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Hand. Schwer stürzte er in den Schnee.

      Walter stand wie erstarrt. Dann warf er sich neben den Dolmetscher, nur wenige Schritte von den unaufhaltsam rollenden Rädern entfernt.

      Cornalli stöhnte schwach. Walter sprang auf. In der nahen Nachrichtenvermittlung berichtete er stockend, was geschehen war. Zwei Mann rannten mit einer Krankentrage hinaus, während Walter im Laufschritt, so weit es sein verletztes Bein zuließ, den Weg zum Divisionsgefechtsstand fortsetzte.

      So ungeheuerlich war das, was er gesehen und erlebt hatte, dass es beinahe über sein Fassungsvermögen ging. Der Anfang vom Ende, dachte er bruchstückhaft, Mord – sie schießen auf die eigenen Offiziere …

      Als er keuchend, mit verzerrtem Gesicht vor dem Ia stand, fragte Major von Talvern: »Menschenskind, ist Ihnen ein Gespenst begegnet?«

      Leutnant Walter suchte nach Worten.

      »Kann verstehen, dass Sie durcheinander sind«, meinte Talvern. »So eine Rückzugskolonne ist kein erfreulicher Anblick. Sie haben nur den Vormarsch kennen gelernt. Das andere ist die Kehrseite.«

      »Man hat auf Cornalli geschossen«, stieß Walter hervor.

      »Was?«

      Walter versuchte sich zu fassen. »Aus einem der Fahrzeuge ist auf Leutnant Cornalli geschossen worden, Herr Major. Niemand wollte anhalten. Cornalli hat die Pistole gezogen. Da ist es geschehen.«

      »Weiter! Was ist mit dem Italiener?«

      »Kopfschuss, Herr Major. Ich habe veranlasst, dass man ihn von der Rollbahn wegholte, und bin, so schnell ich konnte, hierhergelaufen.«

      »Wohin hat man ihn gebracht?«

      »Sicher zunächst zur Nachrichtenvermittlung.«

      »Ich muss mich um ihn kümmern«, sagte Talvern. »Melden Sie den Vorfall dem Herrn General, Leutnant Walter!«

      »Zu Befehl, Herr Major.«

      Walter ging hinaus. Mehr als sonst zog er das linke Bein hinter sich her.

      Talvern riss die Tür zum Geschäftszimmer auf. »Mantel, Mütze und Koppel!«, rief er dem Dienst habenden Obergefreiten zu.

      Im gleichen Augenblick schrillte das Läutwerk des Feldtelefons. Mit einem Sprung war Talvern beim Apparat.

      »Major von Talvern.«

      Am anderen Ende sprach Oberleutnant Schenk, der Führer der 2. Nachrichtenkompanie.

      »Ein Funkspruch von ›Waldhorn‹, Herr Major«, meldete er.

      »Waldhorn« war der Deckname des Infanterieregiments 628.

      Schenk wollte den Text des Spruches übermitteln, doch Talvern unterbrach den Nachrichtenoffizier. »Liegt der italienische Leutnant bei Ihnen?«, fragte er.

      »Jawohl, Herr Major. Wollte es Herrn Major anschließend sagen. Wir haben den Herrn Oberfeldarzt gerufen. Aber jede Hilfe kam zu spät. Nach Meinung des Herrn Divisionsarztes muss der Leutnant schon tot gewesen sein, als sie ihn hereinbrachten.«

      »Geben Sie jetzt den Spruch durch!«, befahl Talvern schroff, ohne auf Schenks schwer wiegende Mitteilung einzugehen.

      »Jawohl, Herr Major.«

      Schenk verlas den Klartext des verschlüsselt durchgegebenen Spruchs. Das Regiment meldete Feindberührung bei seinem ersten Bataillon. Zum zweiten und dritten Bataillon war bei Aufgabe des Funkspruches seit zwei Stunden die Verbindung abgerissen. Zwei Stoßtruppunternehmen waren zur Klärung der Lage angelaufen.

      Talvern ging hinüber zum General.

      »Das Erste sechsachtundzwanzig hat bereits Feindberührung«, sagte er. »Sonst bis jetzt nichts Neues. Was hier geschehen ist, wissen Herr General.«

      General Körner nickte schwer.

      »Es ist, als ob Schnee und Dunkelheit alles verschlängen«, murmelte er. »Die rumänische Armee – Stalingrad –, jetzt die Italiener. Und wir?«

      Der General schwieg. Auch Major von Talvern sagte nichts mehr. Etwas Unheimliches bahnte sich an. Ein Gefühl des Unbehagens schlich sich in Anton von Talverns Gelassenheit. Er kehrte in seinen Dienstraum zurück. In den kahlen Raum mit den mit Zeitungsstreifen beklebten, vereisten Fenstern. Mit dem helleren Fleck an der vom Ofenrauch gedunkelten Wand, wo einst Stalins Bild gehangen hatte. Ein Bild des »Führers« aufzuhängen, hatte man versäumt.

      Es war Zeit, die Abendmeldung vorzubereiten. Was war zu melden? Der Tod eines italienischen Offiziers. Sonst war alles unklar, alles in der Schwebe. Das Fernsprechnetz war zerstört und nicht wieder in Stand gesetzt. Man hing in der Luft. Auf die Funkgeräte war nur bedingt Verlass. Man sollte führen. Aber wer konnte befehlen, wenn er sich wie der Stab in Schepetowka in völliger Ungewissheit, in der Isolierung befand? Wer?

      Seit seiner Abfahrt von Lysselkowo am Abend des 15. Dezember hatte die 3. Batterie nichts mehr von Wachtmeister Fendt gehört. Auch von dem italienischen Bataillon, mit dem man noch in der Nacht Funkverbindung hatte, wusste man nichts. Den ganzen 16. Dezember und die folgende Nacht hindurch hatte der Funktrupp in Lysselkowo die Italiener immer wieder gerufen, aber deren Gerät hatte keine Antwort gegeben.

      Trüb brach der Morgen des 17. Dezember an. Die Fenster der kleinen, niedrigen Lehmkate, die Hauptmann Martin als Quartier und zugleich als Gefechtsstand diente, waren mit einer dicken Eisschicht überzogen. In dem kleinsten unheizbaren Raum schlief der Hauptmann auf einer von Trossleuten gezimmerten Pritsche.

      In der größeren Stube lagen Leutnant Holler, der B-Offizier, und die Männer vom Batterietrupp dicht aneinander gedrängt auf einer dünnen Schütte von mit Zeltbahnen bedecktem Stroh.

      Als Hauptmann Martin sich auf der Pritsche aufrichtete, war es ihm, als habe sich das Artilleriefeuer, das gestern noch im Norden rumpelte, nach Westen, möglicherweise auch nach Südwesten, verlagert. Auch im Osten, allerdings in größerer Entfernung, schien Geschützfeuer aufzuleben. Das musste an der Tschir-Front sein, die sich Ende November nach dem Durchbruch der Russen bei der 3. rumänischen Armee gebildet hatte.

      Hauptmann Martin hatte fest mit einem nächtlichen Alarm gerechnet. Doch die Nacht hatte nichts Ungewöhnliches gebracht – jedenfalls nicht für Lysselkowo.

      Martin warf den Übermantel und die Decken zurück und stand stöhnend auf. Morgens, beim Aufstehen, machte sich das Rheuma, das zeitweilig seine ganze linke Körperhälfte erfasste, am übelsten bemerkbar. Erst beim zweiten Versuch gelang es ihm, sich nach seinen Filzstiefeln zu bücken. Dieser zweite Winter, der für ihn in Russland angebrochen war, wartete wieder mit strengen Frösten auf. Wie alle anderen schlief auch Martin in voller Uniform. Und auch ihn plagten bereits wieder die Läuse, die nicht danach fragten, ob einer Schulterstücke mit zwei Sternen, Korporalslitzen, einen Gefreitenwinkel oder überhaupt keine Rangabzeichen besaß.

      Als Hauptmann Martin in den Nebenraum trat, kam der kleine Leutnant Holler soeben aus seinen Decken hoch.

      »Merken Sie was?«, sagte der Batteriechef. »Das hört sich doch so an, als ob der Russe durch wäre. Aber das ist doch nicht möglich. Wenn da etwas passiert wäre, hätte man uns doch verständigen müssen.«

      Leutnant Holler hob die Schultern.

      »An sich schon, Herr Hauptmann. Aber wir wissen ja: Die Makkaroni betreiben hier ihren eigenen Laden.«

      »Sie sollen nicht ›Makkaroni‹ sagen!«, warf der Hauptmann ein. »Die Italiener sitzen auf dem gleichen Ast wie wir. Es sind unsere Verbündeten, und ich wünsche nicht, dass man abfällig über sie spricht.«

      Heute hat es ihn wieder, dachte Holler. Wenn das Rheuma den Chef packte, war er sich selbst zuwider. Doch sonst kam man gut mit ihm aus. Im Übrigen war Hauptmann Martin nicht nur auf artilleristischem Gebiet ein ausgesprochener Könner.

      »Man sollte ›Blaumeise‹ anrufen«, schlug Holler vor. »Vielleicht weiß man dort etwas.«

      »Blaumeise« war der Deckname einer deutschen Sicherungskompanie, die zwanzig Kilometer

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