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überflog.

      „Ja.“

      „Dann könnt ihr alles haben, was ihr braucht, auch später ein feines, abgesondertes Lager zum Schlafen da hinter den Kisten und Fässern. Setzt euch an den Tisch am Herd; da gibt es Wärme genug, der andere ist für die Beamten und höheren Gentlemen.“

      „Well! Ihr rechnet uns also zu den niedrigen Gentlemen. Das hätte ich Euch bei unserer Länge nicht zugetraut. Tut aber nichts. Bringt uns Gläser, heißes Wasser, Zucker und Rum! Wir wollen uns auch innerlich anwärmen.“

      Sie setzten sich an den ihnen angewiesenen Tisch, der so nahe am Feuer stand, dass ihre nassen Anzüge bald trocknen konnten, bekamen das Verlangte und brauten sich einen Grog. Die weißen Arbeiter hatten gehört, dass sie keine Konkurrenz zu befürchten hatten; sie waren befriedigt und setzten ihr unterbrochenes Gespräch wieder fort.

      An dem für Beamte und ‚höhere Gentlemen‘ bestimmten Tisch saß eine einzelne Person, ein junger, vielleicht nicht ganz dreißig Jahre zählender Mann, der wie ein weißer Jäger gekleidet war, aber der kaukasischen Rasse nicht angehörte, was sich aus der Farbe seiner Haut und der Bildung seines Gesichts schließen ließ. Er war jedenfalls ein Mestize, einer jener Mischlinge, die zwar die körperlichen Vorzüge, aber dazu leider manchmal auch die moralischen Fehler ihrer verschiedenfarbigen Eltern erben. Seine Glieder waren kräftig und geschmeidig wie diejenigen eines Panthers und seine Gesichtszüge intelligent, aber seine dunklen Augen lagen unter den tief gesenkten Lidern und Wimpern lauernd versteckt wie ein wildes Katzenpaar, das eine Beute belauert. Er schien die beiden Fremden gar nicht zu beachten, ließ jedoch seine Blicke oft und verstohlen zu ihnen fliegen und neigte den Kopf zur Seite nach ihnen hin, um zu hören, wovon sie sprechen würden. Er hatte Grund, zu ermitteln, welche Absicht sie in diese Gegend geführt hatte und ob sie bleiben oder nicht bleiben wollten. Zu seinem Leidwesen verstand er keines ihrer Worte, obgleich sie laut genug miteinander redeten, denn sie bedienten sich einer Sprache, die er nicht kannte, der deutschen.

      Als sie ihre Gläser gefüllt hatten, tranken sie sich zu und leerten sie bis auf den Grund. Der Dunkelköpfige setzte das seine vor sich hin und sagte: „So, das war der Willkommen, den wir einander schuldig sind, und nun wieder zur Sache! Also, Sie sind eigentlich Büchsenmacher und Ihr Vater war es auch. Nehmen wir einmal an, dass wir wirklich Verwandte seien, so will ich Ihnen offen sagen, dass ich noch nicht weiß, ob ich mich auch verwandtschaftlich zu Ihnen verhalten darf.“

      „Warum sollten Sie das nicht dürfen?“

      „Wegen der Erbschaft.“

      „Wieso?“

      „Ich bin um sie betrogen worden.“

      „Ich doch auch!“

      „Ach, wirklich? Sie haben auch nichts bekommen?“

      „Keinen Pfennig, keinen roten Heller!“

      „Aber es ist doch eine so bedeutende Summe an die Erben drüben ausgezahlt worden!“

      „Ja, an Timpes Erben in Plauen, jedoch nicht an mich, obwohl ich ein ebenso echter Timpe bin wie sie.“

      „Erlauben Sie mir, diese Echtheit einmal zu prüfen! Wie ist Ihr vollständiger Name?“

      „Kasimir Obadja Timpe.“

      „Der Ihres Vaters?“

      „Rehabeam Zacharias Timpe.“

      „Wie viele Brüder hatte Ihr Vater?“

      „Fünf. Die drei jüngsten sind nach Amerika gegangen. Sie glaubten, da schnell reich werden zu können, weil dort viele Gewehre gebraucht wurden. Die Brüder waren alle Büchsenmacher.“

      „Wie hieß der zweite Bruder, der in Plauen blieb?“

      „Johannes Daniel. Er ist gestorben und hat zwei Söhne hinterlassen, nämlich Petrus Micha und Markus Absalom, die jene hunderttausend Taler geerbt und aus der Stadt Fayette in Alabama geschickt bekommen haben.“

      „Das stimmt, das stimmt abermals! Mit Ihrer Orts- und Personenkenntnis beweisen Sie, dass Sie wirklich mein Vetter sind.“

      „Oh, ich kann es noch besser beweisen. Ich habe meine Papiere und Ausweise heilig aufgehoben; ich trage sie auf meinem Herzen und kann sie Ihnen sofort...“

      „Jetzt nicht, jetzt nicht, vielleicht später“, fiel ihm der andere in die Rede. „Ich glaube Ihnen. Sie wissen doch auch, warum die fünf Brüder und ihre Söhne sämtlich solche biblische Namen haben?“

      „Ja. Es war das ein uralter Gebrauch in der Familie, von dem keiner abgewichen ist.“

      „Richtig! Und dieser Gebrauch konnte in den Staaten hier leicht beibehalten werden, weil der Amerikaner solche Namen auch bevorzugt. Mein Vater war der dritte Bruder, er hieß David Makkabäus und blieb in New York. Mein Name ist Hasael Benjamin. Die zwei Jüngsten gingen weiter ins Land und setzten sich in Fayette im Staate Alabama fest. Der Allerjüngste hieß Josef Habakuk, er starb dort kinderlos und hat das große Erbteil hinterlassen. Der vierte Bruder, Tobias Holofernes, starb in derselben Stadt; sein einziger Sohn, Nahum Samuel, ist der Schwindler.“

      „Wieso?“

      „Sehen Sie das nicht ein? Ich bin vollständig ahnungslos gewesen. Vater hat zwar in der ersten Zeit mit seinen zwei Brüdern in Fayette Briefe gewechselt, doch ist das nach und nach eingeschlafen, bis man einander schier vergessen hat. Die Entfernungen in den Staaten sind so groß, dass selbst Brüder sich nach und nach aus den Augen kommen. Nach Vaters Tod führte ich das Geschäft fort, schlecht und recht, ohne viel mehr als das Leben herauszuschlagen. Da traf ich in Hoboken mit einem Deutschen zusammen; er war Einwanderer und kam aus Plauen im Vogtland. Ich erkundigte mich natürlich nach meinen dortigen Verwandten und erfuhr zu meinem Erstaunen, dass sie bare hunderttausend Taler von dem Onkel Habakuk in Fayette geerbt hatten. Und ich nichts! Ich glaubte, der Schlag werde mich treffen! Ich hatte meinen Anteil auch zu verlangen und schrieb wohl zehn und noch mehr Briefe nach Fayette, bekam aber keine Antwort. Da verkaufte ich kurz entschlossen mein Geschäft und reiste hin.“

      „Ganz recht, ganz recht, lieber Vetter! Nun, und der Erfolg?“

      „War gar kein Erfolg, denn der Vogel hatte sich unsichtbar gemacht; er war ausgeflogen.“

      „Welcher Vogel?“

      „Das können Sie sich doch nun denken! Man hatte in Fayette geglaubt, der alte Josef Habakuk sei nur in guten Verhältnissen gestorben; dass er so reich gewesen war, hatte man nicht geahnt. Wahrscheinlich hat ihn sein Geiz abgehalten, es zu zeigen. Sein Bruder Tobias Holofernes war sehr arm vor ihm gestorben und er hatte dessen Sohn, seinen Neffen Nahum Samuel, zu sich in das Geschäft genommen. Dieser nun ist der Betrüger. Er hat zwar nicht umhin gekonnt, die hunderttausend Taler nach Plauen zu schicken, mit dem übrigen Geld aber hat er sich aus dem Staub gemacht, auch mit den hunderttausend Talern, die mir zufallen mussten.“

      „Und mit den meinigen wahrscheinlich auch?“

      „Jedenfalls!“

      „Der Schurke! Vater zog von Plauen fort, weil er sich wegen der Konkurrenz mit dem Bruder arg verfeindet hatte. Diese Feindschaft wuchs trotz der Entfernung mehr und mehr, sodass keiner mehr etwas von dem andern wissen und hören wollte. Darüber ist Vater gestorben, sein Bruder in Plauen auch. Später schrieben mir dessen Söhne, sie hätten von dem Oheim Josef Habakuk in Amerika hunderttausend Taler geerbt. Ich fuhr sofort nach Plauen, um mich zu erkundigen. Da ging es freilich sehr hoch her. Die beiden Vettern wurden nicht anders als Timpes Erben genannt; sie hatten ihr Geschäft aufgegeben und lebten wie die Fürsten. Ich wurde sehr gut aufgenommen und musste einige Wochen bei ihnen bleiben. Von der alten Feindschaft wurde kein Wort gesprochen, aber ebenso wenig konnte ich etwas Näheres und Sicheres über den Onkel Josef Habakuk und seine Hinterlassenschaft erfahren. Die Vettern ließen mich ihren Reichtum sehen, aber meinen Anteil schienen sie mir nicht zu gönnen. Da machte ich es kurz entschlossen wie Sie: Ich verkaufte mein Geschäft, ging nach Amerika und begab mich von New York natürlich sofort direkt nach Fayette.“

      „Ah, also auch! Wie fanden Sie es dort?“

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