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den drei Donner-Töchtern ist sie die energischste: Nach der obligaten Klosterschule studiert Franziska Sprachen und macht den Dr. phil., nach dem Tod des Vaters läßt sie sich ihr Erbteil auszahlen und schaut sich in der Welt um. Im Gegensatz zur Mutter, die, von Geburt Italienerin, ihre Opernkarriere der Ehe mit dem Inzersdorfer Sodawasserfabrikanten Josef Donner geopfert hat, ist sie, die 1900 im Zeichen der Zwillinge Geborene, fest entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen.

      Beim Völkerbund in Genf werden junge Frauen wie sie gebraucht: Die »Belles de la Societé des Nations« sind ein Mix aus Dolmetscherin, Diplomatin und Hostess. Eine der Delegationen, auf die Franziska Donner angesetzt wird, ist ein Häuflein Koreaner, die festen Willens sind, ihre zur japanischen Kolonie geschrumpfte Heimat eines Tages in die Unabhängigkeit zu führen. Ein aussichtsloser Kampf: Niemand hört ihnen zu, wenn sie ihre patriotischen Parolen vom Stapel lassen.

      Ihr Anführer ist ein gewisser Dr. Syngman Rhee; der Siebenundfünfzigjährige firmiert offiziell als Rektor der koreanischen Schule von Honolulu, doch sein eigentliches Interesse gilt der Gründung eines autonomen Staates Korea nach westlich-demokratischem Vorbild.

      Dr. Syngman Rhee und die ihm zugeteilte Franziska Donner kommen einander während dieser Genfer Verhandlungsrunde anno 1932 auch menschlich näher: Noch im selben Jahr geht eine Verlobungsanzeige nach Wien, und am 8. Oktober 1934 läßt sich das ungleiche Paar – der Altersunterschied beträgt 25 Jahre – ins New Yorker Trauungsregister eintragen. Von Amerika aus setzt Syngman Rhee seine Agitation für ein souveränes Korea fort, und wer ihn dabei am temperamentvollsten unterstützt, ist seine eigene Frau.

      Träumt die ehrgeizige junge Wienerin davon, eines Tages First Lady des ostasiatischen Halbinselreichs zu sein?

      Jedenfalls scheint sie unerschütterlich an die eminent schwierige Mission ihres Mannes zu glauben, und die Opfer, die er dafür gebracht hat und bringt, sind für sie nicht Entmutigung, sondern im Gegenteil treibende Kraft. Es imponiert ihr, daß der entfernte Abkömmling der seit dem 14. Jahrhundert in Korea herrschenden Dynastie sich von seiner traditionellen Erziehung gelöst, die methodistische Mittelschule von Seoul absolviert, sich mit 20 dem republikanischen »Unabhängigkeitsclub« angeschlossen, noch als Student eine eigene Zeitung gegründet und für seine Auftritte als Demonstrant und Versammlungsredner mit schwerer Kerkerhaft gebüßt hat.

      Das Urteil lautet auf lebenslänglich; die Folterungen, denen er ausgesetzt wird, hinterlassen Narben, die ihm bis ans Ende seiner Tage erhalten bleiben werden. In der Zelle setzt er sein politisches Manifest auf und bereitet sich für den Übertritt zum christlichen Glauben vor; 1904 gelingt ihm, als vermeintlich Toter eingesargt, die Flucht aus dem Gefängnis. Der Neunundzwanzigjährige geht nach Amerika ins Exil, studiert an den Universitäten von Harvard und Princeton und organisiert gleichzeitig den Widerstand gegen die seine Heimat unterjochenden Japaner. Als die gewaltlose Rebellion seiner Landsleute im März 1919 in einem Blutbad endet, rufen er und seine Mitstreiter eine Exilregierung aus – mit Syngman Rhee an der Spitze. Aber weder bei der Pariser Friedenskonferenz noch beim Völkerbund noch in Washington dringt die Korea-Lobby mit ihren Intentionen durch. Erst nach 1945 – mit der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg – schlägt dem mittlerweile Siebzigjährigen die Stunde: Die südkoreanische Nationalversammlung wählt am 19. Juli 1948 Syngman Rhee zum 1. Präsidenten der frisch gegründeten Republik.

      Franziska Rhee-Donner betritt zum erstenmal koreanischen Boden. Und wird fortan, bei offiziellen Auftritten stets die obligaten zwei Schritte hinter ihrem Mann schreitend, zu dessen engster Beraterin. Vorsichtig leitet sie auch die eine und andere eigene Reform ein, will die Frauen ihres Gastlandes von ihrem noch immer sklavenähnlichen Dasein befreien. Um den Hunger einzudämmen, stampft sie eine weltweit operierende Hilfsaktion aus dem Boden. Auch auf Propaganda versteht sie sich vorzüglich: Über die Zeitungen des Landes läßt sie eine angeblich uralte Weissagung verbreiten, eine weiße Frau werde ins Land kommen und ihnen ewiges Glück und Frieden bescheren. Aber nicht alle wissen ihr für ihre Aktivitäten Dank: Von den einen als der »Engel von Korea« gepriesen, sehen die anderen in der seltsamen Fremden einen bösen Dämon, und vor allem, als Syngman Rhee, für weitere drei Regierungsperioden wiedergewählt, mit den Jahren zu immer fragwürdigeren Mitteln greift, um seine Macht abzusichern – man spricht von Wahlschwindel, willkürlicher Verfassungsänderung und Unterschlagung öffentlicher Gelder –, gerät auch sie ins Schußfeld der Opposition.

      Am 27. April 1960 wird Syngman Rhee zum Rücktritt gezwungen; wie schon in früheren Jahren ist es Hawaii, das dem entmachteten Paar Asyl anbietet. Den 90. Geburtstag verbringt der Ex-Präsident, nun schon teilweise gelähmt, in einem Sanatorium in Honolulu; am 19. Juli 1965 erliegt er einem Schlaganfall. Seinen letzten Willen, in heimatlicher Erde bestattet zu werden, kann ihm die Witwe erfüllen, nur an der Zeremonie in Seoul selber teilzunehmen, scheitert am Einspruch der Ärzte: Schon bei der Totenmesse auf Hawaii ist sie ohnmächtig zusammengebrochen. Franziska Rhee-Donner erholt sich jedoch wieder, kann ein letztes Mal ihre Verwandten und Freunde in Wien besuchen, und auch ihr größter Wunsch wird wahr: ihren Lebensabend in Korea zu verbringen. 1970 kehrt sie nach Seoul zurück und bezieht wieder die alte Villa auf dem »Hügel der Pflaumenblüte«, in deren Garten jener Pavillon steht, in dem die ersten Besprechungen der 1947 heimgekehrten Exilpolitiker stattgefunden haben und der seither nicht nur in ihren Augen als die Geburtsstätte des neuen Korea gilt.

      Mit ihrem bescheidenen Lebensstil gelingt es der Koreanerin aus Wien, aufs neue die Herzen ihrer ehemaligen Untertanen zu erobern: Sie kommt ohne Personal aus, kocht selbst, wäscht selbst, hält sich von allem gesellschaftlichen Gepränge fern, verläßt kaum noch das Haus. Nur jeden Freitag tritt sie den Weg zum Friedhof an und verrichtet vor dem Grabmal ihres Mannes ein stilles Gebet. 27 Jahre überlebt sie ihn, knapp zweiundneunzig-jährig stirbt Franziska Rhee-Donner 1992 in Seoul.

      Für Dreizehnlinden in den Tod

       Andreas Thaler

      Von den beiden Söhnen des Loybauern ist er der jüngere: Sein Bruder erbt den Hof, er selber soll studieren. Doch auch Andreas zieht’s zur Landwirtschaft, und so verdingt er sich nach dem Gymnasialabschluß bei den Franziskanern in Hall für einige Jahre als Knecht. Und bleibt in der Heimat: Die Thalers zählen zum Tiroler Urgestein. Von ihrem stattlichen Besitz in der Wildschönau geht der Blick bis ins Tal der Kundler Ache und zum Gipfel der Hohen Salve.

      Auch das Boarstadlgut, das der junge Thaler erwirbt, ist ein Bergbauernhof. Andreas macht seine Sache gut – so gut, daß die Oberauer den erst Dreißigjährigen zum Bürgermeister wählen. Und als der Erste Weltkrieg vorüber ist, entsenden ihn die Landgemeinden des Bezirks Kufstein in den Tiroler Landtag: Keiner vertritt die bäuerlichen Interessen so engagiert wie er, auch ist er ein überzeugender Redner. So klettert er Stufe um Stufe die Karriereleiter hinauf: Bauernbundpräsident, Nationalrat der Christlich-Sozialen, schließlich Landwirtschaftsminister. Nicht weniger als vier Bundeskanzler holen ihn in ihr Kabinett: Ramek, Seipel, Vaugoin und Ender.

      Seine Landsleute, die ihn wohl schon ganz nach Wien abgedriftet sehen, tun ihm freilich unrecht: Nichts bedrückt Andreas Thaler mehr als die Not der Tiroler Bergbauern, vor allem jener vielen kleinen, die in den Krisenjahren um 1930 mit Preisverfall und Steuerrückständen kämpfen, ja am Ende vielleicht gar ihren Hof abstoßen müssen. Das Schlagwort von den »weichenden Bauernsöhnen« kommt auf – wohin mit all denen, die in der Heimat keine Zukunft für sich und die ihren sehen?

      Andreas Thaler blickt weit über die Grenzen des Landes, ja des Kontinents hinaus und startet 1931 zu einer Sondierungsfahrt nach Südamerika. Als amtierender Minister weiß er Sponsoren aufzutreiben, die es ihm ermöglichen, vom Flugzeug aus Bodenbeschaffenheit und Verkehrsverhältnisse möglicher Siedlungsgebiete zu erkunden – zuerst in Brasilien und Paraguay, im Jahr darauf auch in Argentinien und Chile. Was ihm, dieser charismatischen Verkörperung von Idealismus, Tatkraft und einem Schuß Pionierromantik, vorschwebt, ist die Gründung einer Tiroler Bergbauernsiedlung in Übersee.

      Am verheißungsvollsten verlaufen die Verhandlungen mit den brasilianischen Behörden: Die kaum besiedelte Region um Cruzeiro im Südstaat Santa Catarina bietet für bäuerliche Auswanderer ideale Verhältnisse. Hier läßt sich bei sorgfältiger Rodung fruchtbares

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