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an ihren kleinen Freund Felix hatte die ferne Erinnerung an ihn wieder lebendig werden lassen.

      Weil damals ihr Leben auch im Umbruch gewesen war, hatte sie es mehr oder weniger nur am Rande wahrgenommen, was drüben in der Villa geschah. Jedenfalls hatte es Aufregungen genug gegeben.

      Seine Frau Bianca hatte sich das Handgelenk gebrochen, was für die Pianistin eine Katastrophe war. Sie würde nicht nur lange pausieren müssen, sondern in Zukunft wohl überhaupt keine großen Konzerte mehr geben können. Es hatte aller Liebe und des Zuspruchs ihres Mannes bedurft, sie wieder aufzurichten aus ihrer Niedergeschlagenheit.

      »Mama, wann bist du denn hier fertig mit deiner Bügelei?« unterbrach Felix ihren Gedankengang.

      »Gleich, mein Schatz. Warum?« Sorgfältig legte Beate ein Hemd ihres Mannes zusammen.

      »Hm, weil ich nämlich schon bald wieder Hunger hab’.«

      »In einer Stunde gibt es Mittagessen, dann kommt auch der Papa. Nimm dir inzwischen einen Apfel.« Sie zog den Stecker des Bügeleisens heraus. »Felix, weißt du eigentlich noch, wie das war, als wir uns vor dem Umzug von den Fabricius’ verabschiedeten? Ich mußte eben daran denken, wie lange das schon her ist.«

      »Klar weiß ich das noch ganz genau.« Felix nickte bekräftigend. »Da war Sandras Brüderchen unterwegs, und sie hat von nix anderem geredet, als daß sie es schon fühlen konnte im Bauch ihrer Mutter. Von dem Daniel erzählt sie mir auch immer, wenn ich sie mal anrufe. Mit dem ist sie ganz verrückt.«

      »Es war ein Glück für Sandra, daß sie noch ein Geschwisterchen bekam, Felix«, sagte Beate ernst. »Sie hatte doch nie ein richtiges Familienleben kennengelernt.«

      »Ist ja wahr«, mußte Felix zugeben. »Und die Frau Fabricius ist da auch besser drüber weggekommen, daß sie wegen ihrer Hand nicht mehr spielen konnte. Da mußte sie sowieso zu Hause bleiben für das Baby«, schloß er altklug.

      Beate nickte nachdenklich. Sie überlegte, ob eine Frau, die jahrelang herumgereist, gefeiert und umjubel worden ist, nicht etwas vermißte, wenn ihr Leben sich nur noch auf den Kreis der Familie beschränkte.

      Aber die Zeit der Triumphe war ja nun auch für sie schon lange vorüber, und sie würde sich daran gewöhnt haben, mit der Liebe zu Mann und Kindern zufrieden zu sein. Und überhaupt – was gingen sie die ehemaligen Nachbarn an! Wenn die Kinder nicht noch losen Kontakt hielten, wüßte man nichts mehr voneinander.

      Sie räumte zusammen und begab sich in die Küche. Fisch kam heute auf den Tisch, frisch vom Markt.

      »Nimmst du mich nachher mit zum Hafen, Papa?« fragte Felix, als sie um den Tisch saßen und es sich schmecken ließen.

      Er strich doch gar zu gern dort herum, wo die großen Schiffe lagen und unweit sein Vater in einem großen Haus seine Arbeit tat. Manchmal holte er ihn dort auch ab, und sie besichtigten so einen Pott, wobei er sich vom Papa alles genau erklären ließ. Denn der war schließlich jahrelang zur See gefahren und kannte sich aus.

      »Mal sehen«, antwortete Nils. »Die Mutti sieht es ja nicht so gern, wenn du dich dort stundenlang allein herumtreibst.«

      »Ich treib mich nicht rum«, widersprach sein Sohn. »Ich guck mir nur an, was da so vor sich geht, und ich studiere die Schiffe, den Aufbau, die Takelage und so.«

      »Und siehst dich schon als zukünftigen Schiffsbauingenieur«, warf sein Vater mit gutmütigem Spott ein.

      »Klaro«, sagte Felix und rutschte vergnügt auf seinem Stuhl hin und her.

      »Dann mußt du aber erst mal bessere Noten schreiben, mein Sohn. Dein letztes Zeugnis war nicht gerade eine Erbauung.«

      Felix machte eine pfiffige Miene. »Schätze, daß du auch nicht nur Einser nach Hause gebracht hast, wo dich doch immer nur die Seefahrt interessiert hat. Hast du mir doch erzählt.«

      Nils sah seine Frau an. »Was soll ich dem Lauser nur darauf antworten, Beate?«

      »Vielleicht besser schweigen«, lachte sie, denn sie wußte, daß er die Schule gehaßt hatte.

      »Hahaha«, machte Felix und schob sich ein Salatblatt in den Mund.

      »Von Respekt keine Spur«, behauptete Nils grimmig.

      Freilich nahm er ihn dann doch mit, als er wieder zum Dienst mußte. Sie machten sogar noch einen Umweg, um Felix’ Freund Holger abzuholen, der schon dreizehn war und in dieselbe Schule ging. Aber jetzt waren Schulferien, und die Freiheit mußten sie genießen.

      Die daheimgebliebene Beate nahm sich den Novellenband vor, den sie aus dem Englischen übersetzte. Sie hatte die ihr liebgewordene Tätigkeit nie ganz aufgegeben, es war schließlich auch ihr Beruf. Nur hatte sie es seit ihrer Heirat nicht mehr nötig, jeden Auftrag anzunehmen, auch gar nicht die Zeit, mit ihrem Haushalt und ihren beiden Lieben. Nils hatte überhaupt nicht viel Verständnis für diese Art von geistiger Arbeit, aber: Du hast eben Köpfchen, pflegte er zu sagen, und seine blauen Augen lachten dabei.

      Sie hatte zwei, drei beschriebene Manuskriptblätter neben der Schreibmaschine liegen, als das Telefon läutete.

      Ihre langjährige Freundin Ingeborg Basler war am Apparat. Obwohl sie nun schon seit langer Zeit einige hundert Kilometer trennten, waren sie doch immer herzlich verbunden geblieben, so wie damals, als sie noch in einer Stadt wohnten und Freud und Kümmernisse miteinander teilten.

      »Wir wollen euch auch in diesem Jahr wieder heimsuchen«, sagte Ingeborg in scherzhaftem Ton. »Ich bin schon beim Kofferpacken!«

      »Macht ihr doch wieder Ferien auf der Insel Amrum?« fragte Beate erfreut. »Ihr wolltet doch eigentlich nach Süden?«

      »Ja, aber du weißt ja, Berthold ist ein Gewohnheitstier. Dort kennt er jeden Weg und Steg und braucht sich nicht auf etwas Neues einzustellen. Wir gehen wieder in dieselbe Pension.«

      »Das hat den Vorteil, daß wir uns wiedersehen, Ingeborg. Wir werden uns ein paar schöne Stunden zusammen machen, und sicher werden wir euch an einem Wochenende wieder besuchen. Felix wird sich auch auf Uli freuen.«

      »Ja, der Uli ist dieses Jahr in die Höhe geschossen«, erzählte Ingeborg von ihrem Sohn, »lang und dünn ist er geworden. Die Seeluft wird ihm guttun.«

      Sie plauderten noch ein wenig hin und her, bevor sie sich mit einem froh betonten »Auf Wiedersehen!« verabschiedeten.

      Felix warf die Arme in die Luft, als er erfuhr, daß die Baslers auf der Durchreise wieder bei ihnen Station machen würden.

      »Au, dann darf ich vielleicht wieder ein paar Tage bei denen sein, ja? Das war doch voriges Jahr super. Auf ihrer Rückreise können sie mich dann wieder hier abliefern.«

      »Du meinst, daß wir dich mal ein paar Tage los sind«, bemerkte sein Vater augenzwinkernd. »Aber dann haben die dich am Hals.«

      Felix nahm Boxerhaltung an, als wollte er auf ihn losgehen. Aber Nils schnappte ihn sich, hob ihn empor, als wäre er ein Federgewicht, und schwenkte ihn herum, daß eine Lampe ins Wackeln geriet.

      »Oh, ihr zwei«, sagte Beate. »Jetzt wollen wir erst mal abwarten, was unsere Freunde dazu sagen.«

      »Die haben mich gern am Hals«, behauptete Felix und gab seinem Vater doch noch einen kleinen Knuff.

      Sie kamen zwei Tage später, Ingeborg und ihr Mann Berthold und Sohn Ulrich, Uli genannt. In der Wohnung herrschte auf einmal Leben, Lachen, Reden.

      »Mönsch«, staunte Felix, der tatsächlich zu seinem »alten« Freund Uli aufsehen mußte, »willst vielleicht auch ’n Leuchtturm werden?«

      »Werd du erst mal dreizehn, dann bist du auch nicht mehr so ein Knirps«, sagte Uli gönnerhaft, aber er lachte dabei.

      Den Knirps überhörte Felix großzügig. Er wußte, daß er zwar noch kleiner, aber bestimmt kräftiger war als der magere Uli. Sowieso konnte er es mit jedem aufnehmen.

      Zu einem vertraulichen Gespräch kamen die beiden Freundinnen nicht, dafür war die Zeit zu

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