Скачать книгу

ist nicht Pareymas Messer, das ist der Dolch des Priesters Anoui!“, stieß er hervor.

      „So hat er sie geholt und er ist der Mörder.“

      „Und wirklich freiwillig ist sie mit ihm gegangen?“

      „Ich habe keine Spur eines Kampfes zwischen ihr und ihrem Vater bemerkt. Sahst du die Kähne und dein Mata ori?“

      „Ja. Was hat die Flotte zu bedeuten?“

      „Und kennst du auch Matemba, deinen Todfeind?“

      „Du fragst, als wäre ich ein kleiner Knabe.“

      „Du kehrst zur rechten Zeit zurück. Anoui, der Priester und Vater dieses untreuen Weibes, ist gekommen, um Matemba abzuholen. Es ist Hochzeit in Tamai und Matemba wird heute der Mann deiner Frau.“

      Potomba trat an die Öffnung, die als Fenster diente. Er musste Luft haben, wenn er nicht ersticken sollte. Die beiden Brüder hatten sich bisher nicht um uns gekümmert. Der Kapitän flüsterte mir zu:

      „Ihr scheint die Sprache dieser Leute zu verstehen. Was geht hier vor?“

      „Es ist fürchterlich!“, antwortete ich. „Man hat die Mutter des Ehri getötet und sein Weib wird heute mit einem Heiden getraut.“

      „Zum Henker! Das gibt Mord und Totschlag!“

      „Diese beiden Männer sind Christen.“

      „Pshaw! Auch unter den christlichen Polynesiern erbt sich die Blutrache fort. Ihr werdet es erfahren.“

      Jetzt wandte sich Potomba wieder zurück. Seine Züge waren wie versteint und in seinen Augen glühte ein düsteres Feuer.

      „Potai, was hast du bisher getan?“

      „Ich habe alles verkauft.“

      Der Ehri nickte zustimmend; er schien den Plan seines Bruders sofort zu erraten.

      „Auch die Boote, die ich dir von den Tubuai-Inseln sandte, als mich Anoui verfolgte?“

      „Ja. Wir gehen nach den Ländern Samoa.“

      „Du hast recht getan. Bist du bereit?“

      „Ich wartete nur auf dich.“

      Potomba wandte sich zu mir:

      „Das Schiff dieses Sahib holt deine Freunde?“

      „Ja.“

      „Wohin fährt es dann?“

      „Nach dem Land der Chinesi.“

      „So geht euer Weg an den Ländern Samoa vorüber, die ihr die Schifferinseln nennt. Dorthin wollen wir. Dürfen wir mit euch fahren?“

      Ich verdolmetschte diese Frage dem Kapitän.

      „Ich bin bereit, sie mitzunehmen. Also verkauft haben sie alles?“, fragte er. „Es scheint doch, dass Ihr Recht habt, Charley; das Christentum hat aus den Tigern Lämmer gemacht, die die Flucht ergreifen, statt sich zu rächen.“

      „Oh, Käpt’n, blickt diese Leute an! Sehen sie aus wie Lämmer?“ – Ich gab Potomba die erwünschte Auskunft: „Ihr könnt mitfahren.“

      „Wann geht das Schiff aus dem Hafen?“

      „Bei Beginn der Ebbe, nächste Nacht.“

      „Darf mein Bruder hingehen, um unsere Habe hinzubringen?“

      Auch hierzu gab der Kapitän seine Erlaubnis.

      „Potai, du bist der Jüngere; du wirst mir gehorchen?“, fragte der Ehri.

      Der Gefragte nickte.

      „Du wirst alles, was unser ist, auf das Schiff bringen, das ich dir zeige?“

      „Drei Matten voll besitzen wir.“

      „Du bleibst gleich dort, bis ich zurückkehre!“

      „Nein, Potomba. Habe ich nicht auch einen Kris?“

      „Erst kommt mein Kris, und erst dann, wenn ich sterben sollte, der deinige. Du kannst mich dann rächen, anstatt mit mir zu sterben.“

      „Ich gehorche dir.“

      „So komm, Sahib! Ich wollte euch Gastfreundschaft erweisen, aber ich bin jetzt ohne Heim.“

      Wir kehrten an den Strand zurück. Potomba zeigte seinem Bruder die Barke und dieser entfernte sich, ohne ein Wort zu sprechen.

      „Was willst du tun, Potomba?“, fragte ich.

      „Glaubst du, dass Pareyma mir untreu ist?“

      „Ich weiß es nicht, denn ich habe sie nicht gekannt.“

      „Aber ich kenne sie. Sie hat ihren Dolch; sie ist mutig und tapfer; sie wird sterben, aber nicht mit Matemba gehen. Ich werde sie von ihm und vom Tod erretten.“

      „Du willst Anoui töten?“

      „Ja.“

      „Er ist der Vater deines Weibes!“

      „Er ist der Mörder meiner Mutter!“

      „Weißt du, was der höchste Sahib Christus befiehlt? Vergebt, auf dass euch vergeben werde!“

      „Ich gehorche ihm, denn ich werde Anoui vergeben, nachdem ich ihn getötet habe.“

      „Das ist nicht der rechte Gehorsam, Potomba. Ich meine, dass...“

      Er unterbrach mich mit einer ungestümen Handbewegung.

      „Du bist Christ, seit du lebst, Sahib, ich aber bin es erst seit kurzer Zeit. Später werde ich auch sein wie du. Wolltest du nicht meine Verfolger töten, wenn sie nicht entflohen wären, sondern mich angegriffen hätten?“

      „Ich hätte sie getötet, weil du keine andere Hilfe hattest.“

      „Nun wohl! Sie haben den Tod verdient und ich habe auch hier in Papetee keine Hilfe. Oder soll ein Ehri um Gerechtigkeit bei den Ingli und Franki bitten? Gehe mit deinem Freund; ich komme auf das Schiff, wenn es den Hafen verlässt. Und wenn ich dann noch nicht zurück bin, so mag mein Bruder an Land zurückkehren und mich rächen.“

      „Willst du nicht das Grab deiner Mutter besuchen, ehe du gehst?“, fragte ich, um Zeit zu gewinnen, vielleicht auch aus Teilnahme für sein Geschick.

      „Weiß du nicht, dass das Grab eines Menschen tabu13 ist? Darf ich ihr Grab sehen, ohne ihrem Geist sagen zu können, dass ihr Mörder zu seinem Oro, den wir Christen Teufel nennen, gegangen ist? Pareyma ist mein Weib; sie wollte sich nicht noch einmal von dem Mitonare mit mir trauen lassen, um ihren Vater nicht zu erzürnen; sie ist seinetwegen eine Heidin geblieben, obgleich sie im Herzen an den guten Bapa im Himmel glaubt. Darum hat Anoui noch Macht über sie. Er ist zu ihr gekommen und sie hat ihm folgen müssen, ich aber werde sie mir wieder holen. Joranna14, Sahib, Joranna!“

      „Ich sage nicht Joranna, sondern ich gehe mit dir.“

      „Du willst mich hindern?“

      „Nein, ich will deine Gefahr teilen.“

      „So hast du mich wirklich lieb, Sahib! Komm!“

      Ich gab dem Kapitän die nötige Aufklärung. Der in allen Abenteuern zu Land vorsichtige Master Frick Turnerstick riet mir ernstlich ab, mir aber war es unmöglich, Potomba zu verlassen; meine Nähe konnte ihm doch vielleicht von Nutzen sein. Der Seemann ging zur Stadt und ich schritt mit dem Ehri am Strand hin. Sein Auge suchte unter den hier befindlichen Booten, bis er eins gefunden hatte, das größer war als das seinige. Es vermochte wohl vier Personen zu fassen.

      Draußen am westlichen Himmel erglänzten die weißen Segel der Hochzeitsflotte, die seinen Todfeind nach Eimeo trug. Als sie verschwunden waren, stieg er ein, nachdem er im Sand ein Zeichen gemacht hatte, das wohl dem Besitzer des Bootes gelten sollte. Ich sprang ihm nach, legte die Gewehre weg und griff zum Ruder. Er hisste das Segel; die Brise legte sich

Скачать книгу