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sah Nils vor sich nieder. »Wenn ich mir vorstelle, was da noch auf uns zukommen wird«, sagte er mit schmalen Lippen.

      Beate versuchte ein zages Lächeln. »Bis es soweit sein wird, hast du dich vielleicht an den Gedanken gewöhnt.« Sie trat auf ihn zu, legte ihm mit einer bittenden Gebärde die Hand leicht auf den Arm. »Nils, du hast Felix erst kennengelernt, als er schon fünf war. Es ist dir viel entgangen… Seine ersten Schritte, diese ganze Entwicklung vom Baby zu einem verständigen Menschenkind. Das alles könntest du nun noch erleben mit unserem zweiten Kind. Es ist auch viel Freude dabei, glaube mir.«

      Aber auch bei diesen sanft geäußerten Worten hellte sich sein Gesicht nicht auf. Er wandte sich ab, so daß ihre Hand herabsank.

      »Ich habe die Seefahrt nicht aufgegeben und sitze die meiste Zeit in einem Büro, damit ich zu Hause Kindergeschrei und Windelwechsel erlebe«, murrte er.

      Beate war zusammengezuckt. Es war das erste Mal in all diesen Jahren, daß sie einen Unwillen über seine jetzige Tätigkeit herauszuhören glaubte.

      »Bist du denn nicht mehr gern dort?« fragte sie bang. »Du wolltest doch an Land bleiben und ein geregeltes Familienleben führen.«

      »Ja, deinetwegen«, sagte Nils kurz.

      »Ich dachte: unseretwegen«, erwiderte sie mit enger Stimme.

      »Das sind Wortklaubereien«, fuhr er sie an. »Natürlich unseretwegen. Aber wenn nun nächstes Jahr unser ganzes Leben wieder auf den Kopf gestellt wird, kannst du nicht verlangen, daß ich vor Entzücken an die Decke springe. Und Felix, hm«, er stieß die Luft durch die Nase aus, »der wird sich auch umgucken.«

      Beate blieb still.

      Sie blieb die ganze nächste Zeit stiller als sonst. Sie lenkte sich von grübelnden Gedanken mit dem Fortführen ihrer Übersetzungsarbeiten ab. Felix, der nun wieder in die Schule mußte, fiel es schließlich doch auf.

      »Hast du was, Mama?« fragte er. »Du bist manchmal so ernst, auch mit Papa. Wir tun dich doch nicht ärgern?« Dabei blinzelte er verschmitzt.

      »Nein, durchaus nicht, mein lieber Junge. Ich muß nur soviel nachdenken, weißt du.«

      »Mit deinem Buch? Ist das diesmal so ein schwerer Text?«

      »Ach, es geht. Eigentlich wie immer…«

      »Du machst das schon, Mami. Da laß dir man keine grauen Haare darüber wachsen«, sagte Felix tröstend.

      »Das ist es ja auch gar nicht.« Beate gab sich innerlich einen Ruck. »Ich muß dir etwas sagen, Felix!«

      Der Junge horchte auf. Das klang, fand er, so bedeutungsvoll. »Ja, was denn, Mama?«

      »Wir bekommen noch ein Baby, Felix. In gut einem halben Jahr wirst du noch einen kleinen Bruder oder ein Schwesterchen haben.«

      Ihr Sohn machte runde Augen. »Jetzt, wo ich schon so groß bin?« wunderte er sich.

      »Ja, der Altersunterschied wird groß sein«, gab seine Mutter zu. »Es war auch nicht geplant, Felix.«

      »Will Papa das denn?« fragte Felix. »Der macht nämlich jetzt auch manchmal so’n Gesicht.«

      Beate hob die Schultern. »Der Papa muß sich erst an den Gedanken gewöhnen, daß sich dann einiges bei uns ändern wird«, sagte sie etwas gepreßt.

      Felix schob die Augenbrauen zusammen. »Hm, Mama, und das geht mir jetzt genauso, ehrlich gesagt.«

      »Laß dir Zeit.« Sie strich ihm über das dichte blonde Haar. »Paß mal auf, wenn es erst da sein wird, werden wir uns noch fragen, wieso wir uns nicht gleich darauf freuen konnten.«

      »Hm«, machte Felix wieder, und das klang doch recht zweifelnd.

      *

      Bianca Fabrizius nahm den Strauß zartgelber Teerosen entgegen, den ein Bote für sie abgegeben hatte. Als sie die Karte las, die darangeheftet war, flog ein Lächeln über ihr Gesicht.

      Sehr verehrte gnädige Frau,

      erst jetzt habe ich durch einen Zufall vernommen, daß Sie nach längerer Pause wieder Konzerte geben. Ich erinnere mich an die vielen Abende, an denen Sie mich mit Ihrer Musik verzaubert haben, und ich wünsche mir nichts mehr, als Sie wieder einmal bewundern zu dürfen, wo immer es auch sei.

      Ihr sehr ergebener

      Rudolf v. Berlingen

      Bianca gab den wundervollen Strauß in eine passende Kristallvase, die sie auf den Flügel in ihrem Musikzimmer stellte. Dort sah ihn ihr Mann durch die offenstehende Tür, als er aus der Klinik kam.

      »Oh, woher kommt denn diese Pracht?« äußerte er bewundernd.

      »Von einem alten Verehrer, dem Baron Berlingen«, antwortete Bianca.

      »Ist das nicht jener, der dir immer von Stadt zu Stadt gefolgt war, um keines deiner Konzerte zu versäumen?«

      »Genau dieser.« Bianca machte eine leichte, anmutige Bewegung. »Er nimmt wohl an, daß ich wieder in der Öffentlichkeit auftrete. Dann würde er sich auf der Stelle wieder auf Reisen begeben.« Sie lachte ein wenig.

      »Er muß viel Zeit haben, der Herr Baron«, bemerkte Clemens Fabricius.

      »Ja, allerdings. Er ist ein etwas skuriler Typ, sitzt auf seinem ererbten Gut irgendwo im Holsteinischen, reitet seine Pferde und malt nebenbei ein bißchen.«

      »Und hat die große Bianca Fabricius doch nicht vergessen«, vollendete ihr Mann lächelnd.

      Bianca lächelte nicht mehr. Ihr Blick verlor sich.

      »Es haben mich viele nicht vergessen«, sagte sie. »Nur daß sie mich jetzt nur noch zu Hause vom Platten- oder CD-Spieler hören können.«

      »Schmerzt dich das immer noch?« Auch Clemens war ernst geworden.

      »Das wäre zuviel gesagt«, wich seine Frau aus. »Was nicht geht, geht eben nicht. Ich habe ja gespürt, daß meine Hand nicht mehr dieselbe Kraft wie früher hat. Viel länger hätte ich nicht durchgehalten, das Publikum hätte etwas gemerkt, oder zumindest der Musikkritiker unserer Zeitung.«

      »Aber so war er des Lobes voll«, warf Clemens ein.

      »Es waren ja auch nur zwei Stücke, die ich zu Gehör gebracht habe, und wie viele Wochen ist das schon wieder her«, sagte Bianca. Es klang resigniert. Ihr Blick hing an den Rosen. Sie dachte an die Fülle der Blumen, mit denen sie nach ihren großen Konzerten überhäuft worden war. Ihre jeweilige Garderobe hatte sie oftmals kaum fassen können.

      Ach, es ging ja nicht darum…

      Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, als müsse sie etwas fortwischen. Ihr Mann wandte sich ab. So war es immer. Man durfte nicht daran rühren. Es gab Zeiten, da dachte er, sie hätte es verwunden. Aber irgendwo drängte ihr Künstlertum doch immer wieder hervor. Nicht immer war es eine Gnade, mit einer großen, ja, genialen Begabung bedacht worden zu sein.

      Frau Scholl trug die Abendmahlzeit auf.

      »Hast du gesehen, Papa, was die Mama für tolle Blumen gekriegt hat?« fragte Sandra, während sie ihre Serviette auseinanderfaltete.

      Er nickte, und ihr Brüderchen Daniel sagte: »Warum kriegst du die geschickt, wo wir doch so viele schöne Blumen im Garten haben?«

      »Die sind doch von einem Verehrer von Mama«, kicherte Sandra. Sie warf ihrem Vater einen verschmitzten Blick zu. »Bist du da nicht eifersüchtig?«

      »Bestimmt nicht, Mäuschen«, lachte er. »Dazu hätte mir die Mutti auch nie Anlaß gegeben.«

      Sie waren noch beim Essen, als Frau Scholl ins Speisezimmer kam und vermeldete, daß das Fräulein Sandra am Telefon gewünscht würde. Sie sagte es halb scherzhaft, denn ein »Fräulein« war das Kind noch lange nicht für sie, das sie schon von kleinauf betreute.

      »Hast du auch einen Verehrer?« sagte Daniel,

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