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      Ingeborg blieb zu Hause – wenn es denn ein Zuhause für sie gab. Sie schwamm ein paar Runden im Pool, dann wollte sie sich auf einer der breiten Liegen ausstrecken, die dort standen.

      Aber plötzlich hatte sie keine Ruhe mehr.

      Es fuhr ein Bus nach Lake-City. Wie, wenn sie die Abwesenheit ihrer beiden nutzte, um selbständig etwas zu unternehmen. Gwendolyn Roberts aufsuchen, zum Beispiel.

      Ihr Herz klopfte rascher bei diesem Gedanken. Aber vermutlich war sie gar nicht im Büro anzutreffen am Vormittag. So eine Frau war sicher viel unterwegs… Einfach mal hinfahren, und alles andere dem Zufall überlassen.

      Sie fand die Adresse im Telefonbuch. Sie stieg vom Bus in ein Taxi um und gab sie dem Chauffeur an. Er hielt vor einem Haus, in dem sich mehrere Büros befanden, unter anderem das von Gwendolyn Roberts.

      Eine Sekretärin empfing sie.

      »Ja, Miß Roberts ist da. Haben Sie einen Termin?«

      »Nein. Ich möchte sie in einer privaten Angelegenheit sprechen.«

      »Wen darf ich melden?«

      »Frau Basler«, sagte Ingeborg mit fester Stimme.

      Zwei Minuten später stand sie im Türrahmen, Gwendolyn Roberts, schlank, schlicht gekleidet in Rock und Bluse, das Gesicht mit der hohen Stirn und dem großzügig geschwungenen Mund etwas blaß, das blonde Haar kurz und glatt zurückgekämmt.

      Nein, das war kein Vamp, keine Person, die es darauf anlegte, einer Frau den Mann wegzunehmen. Ingeborg, deren Sicherheit bisher nur gespielt war, wurde etwas ruhiger.

      »Bitte kommen Sie«, sagte Gwendolyn Roberts mit einer einladenden Geste und forderte die Besucherin auf, neben ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Aber Ingeborg zog es vor, stehenzubleiben.

      »Ich nehme an, Sie werden wissen, warum ich Sie aufsuche, Frau Roberts«, begann sie.

      »Ja. Ich finde es allerdings erstaunlich, daß Bertold Ihnen meinen Namen und meine Adresse genannt hat«, bemerkte Gwendolyn.

      »Das hätte er wohl niemals getan. Ich habe es durch einen Zufall erfahren. Er hat mir nur gesagt,wie Sie zueinander stehen, und daß es für ihn kein Zurück mehr geben soll.« Mit einem langen Blick sah sie die andere an. »Warum haben Sie es dazu kommen lassen? Sie wußten doch, daß er verheiratet war.«

      Gwendolyn Roberts schüttelte den Kopf. »Ich wußte es lange nicht. Wie sollte ich die persönlichen Verhältnisse meines Auftraggebers kennen. Er trug auch keinen Ehering.«

      »Es gibt mehr Männer, die keinen tragen. Bertold ist er irgendwann abhanden gekommen. Und als Sie es dann wußten? Sie sehen nicht aus, als wären Sie skrupellos genug, sich über moralische Bedenken hinwegzusetzen.«

      »Ich würde auch keine Ehe zerstören, Frau Basler. Aber wenn diese Ehe doch nur noch auf dem Papier besteht…«

      »Hat er Ihnen das gesagt?« fiel Ingeborg ihr ins Wort, während eine Röte in ihre Wangen stieg.

      »Ja. Und dann soll man sich nicht daran klammern, wenn doch keiner mehr glücklich dabei sein kann. Der Sohn soll seinen Vater deshalb nicht verlieren. Er wird in seinen Ferien immer bei uns willkommen sein. Mit dieser Regelung werden Sie als Mutter hoffentlich einverstanden sein.«

      Mit welcher Selbstverständlichkeit sie redete. Ingeborgs Atem beschleunigte sich.

      »Für Sie ist wohl alles schon recht klar, Frau Roberts. Sie sind doch eine kluge Frau, denke ich. Aber daß mein Mann Sie angelogen haben könnte, kommt Ihnen wohl nicht in den Sinn?«

      »Wie meinen Sie das?« fragte die Architektin irritiert.

      Ingeborg straffte sich. »Ich liebe meinen Mann, und es ist nicht so, daß unsere Ehe nur noch auf dem Papier bestand. Sie war gut und in Ordnung, wenn auch ein himmelhochjauchzendes Glück erster Verliebtheit einer ruhigen Beständigkeit weicht im Laufe vieler Jahre. An ein Auseinandergehen haben wir nicht gedacht, auch nicht, als sich unsere Lebensverhältnisse vor einigen Monaten grundlegend änderten. Jetzt auf einmal soll alles vorbei sein? Das können Sie nicht wollen.«

      Gwendolyn, die ihr gegenüberstand, hatte die Arme über die Brust gekreuzt, als sei ihr kalt geworden.

      »Er wollte es«, sagte sie. Sie tat ein paar Schritte in den Raum hinein, der von kühler, moderner Sachlichkeit geprägt war und nach Arbeit aussah. Dann wandte sie sich wieder nach der Besucherin um. »Er soll es mir selber sagen, wo die Wahrheit liegt, Frau Basler. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu tun.«

      *

      Sie waren am Abend erst spät zurückgekommen. Uli erzählte viel und ausführlich von dem Geschehenen und Erlebten, dann zog sich jeder in sein Zimmer zurück. Erst am nächsten Tag erzählte Ingeborg ihrem Mann, wie sie die Zeit des Alleinseins genutzt hatte.

      Bertold hatte die Farbe gewechselt.

      »Was wolltest du bei ihr?« fragte er schroff, mit geröteter Stirn.

      »Sie kennenlernen«, sagte Ingeborg, »und einiges richtigstellen. So habe ich ihr gesagt, daß unsere Ehe nicht schlechter war als hunderttausend andere auch. Und daß ich dich immer noch liebe, Bertold, auch wenn ich es lange nicht mehr gesagt habe.«

      »Wie hat Gwendolyn darauf reagiert?« fragte er mit angehaltenem Atem, als gäbe es nichts Wichtigeres für ihn.

      »Sie will es von dir selber hören.« Ingeborg streckte ihre Hand nach ihm aus. Aber mutlos ließ sie sie wieder sinken angesichts seiner verschlossenen, abweisenden Miene. Dennoch sagte sie flehend: »Bleib bei uns, Bertold. Verkaufe das Haus, oder vermiete es. Es bringt uns kein Glück, auch dir nicht. Komm in die Heimat zurück.«

      »Nein«, sagte er hart, und er wiederholte: »Nein, Ingeborg. Ich bleibe hier. Es bleibt dabei, wie wir es besprochen haben. Verzeih mir, aber ich kann nicht anders.«

      Sie mußten es nun dem Sohn sagen, daß seine heile Welt in Stücke brach.

      »Wieso wollen wir schon heimfliegen?« fragte er bestürzt. »Meine Ferien sind noch nicht zu Ende.«

      »Dein Vater kann uns hier nicht brauchen«, sagte seine Mutter herb.

      Ungläubig legte er den Kopf zurück. »Warum sagst du so was? Ich versteh’ mich doch prima mit ihm.«

      »Aber ich nicht mehr, Uli«, brachte Ingeborg etwas mühsam hervor.

      Der Junge, er war schon beinahe so groß wie sie, runzelte die Stirn. »Ich habe schon gemerkt, daß zwischen euch irgend was nicht stimmt. Was habt ihr denn? Du kannst dich hier nicht richtig eingewöhnen, nicht?«

      »Ich versuche es erst gar nicht. Weil ich nämlich nie mehr hierher kommen werde.«

      »Wieso?« fragte Uli verständnislos. »Das gehört uns doch jetzt. Wollen wir denn nicht eines Tages ganz hierbleiben, wenn Papa das mit der Schule für mich geregelt hat? Ich finde es toll hier.«

      »Nein«, sagte Ingeborg tonlos. »Steven-House gehört deinem Vater. Er will mit einer anderen Frau hier leben, die er kennengelernt hat. Dafür will er sich von uns trennen.«

      »Das ist nicht wahr!« rief Uli aus. Helle Röte schoß in sein schmales Jungengesicht. »Das glaube ich einfach nicht!«

      »Frag ihn selber«, sagte seine Mutter.

      Uli richtete sich steil empor und stürmte hinaus. Er fand seinen Vater am Pool, wo er gerade aus dem grünschillernden Wasser stieg.

      »Ist es wahr, daß du uns hier nicht mehr haben willst?« stieß er hervor.

      »Warte, bis ich mich angezogen habe, Uli. Dann gehen wir ein Stück zusammen, und ich werde dir alles erklären.«

      Ein Vierzehnjähriger war kein Kind mehr. Er hörte von Klassenkameraden, daß Eltern auseinandergingen, weil sie sich nicht mehr vertrugen, es nur noch Streit und böse Worte gegeben hatte. Aber bei ihnen war das doch nicht der Fall gewesen! Sie hatten doch in Frieden zusammen gelebt!

      Jetzt

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