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nicht so allein.

      Sie wurde hier bald verrückt!

      Ob sie auf ihrem Smartphone im Internet surfen sollte? Aber sie hatte in dieser Einöde absolut keinen Empfang. Sonst hätte sie Loan vielleicht mal angerufen … nur um zu fragen, ob es ihm gutging.

      Ach, ihm geht es sicher bestens!, schalt sie sich und tigerte weiter durchs Zimmer.

      Sie könnte etwas lesen, ein paar E-Books hatte sie gespeichert, doch sie entschied sich für die Arbeit. Bis jetzt hatte sie noch nicht herausgefunden, was sie hier suchte! Ständig dachte sie an ihre Visionen, die sie hergeführt hatten.

      Das sinnliche Intermezzo mit Loan konnte ja wohl unmöglich alles gewesen sein. Außer irgendeine höhere Macht wollte sie demütigen. Vielleicht war das aber auch einfach nur die Strafe, weil sie zu dämlich gewesen war, auf das verschlüsselte Tagebuch aufzupassen.

      Kurzerhand beschloss sie, sich noch einmal in der Bibliothek umzusehen. Die schien wichtig zu sein, zumindest laut ihrer Zukunftserinnerung. Dort gab es außerdem einen Computer mit Internetanschluss. Sollte sie nichts finden, könnte sie eventuell mit Noir chatten. Die war eine Nachtgestalt und jetzt bestimmt noch nicht im Bett … außer vielleicht mit Vincent.

      Fay schob sich ihr Handy in die Hosentasche, falls sie die integrierte Taschenlampe bräuchte, und zog sich Frotteesocken über. Die nahm sie überallhin mit, weil sie nachts oft kalte Füße bekam. Es war ihr egal, falls Loan ihr über den Weg laufen würde und sie so sah. Im Moment hatte sie nicht das Bedürfnis, für ihn schick aussehen zu müssen.

      Über das Treppenhaus schlich sie nach unten und verursachte dabei kein Geräusch. Frotteesocken waren durchaus praktisch! Nur ab und zu knarzte eine Holzdiele leise.

      Da die Notbeleuchtung brannte, musste Fay kein zusätzliches Licht anmachen. Lediglich in der Bibliothek war es stockdunkel.

      Wo war Loan bloß? Das würde sie wirklich brennend interessieren. Und wo trieb sich sein Butler herum? Alles wirkte völlig verlassen, und doch hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein.

      An diesem Ort stimmte definitiv etwas nicht und Fay würde schon noch herausfinden, was Loan vor ihr verbarg!

      Sie machte kein Licht, als sie die Tür leise schloss. Nur der Schein einer Laterne fiel durch die hohen Fenster der Bibliothek, doch es reichte nicht aus, um genug zu erkennen. Die meisten Regale und vor allem die Ecken des Raumes lagen in völliger Dunkelheit. Fay verspürte jedoch keine Furcht. Sie war in einem uralten, knarzenden Haus aufgewachsen, in dem sogar der Geist eines jungen Mädchens umging. Zum Glück hatte sie sich schon als Kind mit Jeannette – so ihr Name – angefreundet und wurde nicht länger erschreckt. Ansonsten machte ihr so schnell nichts Angst, außer Dämonen. Es gab üble Gesellen, gegen die selbst eine Hexe machtlos war. Wenigstens schienen sich die Unterweltler nicht in diese Einsamkeit zu verirren. Sie bevorzugten eher Städte mit vielen Menschen, da sie dort größere Auswahl hatten, um an Seelennahrung zu kommen und was sie sonst noch zum »Leben« brauchten.

      Fay legte den Kopf in den Nacken und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Besser, sie ließ das Deckenlicht aus, damit niemand bemerkte, dass sich hier jemand aufhielt. Denn sie musste dringend an die oberen Regalreihen herankommen – und das schaffte sie nur mit einem Schwebezauber. Zum Glück hatte sie reichlich zu Abend gegessen, ihre Energietanks waren mehr als voll.

      »Corpus volantes, humana corpus«, murmelte sie, während sie die Taschenlampe ihres Smartphones einschaltete, und stellte sich geistig vor, wie sich ihre Füße vom Boden lösten und sie den Gesetzen der Schwerkraft trotzte. »Volantem hominem, altiorem …«

      Fay spürte einen Anflug von Schwindel, bevor sie eine angenehme Leichtigkeit befiel. Sie spannte ihren Körper an, sagte weiter den Spruch auf. Denn nur solange sie redete – oder die magischen Worte gedanklich wiederholte –, würde sie schweben.

      Ihre Füße verloren den Halt und sie hob ab. Nun musste sie sich genau vorstellen, wohin sie »gleiten« wollte – wie es korrekt hieß –, und ihr Ziel waren natürlich die oberen Regalreihen. Höher und höher ging es hinauf, wobei sie bloß nicht vergessen durfte, weiter zu sprechen, sonst würde es eine harte Landung geben.

      Ein wenig stolz war Fay schon, dass sie diesen Zauber beherrschte, denn das konnten nur sehr wenige Magier. Dazu brauchte man, neben einer speziellen genetischen Veranlagung, vor allem die Fähigkeit, ausreichend Energie, die schnell abrufbar war, in den Zellen speichern zu können. Unendlich lange in der Gegend herumzufliegen, war deshalb nicht möglich. Acht Minuten und bis zu zehn Meter hoch waren das Maximum – länger und höher hatte es noch niemand geschafft. Fays Rekord lag bei fünf Minuten und neun Metern. In der Magierschule hatte sie die Schwebezauber-Prüfung als Einzige ihres Jahrgangs mit Auszeichnung bestanden.

      Selbst darüber hatten ihre Eltern nie ein Wort verloren …

      Fay sollte jetzt weder an ihre Erzeuger noch an Loan denken, denn sie hatte nicht viel Zeit. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihr den leeren Raum und die geschlossene Tür. Sie war allein, auch wenn ihr Bauchgefühl hartnäckig behauptete, jemand würde sie beobachten. Aber sie spürte ebenfalls, dass sich in den oberen Regalen jede Menge besonderer Bücher befanden, denn einige sandten sanfte magische Impulse aus.

      Fay hielt das Licht der kleinen Handylampe nah an die Buchrücken, um hastig die Titel zu überfliegen – sofern überhaupt welche darauf standen – und staunte, denn ihr kamen einige Ausgaben bekannt vor. Loan besaß eine beachtliche Sammlung der wichtigsten Hexenwerke und anderer Kompendien der Magierwelt.

      Woher hatte er all diese Bücher und warum waren sie nicht in seiner Datenbank verzeichnet?

      Kurz flackerte die alte Vision wieder auf, die der Goyle Nick ausgegraben hatte. In genau dieser Bibliothek hatte sie einen schwarzen Donnertrommler gesehen. Ob hier ein Drache lebte? Ob … Loan ein Drachenwandler war?

      Sie schnaubte belustigt und vergaß beinahe, weiterhin den Zauberspruch zu murmeln. Wenn sie einen Drachen finden würde, wäre das ja wie ein Hauptgewinn im Lotto. Ach, das war noch untertrieben. Es wäre die Sensation des Jahrtausends!

      So viel Glück hatte sie bestimmt nicht. Aber eines wusste sie jetzt ganz sicher: Loan war kein gewöhnlicher Mann.

      Ein dicker, in blutrotes Leder eingeschlagener Wälzer ohne erkennbare Schriftzeichen auf dem Rücken erregte Fays Aufmerksamkeit besonders, denn ihr kam das edle Material bekannt vor. Thomas Elwoods Tagebuch war in genau solch einem roten Leder eingebunden gewesen.

      Ihr Puls raste und ihre Fingerspitzen kribbelten, als sie den schweren Band aus dem Regal zog. Weiterhin den Spruch murmelnd, versuchte sie, das gewichtige Buch in einer Hand zu balancieren und mit der anderen, in der sie auch ihr Handy hielt, aufzuschlagen. Irgendwie schaffte sie es, und las, was mit schwarzer Tinte auf dem Deckblatt geschrieben stand:

      Lexikon über magische Wesen und ihre Eigenschaften – herausgegeben von Thomas Elwood.

      Fay keuchte auf und sank gut einen Meter tiefer, bevor sie schnell wieder den Zauber sprach.

      Von genau diesem Magier stammte auch das gestohlene Tagebuch!

      Zu aufgeregt, um den Schwebezauber länger aufrechterhalten zu können, glitt sie nach unten und begab sich sofort zum Tisch, auf dem der Computer stand. Dort legte sie das Buch ab und beleuchtete es mit ihrer Handylampe.

      Ihr Herz donnerte gegen ihre Rippen, ihre Hände zitterten und sie bekam kaum Luft. Sollte es das Schicksal endlich einmal gut mit ihr meinen?

      Der Zauber hatte viel Kraft gekostet, ihre Knie fühlten sich also nicht nur wegen der Aufregung butterweich an. Deshalb setzte sie sich schnell und blätterte behutsam in dem Buch. Es enthielt handgeschriebene Eintragungen und selbst gezeichnete Bilder aller möglicher Wesen, ihrer Anatomie und Eigenarten. Fay konnte kaum begreifen, was sie entdeckt hatte. Welch wertvoller Schatz!

      Ja, hier war sie richtig.

      Am liebsten würde sie sofort Noir Bescheid geben, dass sie vielleicht eine Spur gefunden hatte. Womöglich war dieses Kompendium der Schlüssel zur Wiederbeschaffung des gestohlenen Tagebuches! Falls die Dämonen es nicht sofort

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