckt Euer Stecheisen wieder in den Gürtel, damit Ihr Euch damit nicht etwa einen Schaden tut!“

      Kas kehrte nach seinem Tisch zurück, wo er sich behaglich wieder niederließ. Der Mestize folgte seinen Bewegungen mit sprühenden Augen, seine Sehnen spannten sich, dem Beleidiger nachzuspringen, doch brachte er es nicht fertig. Es gab in der Haltung des langen, dünnen Mannes etwas, das ihm den Fuß bannte. Er steckte das Messer ein, setzte sich wieder nieder und murmelte, um sich vor seinen Tischgenossen zu entschuldigen, vor sich hin: „Der Kerl ist offenbar ein Narr und gar nicht im Stande, einen vernünftigen Menschen zu beleidigen. Lassen wir ihn schwatzen!“

      „Schwatzen?“, antwortete der Engineer. „Der Mann scheint im Gegenteil Haare auf den Zähnen zu haben. Dass er für Old Shatterhand und Winnetou gesprochen hat, freut mich von ihm, denn die Taten und Erlebnisse dieser beiden Helden des Westens bilden mein Leib- und Lieblingsthema. Will doch einmal sehen, ob er sie auch wirklich kennt.“

      Und sich an den andern Tisch wendend, fragte er: „Ihr bezeichnet euch als Westmänner, Sir. Seid Ihr jemals Winnetou oder Old Shatterhand begegnet?“

      Die kleinen Mausaugen von Kas funkelten vor Vergnügen, als er antwortete: „Und ob! Bin zwei Wochen mit ihnen geritten.“

      „Wetter! Wollt Ihr nicht herkommen und uns davon erzählen?“

      „Nein.“

      „Nicht? Warum denn nicht?“

      „Weil ich kein Geschick zum Erzählen habe, Sir. Es ist mit dem Erzählen eine ganz eigene Sache; das muss angeboren sein. Ich habe es schon oft versucht, aber ich bringe es nicht fertig. Ich fange in der Regel in der Mitte oder hinten an und höre stets vorn auf. Ich kann Euch nur kurz sagen, dass wir damals eine Gesellschaft von acht Weißen waren und in die Gefangenschaft der Upsarokas gerieten, die uns für den Marterpfahl bestimmten. Das hatten Old Shatterhand und Winnetou erfahren. Sie suchten unsere Fährte, folgten ihr, beschlichen die Upsarokas und holten uns in der Nacht heraus, ganz allein, ohne alle Beihilfe, ein Meisterstück, wie es Euer Halfbreed[7] sicher nicht fertigbringt, das dort bei Euch sitzt und vorhin das Maul so voll genommen hat.“

      Der Mestize wollte wieder aufbrausen, doch kam ihm der Engineer mit der schnellen Frage zuvor: „Wisst Ihr nicht, wo sich die beiden jetzt befinden, Sir?“

      „Habe keine Ahnung. Es wurde einmal davon gesprochen, dass Old Shatterhand hinüber in eins der altmodischen Länder sei, Ägypten oder Persien heißt es wohl, aber bald wiederkommen werde.“

      „Möchte sie doch gar zu gern einmal sehen. Und besonders auch ihre Waffen! Sind die wirklich so vorzüglich, wie man erzählt?“

      „Will es meinen, Sir! Aus Winnetous Silberbüchse ist noch nie ein Fehlschuss gegangen; sie hat in ihrer Art nicht Ihresgleichen. Der Bärentöter Old Shatterhands ist wie ein furchtbares Ungetüm, das auf ungemein weite Entfernung trifft. Und nun erst sein Henrystutzen! Bedenkt, Sir: fünfundzwanzig Schüsse in einer halben Minute! Ich bin Büchsenmacher gewesen und verstehe, was das heißen will. Henry hat, glaube ich, nur zehn solcher Stutzen gefertigt; aber wer hat sie und wo sind sie? Keiner von ihnen ist bekannt als nur der Old Shatterhands. Welche Summen würde wohl ein Kenner dafür zahlen! – Aber, Sir, wenn Ihr uns einen Gefallen tun wollt, so sagt uns, wo wir unsere Pferde unterbringen können. Ich möchte sie gern sicher unter Dach und Fach haben, weil Ihr vorhin von Indianerspuren gesprochen habt.“

      „Erscheinen Euch diese Spuren auch bedenklich?“

      „Natürlich! Das kluge Halfbreed dort mag denken, was es will, ich weiß, woran ich bin.“

      „So biete ich Euch den Werkzeugschuppen an, der ein gutes, festes Schloss besitzt; der Verwalter hier wird Euch führen und auch für Futter und Wasser sorgen.“

      Der Genannte erhob sich bereitwillig von seinem Platz und Kas und Has folgten ihm hinaus zu ihren Pferden.

      Die weißen Bahnarbeiter hatten der Unterhaltung ihre ganze Aufmerksamkeit geschenkt; das Gespräch war ihnen ebenso fesselnd gewesen wie ihrem Vorgesetzten. Dieser benutzte die Abwesenheit der beiden Jäger dazu, dem Mestizen sein Gebaren zu verweisen, was der Genannte mit scheinbarer Ruhe hinnahm, während er innerlich wütend war. Darüber verging einige Zeit, bis sich draußen wieder die Schritte von Pferden hören ließen.

      „Was ist denn das?“, fragte der Engineer verwundert.

      „Sie bringen die Pferde zurück, und es ist doch Platz genug für sie im Schuppen.“

      Er blickte nach dem Eingang und sah zwei ganz andere Männer eintreten. Es waren ein Weißer und ein Indianer.

      Der erste war von nicht sehr hoher und nicht sehr breiter Gestalt. Ein dunkelblonder Vollbart umrahmte sein sonnverbranntes Gesicht. Er trug ausgefranste Leggins und ein ebenso an den Nähten ausgefranstes Jagdhemd, lange Stiefel, die bis über die Knie heraufgezogen waren, und einen breitkrempigen Filzhut, in dessen Schnur sich rundum die Ohrenspitzen des fürchterlichen grauen Bären zeigten. In dem breiten, aus einzelnen Riemen verfertigten Gürtel steckten zwei Revolver und ein Bowiemesser; er schien rundum mit Patronen gefüllt zu sein und an ihm hingen mehrere Lederbeutel, die wahrscheinlich die einem Westmann nötigen kleineren Gegenstände bargen. Von der linken Schulter nach der rechten Hüfte lag ein zusammengeschlungener, aus mehrfachen Riemen geflochtener Lasso und um den Hals hing an einer Seidenschnur eine mit Kolibribälgen verzierte Friedenspfeife, in deren künstlerisch geschnittenen Kopf indianische Zeichen eingegraben waren. Ein breiter Riemen hielt auf dem

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