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liegenden Hang bequem überblicken zu können. Vor dem Priester standen Matemba und Pareyma; die Tamtams und Pfeifen machten einen ohrenzerreißenden Lärm, der auf ein Zeichen des Priesters schwieg. Seine Rede bestand in Schmähungen gegen das Christentum, für die ich ihn am liebsten gezüchtigt hätte; dann kamen Verwünschungen des abtrünnig gewordenen Ehri, und endlich griff er hinter sich und nahm von dem Altar einige Schädelknochen, die er Matemba entgegenhielt.

      „Leg deine Hand auf diese Schädel, die den Köpfen deiner Voreltern angehörten, und schwöre: Eita anei oeafaarue i ta oe vatrina?“16

      Noch hatte Matemba nicht sein „Eita!“ gesprochen, als sich Potomba durch die Menge der Zuhörer drängte und vor dem Altar erschien.

      „Sei gegrüßt, Anoui, du Vater meines Weibes!“, begann er. „Sie ist, als ich nicht daheim war, zu dir gekommen und ich folge ihr nach, um sie wieder zu holen.“

      Es entstand eine lautlose Stille. Der Priester streckte abwehrend beide Arme aus.

      „Diese Stätte ist heilig. Weiche von ihr und uns, Verräter!“

      Potomba blieb ruhig. Er legte die Hand auf die Schulter Pareymas.

      „Ja, diese Stätte ist heilig, weil ich, ein Christ, auf ihr erscheine. Ich werde gehen, doch gib mir vorerst mein Weib!“

      „Entweiche, sonst fasst dich der Tod!“

      „Der Tod?“, erwiderte Potomba lächelnd. „Hat er mich gefasst, als du mich verfolgtest, um mir mein Eigentum zu rauben? Ihr Hunderte von Heiden seid nicht stark genug, mir, einem einzigen Christen, den Tod zu geben. Ihr könnt nur Frauen töten. Hier an diesem Dolch klebt das Blut meiner Mutter. Du hast sie getötet, Anoui, und ich fordere noch heute ihr Leben oder das deinige von dir.“

      „So stirbst du selber!“, trotzte Anoui und griff nach ihm.

      Potomba wich einen Schritt zurück und rief so laut, dass man es weithin hörte:

      „Ich sterben, ich, der Ehri von Papetee? Ich stehe unter dem Schutz meines Gottes; ihr aber werdet untergehen, wie ich jetzt eure Götter vernichte.“

      Mit einem raschen Sprung stand er auf dem Altar. Er erfasste erst das eine und dann das andere der beiden aus Ton gebrannten Götzenbilder und schleuderte sie zur Erde herab, dass sie in Stücke zerbarsten. Dann schwang er den Kris hoch in die Luft.

      „Und noch heute werde ich mein Weib von euch holen!“

      Ein einziger, fürchterlicher Schrei der Wut erscholl aus allen Kehlen. Alle stürzten zum Altar, um den Mutigen zu fassen; er aber war schon nach hinten herabgesprungen und klimmte so schnell wie möglich zu mir empor. Es war ein Glück, dass kein einziger der Anwesenden eine Waffe zu der friedlichen Handlung mitgebracht hatte, sonst wäre er verloren gewesen. Kein einziger? Stand nicht hart am Altar einer, der soeben seinen Bogen spannte, und da drüber unter der Banane ein zweiter? Sie wollten auf Potomba schießen, und es war vorauszusehen, dass sie ihn treffen würden. Das musste ich verhüten. Ich legte schnell meinen Stutzen an, zielte und drückte zweimal nacheinander ab, die beiden stürzten zu Boden.

      Jetzt hatte mich Potomba erreicht. Seine Verfolger kamen schreiend teils den Hang heran, teils suchten sie in eiligem Lauf die Höhe an beiden Seiten zu umgehen.

      „Ich danke dir, Sahib, dass du mir halfst; die Pfeile hätten mich getroffen. Nun schnell nach dem Boot! Kannst du gut laufen?“, fragte er eilig.

      Ich antwortete nicht, denn dazu war keine Zeit. Eigentlich passte es mir nicht, vor diesen Menschen davonzulaufen, aber ich wusste, dass unsere Rettung nur von unserer Schnelligkeit abhing. Trotz meinen schweren Stiefel hielt ich gleichen Schritt mit dem Ehri, der eine gute Lunge und prachtvolle Sehnen haben musste, denn unsere Feinde blieben weit hinter uns zurück. Als wir das Boot erreichten, blieb uns gerade genug Zeit, es ins Wasser zu reißen, hineinzuspringen und einen leidlichen Vorsprung zu gewinnen, sodass uns kein Pfeil erreichen konnte.

      Jetzt erst durchbrachen die Polynesier das Dickicht des Strandes, reckten, als sie uns in Sicherheit sahen, die Arme in die Luft und schnitten uns boshafte Gesichter.

      Wir griffen zu den Doppelrudern und arbeiteten uns gegen den Passat nach Tahiti hinüber. Wir ließen uns dann, ohne dort zu landen, von der Strömung und dem Wind wieder nach Eimeo zurücktreiben und landeten in Alfareaita, einem kleinen Ort, der Papetee gerade gegenüber liegt.

      Hier blieben wir bis zu der bald hereinbrechenden Dunkelheit. Potomba teilte mir nichts mit über das, was er vorhatte, und da diese Schweigsamkeit ihre guten Gründe haben musste, so unterbrach ich sie mit keiner Frage.

      Es war wohl gegen elf Uhr nachts, als wir wieder aufbrachen. Der Ehri hatte sich vorher eine beträchtliche Menge großer und kleiner Fische gekauft und sie mit ins Boot gebracht. Was er mit ihnen bezweckte, konnte ich nicht ersehen. Wir ruderten uns bis zur Mitte der Straße, die die beiden Inseln trennte, und blieben hier.

      Es wurde dunkler über dem Wasser, aber vom Himmel leuchteten Tausende von Sternen, und die Wogen lagen um das Kanu wie durchsichtiger Kristall. Da griff der Ehri nach einem der Fische, band ihn an einen Streifen Bast und hängte ihn ins Wasser. Schon nach kurzer Zeit erfolgte ein scharfer Ruck. Ein Haifisch hatte sich die Lockspeise geholt. Nach einiger Zeit warf Potomba einen zweiten, dann einen dritten Fisch aus und fuhr so fort, bis sich mehr als ein halbes Dutzend Haie um unser Boot tummelte.

      Ich hatte eine leise Ahnung von dem, was er bezweckte. Jedenfalls versammelte er die Hyänen des Meeres um sein Boot, um sich ihrer gegen seine Feinde zu bedienen, aber in welcher Weise das geschehen sollte, war mir noch unklar. Auf alle Fälle jedoch war mir die Nachbarschaft dieser liebenswürdigen Geschöpfe ziemlich unangenehm. Er hatte sich zwar auf unserer Insel den ,Herrn des Hais‘ genannt, ich jedoch fühlte keineswegs eine besondere Zuneigung für seine menschenhungrigen Untertanen, und ich will offen gestehen, dass ich mich auf dem ,Wind‘ meines guten Master Frick Turnerstick behaglicher gefühlt hätte als in dem schmalen Boot, von dessen niederem Bord aus man die Haie mit der Hand zu berühren vermochte.

      Ein Schauspiel, aber ein grausiges, hatte ich allerdings dabei. Das Wasser schien trotz der nächtlichen Dunkelheit weißflüssiges Gold zu sein und stieg in immer tieferen, dunkleren Tinten in den Grund hinab. Jede Bewegung darin war zu erkennen, und wenn der Ehri einen neuen Fisch auswarf, so nahten sich sechs bis acht fürchterliche Rachen dem Stern des Bootes und es begann ein Kampf, bei dem sich einem die Haare sträuben konnte, denn es war nur eine dünne Schicht Holz zwischen den gierigen Ungeheuern und uns Menschen.

      Der Ehri schien sich um mein Gefühlsleben nicht zu kümmern. Er warf von Zeit zu Zeit einen Fisch aus und forschte dann immer nach der Richtung, aus der die Hochzeitsflotte mit dem Brautpaar kommen musste. Mir war es nicht ganz wahrscheinlich, dass die Trauung nach dem durch uns verursachten Auftritt noch vollzogen worden sei. Er jedoch schien seiner Sache sicher zu sein und stand, als sich am Himmel ein nebliger Lichtschein bemerken ließ, im Boot auf, um besser Ausguck halten zu können.

      Der Schein wurde mit jeder Sekunde heller. Bald erkannte ich, dass er wirklich von der Flotte herrührte, da jeder Kahn an seinem Bug mit einer Fackel ausgerüstet war.

      „Sie kommen“, bemerkte Potomba kaltblütig, „und jetzt wird Pareyma wieder mein.“

      Er warf die rot und weiß gestreifte Tebuta von den Schultern und griff mit der Rechten nach dem Kris, während er mit der Linken wieder einen Fisch auswarf.

      „Diene mir nur zwei Minuten, Sahib, so will ich dir gehorchen, solange du willst!“

      Ich griff zum Ruder.

      Er tat dasselbe und auf seine Anweisung hin beschrirben wir einen Bogen, den Kommenden entgegen, lenkten dann auf sie zu und schossen zuletzt, nun mit ihnen in gleicher Höhe, auf das erste Boot der Flotte zu. Darin saßen drei Personen, die ich deutlich erkennen konnte: Matemba, Anoui und Pareyma. Mit gewaltigem Ruderdruck an der rechten Seite des Zugs hinstreichend, erreichten wir das Boot, sodass unser linker Bord hart mit seinem Ausleger zusammentraf. Die Haie waren uns bis hierher gefolgt. Ich saß an den Rudern und Potomba stand jetzt wieder aufrecht im Boot, den Kris in der Faust.

      „Pareyma, herüber!“,

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