Скачать книгу

da ich es längst aufgegeben habe, ihn zu finden, da reitet er hier in diesem Wetter an meiner Seite und lässt mich beinahe in diesem schönen Fluss ersaufen, ohne mir zu sagen, wer er ist!“

      „Ihr sucht nach mir?“, fragte sein Begleiter verwundert. „Weshalb?“

      „Na, wegen der Erbschaft! Weshalb denn sonst?“

      „Erbschaft? Hm! Wer seid Ihr denn eigentlich, Sir?“

      „Ich bin auch ein Timpe.“

      „Auch einer? Woher denn?“

      „Von drüben herüber.“

      „Aus Deutschland?“

      „Natürlich! Oder kann ein Timpe woanders geboren sein?“

      „Allerdings, denn ich zum Beispiel bin hier in den Staaten geboren.“

      „Aber von deutschen Eltern!“

      „Mein Vater war ein Deutscher.“

      „So seid Ihr wohl der deutschen Sprache mächtig?“

      „Ja.“

      „Nun, so redet doch, wenn Ihr einen Deutschen vor Euch habt, Deutsch, wie Euch der Schnabel gewachsen ist!“

      „Na, Sir, nur sachte, sachte! Ich habe doch nicht gewusst, dass Ihr ein Deutscher seid!“

      „Aber nun wisst Ihr es. Ich bin ein Deutscher, ein Timpe sogar, und verlange, dass Deutsche Deutsch mit mir reden.“

      „Woher stammt Ihr?“

      „Aus Hof in Bayern.“

      „Da gehen wir einander nichts an, denn ich stamme aus Plauen im Vogtland.“

      „Oho! Nichts angehen! Mein Vater stammt auch aus Plauen und ist von dort nach Hof verzogen.“

      Der Dunkelhaarige hielt sein Pferd an. Der Regen hatte nach einem heftigen Donnerschlag plötzlich aufgehört und die Wolken waren vom Sturm zerteilt worden. Zwischen ihnen blickten helle, blaue Stellen des Himmels hernieder und die beiden Männer konnten ihre Gesichter erkennen.

      „Aus Plauen nach Hof verzogen?“, fragte er. „Da ist es freilich nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich, dass wir Verwandte sind. Was ist Euer Vater gewesen?“

      „Büchsenmacher, und ich bin es auch geworden.“

      „Das stimmt, das stimmt! Das ist ja ein merkwürdiges Zusammentreffen! Aber wir wollen uns nicht hier aufhalten; das Gewitter kann leicht zurückkehren und wir haben noch den schwierigsten Teil des Tales vor uns; da wollen wir das jetzige annehmbare Wetter benutzen. Wir können besser weitersprechen, wenn wir an Ort und Stelle sind. Also kommt, Sir, oder Vetter, wenn Euch das besser gefällt!“

      Sie ritten weiter. Das Tal wurde bald so eng, dass nur wenig Raum blieb zwischen dem Fluss und der beinahe senkrecht aufsteigenden diesseitigen Felswand. Und dieser Raum bestand nicht etwa aus grasigem Boden, sondern es gab da eine Menge Gesträuch, durch das sich die Pferde oft geradezu drängen mussten. Hätte sich das Gewitter nicht verzogen und wäre es so finster wie vorher geblieben, so dürfte es unmöglich gewesen sein, hier vorwärts zu kommen.

      Das hielt eine bedeutende Strecke an, bis das Tal sich wieder verbreiterte, um nach einer halben Stunde wieder eine sehr schmale Schlucht zu bilden, die aber nicht lang war, sondern sehr bald auf den Platz mündete, der Firwood-Camp genannt worden war, weil es hier nur Tannen gab, die in riesiger Größe zum Himmel aufstrebten.

      Es kreuzten sich hier zwei Täler in beinahe rechtwinkliger Richtung, nämlich das Tal des Flusses, an dem die beiden Timpes herabgekommen waren, und ein anderes, worin die im Bau begriffene Eisenbahn die Höhe des Gebirges zu ersteigen strebte. Camp heißt Lager, und dass es hier ein solches, und zwar ein nicht unbedeutendes, gab, das sahen die beiden Reiter trotz der nächtlichen Dunkelheit sofort, als sie die Felsenenge vor sich hatten.

      Es lag da eine Menge von Baumriesen, die gefällt worden waren, um aus den Stämmen Bretter und aus den starken Ästen Bahnschwellen zu bekommen; der Abfall lieferte das nötige Feuerholz. Die über den Fluss führende Brücke war beinahe fertig und in deren Nähe lag die fliegende Schneidemühle, deren Sägen die Holzmassen zu bewältigen hatten. Weiterhin gähnte schwarz ein tief in den Felsen gesprengter Steinbruch, der die Quadern zum Unterbau zu liefern hatte, und links zogen sich mehrere aus Balken und Brettern errichtete schuppenähnliche Bauten hin, die zur Unterbringung der Menschen, der Werkzeuge und der Vorräte dienten.

      Eine dieser hier Shops genannten Buden war außerordentlich lang und tief. Die vier Feueressen, die das Dach überragten, und die zahlreichen, jetzt erleuchteten Fenster ließen vermuten, dass der Shop den im Camp anwesenden Arbeitern Unterkunft zu gewähren hatte. Infolgedessen wendeten sich die beiden Ankömmlinge dorthin.

      Schon von Weitem scholl ihnen ein lautes Stimmengewirr entgegen, und als sie näher gekommen waren, machte sich mit jedem Schritt mehr eine von Branntweindunst geschwängerte Luft bemerkbar. Sie stiegen ab, banden ihre Pferde an die wahrscheinlich zu diesem Zweck neben der Tür eingeschlagenen Pfähle und wollten eben eintreten, als ein Mann herauskam, der in das Innere zurückrief: „Der Bauzug muss gleich kommen; ich will ihn abfertigen, dann bin ich wieder da. Vielleicht bringt er Neuigkeiten oder gar Zeitungen mit.“

      Der Mann sah auf, erblickte die Fremden, trat zur Seite, um sie in das aus der Tür fallende Licht kommen zu lassen, und betrachtete sie.

      „Good evening, Sir“, grüßte der Blonde. „Wir sind bis auf die Haut durchnässt. Gibt es hier einen Platz, wo man trocken werden kann?“

      „Ja“, antwortete er. „Es gibt sogar Plätze, um trocken schlafen zu können, nämlich falls ihr nicht zu derjenigen Sorte von Menschen gehört, die man lieber gar nicht eintreten lässt.“

      „Keine Sorge, Sir! Wir sind ehrliche Westmänner, Gentlemen, die Euch nicht Schaden bringen, sondern alles, was sie bekommen, bezahlen werden.“

      „Wenn eure Ehrlichkeit so bedeutend wie eure Körperlänge ist, dann seid ihr freilich die größten Gentlemen unter der Sonne. Na, geht hinein, links in den kleineren Room, und sagt dem Shopman, ich, der Engineer[2], hätte gesagt, ihr könntet bleiben. Wir sehen uns bald wieder.“

      Er ging fort und sie befolgten seine Aufforderung.

      Das Innere der Bude bildete einen einzigen großen Raum, von dem nur links ein kleiner Teil durch eine mannshohe Bretterwand halb abgeteilt war. Es gab da eine Menge primitiver Tische und Bänke, die in die Erde gerammt waren, und zwischen ihnen und an den Wänden hin Massenbetten, deren Füllung hauptsächlich nur aus trockenem Gras und Heu bestand. Vier Herde, auf denen hohe Feuer loderten, sorgten für eine wenig zulängliche Beleuchtung; Lampen oder Lichte gab es nicht und so kam es, dass bei dem Flackern der Flammen alle Personen und Gegenstände in gespenstischer Unruhe und Bewegung zu sein schienen.

      An den Tischen saßen und auf den Lagern hockten wohl an die zweihundert Bahnarbeiter, kleine, langzöpfige Burschen mit gelber Gesichtsfarbe, hervortretenden Backenknochen und schief geschlitzten Augen, die sich erstaunt auf die beiden überlangen Gestalten richteten.

      „Pfui Teufel! Chinesen! Das konnten wir uns denken, denn man roch es schon von draußen!“, meinte der Dunkelhaarige. „Kommt schnell in den kleinen Room, wo die Luft vielleicht genießbarer ist!“

      In dieser Abteilung gab es auch eine Anzahl von Brettertafeln, woran aber weiße Arbeiter rauchend und trinkend saßen, derbe, wetterharte Männer, von denen wohl mancher eine bessere Vergangenheit hinter sich hatte, mancher aber auch nur deshalb hierhergekommen war, weil er sich im zivilisierten Osten nicht mehr sehen lassen durfte. Ihre überlaute Unterhaltung verstummte sofort, als sie die beiden Gäste sahen, denen ihre erstaunten Blicke bis hin zum Schenktisch folgten, hinter dem der Shopman bei zahlreichen Flaschen und Gläsern lehnte.

      „Railroaders[3]?“, fragte er, indem er ihren Gruß nickend erwiderte.

      „Nein, Sir“, antwortete der Blonde. „Wir haben nicht die Absicht, den hier sitzenden Gentlemen ihren Verdienst zu schmälern. Wir sind Westmänner und suchen

Скачать книгу