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Juan.

      „Weil unsere fünf Freunde an Bord der ‚Respectable‘ mit ihren hochnäsigen Lords vermutlich nicht gerade schöne Zeiten haben werden. Sie werden sehr schnell die großen Unterschiede herausfinden.“

      Ben Brighton wußte, wovon er sprach. Er hatte genug Phantasie, um sich die Lage der fünf Seewölfe zwischen Seeleuten vorzustellen, die zum Dienst gepreßt worden waren und jetzt in Verhältnissen hausten und schufteten, gegen die das Leben auf der Schebecke geradezu paradiesisch war.

      „Hoffentlich ist Eddielein bald wieder bei uns!“ rief Old Donegal. „Mit wem soll ich mich sonst streiten?“

      „Vielleicht legst du dich mit Dad an“, sagte Philip mit verstecktem Grinsen. „Dann lohnt es sich wenigstens.“

      Jetzt, am späten Julinachmittag, kreuzte die Schebecke wieder gegen den Monsun an. Das Schiff entfernte sich, nach Steuerbord krängend, von der Küste, aber noch vor Anbruch der Dunkelheit würden die Seewölfe die Schebecke wieder auf den anderen Bug bringen.

      Hasard, der Freiwache hatte, wollte in der folgenden Nacht einen der vielen Ankerplätze aufsuchen, von denen man ihnen im Palast berichtet hatte.

      Auf einer breiten, weit nach Süden gezogenen Sandbank vor der Küste, so hatten die Berater des Maharadschas warnend berichtet, stand eine schwere Brandung, und zwar stets dann, wenn der Monsun aus Südwesten wehte. Das war heute der Fall.

      Die Ansteuerung würde nicht einfach sein, aber Dan O’Flynn hatte einwandfreie Hinweise und eine Menge guter Ratschläge zurückgelassen. Ben Brighton zog mit bedächtigen Bewegungen das Spektiv aus der Tasche und es auseinander.

      „Gut, daß wir keine Eile haben“, sagte er, dehnte seine Muskeln und schaute sich um.

      „Noch besser, daß uns kein Ruthland mehr ärgert!“ rief Old Donegal. „Und auch sonst kein Schnapphahn.“

      „Da wäre ich nicht so sicher“, erklärte Don Juan nachdenklich. „Es wäre vermessen, Freunde, wenn wir die Dhaus und Segler an den Küsten nur für harmlose Fischerboote halten würden.“

      „Keine Sorge, Juan“, beschwichtigte ihn der Erste. „Solange Hasard oder ich an Deck sind, bleiben wir wachsam wie immer.“

      „Das empfiehlt sich auch, mit elf Tonnen Zeugs im Laderaum.“

      Philip junior kraulte die Hündin im Nacken. Plymmie lag neben seinen Knien und schien sich nicht im geringsten dafür zu interessieren, was jenseits des Schanzkleides passierte. Aufmerksam, leise hechelnd, verfolgten ihre Augen die Möwen, deren Flügelspitzen im Wind zuckten.

      „Zeugs“, murmelte Ben, der häufiger an den Wert der Ladung und an die Verantwortung der Seewölfe dachte, als ihm lieb war. „Wenn das die bislang unbekannten Küstenpiraten wüßten, würden vermutlich ein paar Dutzend Schiffe hinter uns her sein.“

      „In diesem Land“, sagte Don Juan mit Entschiedenheit, „gibt es sicherlich viele Geheimnisse. Oder Vorgänge, die für uns geheimnisvoll sind. Es existieren aber ebenso viele Gerüchte und wahrscheinlich mehr Gerede als woanders. Ein Palast, das ist eine Art Jahrmarkt, wo unheimlich viel geredet wird.“

      „Was willst du mit dieser langen, schwer verständlichen Rede sagen?“ fragte Ben mit einem Gesichtsausdruck, der Don Juan zeigte, daß der Erste durchaus verstand.

      „Daß viele Halsabschneider in Bombay längst wissen, wo das Gold ist, in wessen Schiff, und wohin es gebracht werden soll. Schließlich hat Ischwar Singh seine Gründe, wenn er seiner eigenen Flotte nichts zutraut, dafür aber uns.“

      „Genau!“ rief Old Donegal. „Wir haben mehr Geschütze als die ganze verdammte Dhau-Flotte im Arabischen Meer.“

      „Das ist nur einer von vielen guten Gründen“, sagte Philip junior zufrieden.

      Ben Brighton fuhr mit gespreizten Fingern durch sein dunkelblondes Haar. Das lose Gerede der Seewölfe konnte weder die Männer noch ihn darüber hinwegtäuschen, daß die weite Fahrt im Auftrag des hellhäutigen Brahmanen Ischwar Singh ein gefährliches Abenteuer blieb.

      Fünf Mann fehlten der Seewölfe-Crew, und sie waren nicht leicht zu ersetzen. Die Ladung war kostbar, unersetzlich und sicherlich die größte Menge an edlen Metallen, die je in den dunklen Laderäumen der Schebecke gestaut worden war. Hasard hatte nur schweren Herzens den Auftrag übernommen, aber im Austausch gegen Handelsbeziehungen in solch großem und sicherem Ausmaß konnte er die Bitte des Maharadschas gar nicht ausschlagen.

      Der Erste hob ein wenig ratlos die Schultern. Auch wenn er vierundzwanzig Stunden am Tag über die Gefahren nachdachte, änderte es nichts daran, daß sie sich geschworen hatten, das Gold wohlbehalten in Madras abzuliefern.

      Daß der eine oder andere Küstenpirat davon wußte, störte ihn kaum. In diesem Punkt vertraute er den Fäusten, Pistolen, Belegnägeln und insbesondere den Kanonen des Stückmeisters.

      Piet Straaten, der Rudergänger dieser Wache, winkte dem ersten flüchtig zu.

      „Starke Strömung, Ben“, sagte er halblaut. „Sie setzt südostwärts.“

      „Wie stark, was meinst du?“ fragte Ben Brighton und beobachtete weiterhin die Küste.

      „Ein bis zwei Seemeilen. Ungefährlich, meiner Meinung nach, aber es ist deutlich zu merken.“

      „Alles klar“, entgegnete der Erste. „Solange wir in Küstennähe segeln, hat die Stromversetzung wenig Einfluß auf unsere Ziele.“

      „Okay.“

      Piet nickte und wechselte den Griff seiner Fäuste um die Pinne. Der Himmel zeigte das gewohnte Bild der Monsunwolken, die vor der Sonne vorbeitrieben und gewaltige Schatten über Meer und Land warfen. Im Seegang hob und senkte sich der Bug des Schiffes. Gleichmäßig laut schlugen die Wellen gegen die Planken.

      Die Luft war frisch, ab und zu sprühte leichter Salzwasserdunst in die Gesichter der Seewölfe. Das Deck, geteilt in sonnenhelle und tief schwarze Flächen, in heiße Planken und Schattenzonen, war trocken und aufgeklart. Weit und breit war nicht ein Schiff zu sehen, von dem die Crew sich bedroht fühlen konnte.

      „Hoffentlich“, sagte Ben Brighton am Ende seiner langen, schweigenden Überlegungen, „ist der nächste Morgen ebenso friedlich wie der heutige Tag. Es wäre wünschenswert.“

      Die Möwen, die über dem Kielwasser die Schebecke verfolgten, stießen plötzlich klagende Schreie aus und flogen hinüber nach Osten, dem Land entgegen, den Buchten und hohen Palmen.

      Guasils Karawane war seit einundzwanzig Tagen und Nächten unterwegs. Die Menschen waren ebenso müde wie die Lasttiere. Auf der Küstenstraße nach Bombay lagen noch viele weitere Nächte und Tage vor den Händlern, ihren Dienern sowie den anderen Frauen und Männern, die zur Karawane gestoßen waren.

      Immer wieder schlossen sich einzelne Gruppen dem Kaufmann an, weil sie sich im Schutz der Wachen sicherer fühlten. Wenn sie das Ziel erreicht hatten, gingen sie wieder, so einfach und ruhig, wie sie erschienen waren und um Schutz gebeten hatten.

      Guasil sah nach dem Stand der Sonne. In vier Stunden würde sie ihren Weg über den Himmel beendet haben. Er wandte sich an Shari, der auf der anderen Seite des schwer bepackten Esels durch den Staub schlurfte und nach Wegelagerern ausspähte.

      „Erreichen wir heute noch ein Dorf, Shari?“ fragte er und spuckte gelbroten Staub ins Gras neben dem breiten Weg.

      „Nein. Oder nur, wenn wir laufen bis zur Nacht“, antwortete der ortskundige Wächter.

      „Dann suchen wir uns ein ruhiges Lager“, sagte Guasil und rückte das breite Schweißband zurecht. „War ein heißer Tag heute.“

      Er trat zwei Schritte zur Seite und ließ die Träger, die Esel und die Begleiter seiner Karawane an sich vorbeigehen. Aufmerksam musterte er jede Einzelheit. Sie konnte über Gewinn oder Verlust entscheiden. Die Esel ließen die Köpfe hängen. Im staubbedeckten Fell zeichneten sich breite Spuren von Schweiß ab.

      Hoffentlich

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