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über die Korallen hinaus waren, erst an der Küste von Tahiti hin und nahmen dann Kurs auf Eimeo. Ich musste Potomba die Leitung des Bootes überlassen. Er landete an einer einsamen Stelle, wo sich ein wildes Pisanggestrüpp bis hart ans Wasser erstreckte. Hier legten wir die Segelstange um und zogen das Boot mit nicht geringer Anstrengung unter ein Blätterversteck. Dann drang Potomba durch das Gestrüpp vorwärts und ich folgte ihm.

      Wir erreichten eine Brotfruchtpflanzung, die uns gute Deckung gewährte, und bald gelangten wir zu einer Anhöhe, von der aus wir das nahe gelegene Tamai überblicken konnten. Wir bemerkten sogleich, dass sich der Ort in außergewöhnlicher Bewegung befand. Am Strand des Meeres lagen die Boote der vor uns angekommenen Flotte. Vor einem durch seine Größe auffallenden Haus, bis an dessen Rückwand sich ein Bambusfeld zog, bewegte sich eine große Menge Menschen, und nicht weit von uns, gerade unter der Berglehne, an der wir lagen, stand ein mit Palmenblättern und Blumen geschmückter Altar, dessen Hintergrund zwei Götzenbilder einnahmen, jedenfalls den Atua und den Oro bedeutend, und an dem vermutlich die Trauungsfeierlichkeit vor sich gehen sollte.

      „Was wirst du tun, Potomba?“, fragte ich den Ehri.

      „Ich werde warten, bis sie am Altar stehen, und mir dann Pareyma holen.“

      „Das wird dir nicht gelingen.“

      „So hole ich sie vom Boot, wenn Matemba mit ihr nach Haus fährt.“

      „Wann wird das geschehen?“

      „Heute gerade um Mitternacht; so gebietet es die Lehre der Götzendiener.“

      „Wem gehört das große Haus da drüben?“

      „Es ist das Eigentum des Priesters.“

      „Welche Gemächer bewohnen die Frauen?“

      „Pareyma hauste stets hinten nach der See zu.“

      „Hat sie noch eine Mutter oder Schwestern?“

      „Nein. Ihre Mutter ist längst tot; sie ist das einzige Kind des Priesters.“

      „Man wird sie zur Hochzeit schmücken?“

      „Ja, und dann lässt man die Braut allein, damit sie mit den Göttern sprechen soll.“

      „Der Priester weiß, dass du heute zurückgekehrt bist!“

      „Wer sagte es dir?“

      „Niemand. Siehst du nicht den Mann, der zwischen dem Haus und dem Bambus auf und ab geht? Er hat eine Keule in der Hand und soll dein Weib bewachen. Das ist ein Zeichen, dass sie nur gezwungen nach Eimeo ging.“

      „Ich wußte es. Der Ehri von Tahiti fürchtet die Leute von Eimeo nicht; er wird sein Weib öffentlich zurückverlangen.“

      Ich kannte die hiesigen Verhältnisse nicht und hielt es also für das Beste, ihn seinen eigenen Entschlüssen folgen zu lassen, doch nahm ich mir vor, ein wenig Umschau zu halten. Der Präriejäger regte sich in mir; ich legte meine Gewehre neben Potomba hin, benachrichtigte ihn von meinem Vorhaben und schlich mich an der Seite des Berges hinab bis an das Bambusfeld. Hunde oder andere Vierfüßler hatten schmale Bahnen hindurchgetreten. An der Erde fortkriechend, bewegte ich mich auf einem solchen Pfad vorwärts und gelangte so unbemerkt in die nächste Nähe des Hauses. Da ertönte ein halblaute, liebliche Frauenstimme:

      „Te uwa to te malema,

      te uwa to hinarro…“15

      Es war jene rührende Liebensklage, die ich früher von den Frauen und Mädchen der Pelew-Inseln hatte singen hören, und es ahnte mir, dass die Sängerin keine andere sei als Pareyma. Sofort regte sich das Verlangen in mir, mit ihr zu sprechen. Dieses Wagnis konnte zwar unangenehm für mich ausfallen, aber ich hatte mein Messer und die Revolver bei mir, und für den braven Ehri konnte man sich schon einer Gefahr aussetzen.

      Ich schob mich also vollends bis an den Rand des Feldes. Der Posten kam herbei und ging, obgleich es heller Tag war, ohne mich zu bemerken, an mir vorüber. Im Nu stand ich hinter ihm und schlug ihm die Faust so auf den unbedeckten Schädel, dass er besinnungslos zur Erde sank. Jetzt trat ich an die Bambuswand des Hauses, hinter der die Stimme erscholl. Ich musste einige Minuten lang suchen, ehe ich eine kleine schadhafte Stelle bemerkte, durch die ich in das Gemach schauen konnte.

      Wenn das junge Weib, das ich da erblickte, wirklich Pareyma war, so konnte ich die Liebe begreifen, die Potomba für sie hegte. Sie stand jetzt nach beendetem Gesang mitten in dem Raum und ein unaufhaltsamer Tränenstrom floss ihr über die Wangen. Sie war eine schlanke, edle Gestalt, noch voll Jugendfrische, wie man trotz dem Herzeleid sah, das ihren Körper erbeben machte. Ihre schönen, dunklen Augen waren umflort, ihre scharf geschnittenen Brauen fest zusammengezogen und ihre feinen Lippen geschlossen. Keine einzige Blume war in ihren Haaren zu bemerken, ja sie schien sogar die Kleidung und die Stoffe verschmäht zu haben, die man nach Sitte der Europäer anlegt, um die äußere Erscheinung vermeintlich zu verschönern. Ein Parau von weicher, gelbbrauner Tapa, der ihr nur wenig über die Knie herabreichte, umschloss ihre Hüften, und ein Tehei von demselben Stoff verhüllte als Überwurf ihre Schultern samt dem Oberkörper. Ihr rabenschwarzes Haar hing ihr voll, lang und lockig am Nacken hernieder, mit keiner Blüte besteckt und von keiner wehenden Faser Arrowroot gehalten. Sie war ja selber eine Blume, die man hinweggerissen hatte von dem Ort, an dem sie am schönsten blühte.

      Ich bemerkte, dass sie den Eingang durch einen Baststreifen fest verschlossen hatte, trat zwei Schritte von der Wand zurück und rief halblaut:

      „Pareyma!“

      Das Schluchzen verstummte; sie hatte mich gehört.

      „Mata ori, erschrick nicht; Potomba ist in der Nähe!“

      Ein halb unterdrückter Jubellaut ertönte von innen.

      „Wer bist du?“, hörte ich dann fragen.

      „Ein Freund des Ehri. Willst du Matembas Weib werden?“

      „Nein. Ich habe meinen Dolch und werde mich töten, wenn ich keine Rettung finde.“

      „So bist du Potomba treu geblieben?“

      „Ja. Der Vater kam und zwang mich, mit ihm zu gehen.“

      „Wer hat die Mutter des Ehri erstochen?“

      „Der Vater; sie wehrte sich gegen ihn.“

      „Liebst du ihn?“

      „Jetzt liebe ich ihn nicht mehr.“

      „Du wirst gerettet werden. Tu alles, was dein Vater von dir verlangt. Wenn es uns nicht eher gelingt, so retten wir dich auf der Heimfahrt nach Tahiti.“

      Da erscholl auf der anderen Seite des Hauses ein Tamtam; ich trat zu dem Bewusstlosen und legte einen Stein neben seinen Kopf. Steine von ähnlicher Größe waren auf dem Dach, um es gegen Wind zu sichern; es konnte einer herabgerollt sein und den Wächter getroffen haben. Dann kehrte ich auf dem angegebenen Weg wieder zu Potomba zurück.

      Er hatte von der Anhöhe aus jede meiner Bewegungen beobachten können und erwartete mich mit sichtlichem Verlangen. Ich erstattete ihm ausführlichen Bericht und wurde beinahe selber hingerissen von dem Entzücken, das meine Mitteilung in ihm hervorrief.

      Jetzt mischten sich in den Klang der Trommel die Töne zahlreicher Flöten. Jedenfalls sollte die Trauung beginnen. Pareyma wurde aus dem Haus gebracht und hinter ihr setzte sich ein langer Zug in Bewegung.

      „Siehst du Matemba an ihrer Seite, Sahib?“, fragte Potomba.

      „Ich sehe ihn.“

      „Er war mit unter meinen Verfolgern. Oro wird ihn heute Nacht verschlingen. Ich werde hier niemand ein Leid tun. Während du mit meinem Weib sprachst, habe ich hier überlegt, wie ich Pareyma wieder gewinne. Ich bin ein Christ, du hast Recht, und dieser Kris soll von keinem anderen Blut gerötet sein als von dem meiner Mutter. Dennoch sollen die Schänder meiner Ehre, die Räuber meines Glücks sterben, aber nicht von meiner Hand!“

      Der Zug kam bei dem Altar an, den Anoui, der Priester, bestieg, um seine Rede

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