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er Cäsar, mit ih­nen zu trin­ken. Das Nar­ko­ti­kum schlä­fer­te die­sen so ein, daß er vier­zehn Stun­den spä­ter im Zim­mer des On­kels Pil­ler­ault in der Rue des Bour­don­nais er­wach­te, von dem Al­ten ein­ge­schlos­sen, der sel­ber auf ei­nem im Sa­lon auf­ge­stell­ten ei­ser­nen Bett ge­schla­fen hat­te. Als Kon­stan­ze den Wa­gen, in dem Pil­ler­ault Cäsar weg­brach­te, fort­fah­ren hör­te, ließ sie ihre Tap­fer­keit im Sti­che. Gar oft wer­den uns­re Kräf­te von der Not­wen­dig­keit auf­ge­sta­chelt, ein schwä­che­res We­sen als wir auf­recht er­hal­ten zu müs­sen. Jetzt wein­te die arme Frau, die sich al­lein mit ih­rer Toch­ter zu­rück­ge­blie­ben sah, als ob Cäsar ge­stor­ben wäre.

      »Mama,« sag­te Cäsa­ri­ne, die sich auf die Knie der Mut­ter setz­te und sie, wie es die Frau­en nur un­ter sich zu ma­chen ver­ste­hen, wie ein Schmei­chel­kätz­chen lieb­kos­te, »du hast mir doch ge­sagt, daß, wenn ich einen tap­fe­ren Ent­schluß fas­sen woll­te, auch du die Kraft fin­den wür­dest, dem Un­glück zu wi­der­ste­hen. Also wei­ne nicht mehr, liebs­te Mut­ter. Ich bin be­reit, eine An­stel­lung in ei­nem Ge­schäft an­zu­neh­men, und ich wer­de nicht mehr dar­an den­ken, was wir ge­we­sen sind. Ich will das wer­den, was du in dei­ner Ju­gend warst, eine ers­te Ver­käu­fe­rin, und du sollst von mir kein Wort der Kla­ge oder des Be­dau­erns zu hö­ren be­kom­men. Und dann habe ich ja noch eine Hoff­nung. Hast du nicht ge­hört, was Herr Po­pi­not ge­sagt hat?«

      »Der lie­be Jun­ge; er wird nicht mein Schwie­ger­sohn sein …«

      »Aber, Mama! …«

      »Son­dern in Wahr­heit mein Sohn.«

      »Das Un­glück«, sag­te Cäsa­ri­ne und um­arm­te die Mut­ter, »hat we­nigs­tens das Gute, daß es uns un­se­re wah­ren Freun­de ken­nen lehrt.«

      Es ge­lang Cäsa­ri­ne schließ­lich, den Kum­mer der ar­men Frau zu be­sänf­ti­gen, in­dem sie sie, wie eine Mut­ter ihr Kind, be­ru­hig­te. Am nächs­ten Mor­gen be­gab sich Kon­stan­ze zu dem Her­zog von Le­non­court, ei­nem der ers­ten Kam­mer­her­ren des Kö­nigs, und hin­ter­ließ einen Brief für ihn, in dem sie bat, ihr eine Au­di­enz zu ei­ner be­stimm­ten Stun­de an die­sem Tage zu ge­wäh­ren. In­zwi­schen ging sie zu Herrn von La Bil­lar­diè­re, er­klär­te ihm, in wel­che Lage die Flucht des No­tars Cäsar ver­setzt hat­te, und bat ihn, sie bei dem Her­zog zu un­ter­stüt­zen und ihr Für­spre­cher zu sein, da sie fürch­te­te, sich nicht an­ge­mes­sen aus­drücken zu kön­nen. Sie woll­te eine An­stel­lung für Bi­rot­teau er­bit­ten. Bi­rot­teau wür­de si­cher der ehr­lichs­te al­ler Kas­sie­rer sein, wenn es be­züg­lich der Ehr­lich­keit über­haupt Un­ter­schie­de gäbe.

      »Der Kö­nig hat so­eben den Gra­fen von Fon­taine zum Ge­ne­ral­di­rek­tor im Haus­mi­nis­te­ri­um er­nannt, wir dür­fen kei­ne Zeit ver­lie­ren.«

      Um zwei Uhr stie­gen La Bil­lar­diè­re und Frau Kon­stan­ze die große Trep­pe des Palais Le­non­court in der Rue Saint-Do­mi­ni­que hin­auf und wur­den zu dem be­vor­zug­tes­ten Edel­mann des Kö­nigs ge­führt, so­fern der Kö­nig Lud­wig XVIII. über­haupt je­man­den be­vor­zug­te. Die freund­li­che Auf­nah­me durch die­sen Grands­eigneur, der zu der klei­nen An­zahl wah­rer Edel­leu­te ge­hör­te, die das vo­ri­ge Jahr­hun­dert dem uns­ri­gen hin­ter­las­sen hat, er­füll­te Frau Bi­rot­teau mit Hoff­nung. Die Frau des Par­füm­händ­lers zeig­te sich groß und na­tür­lich in ih­rem Kum­mer. Der Schmerz adelt auch die ein­fachs­ten Men­schen, denn er trägt sei­ne Grö­ße in sich, und um von sei­nem Glanz über­strahlt zu wer­den, braucht man bloß wahr zu sein. Und Kon­stan­ze war eine durch und durch wahr­haf­ti­ge Per­sön­lich­keit. Es han­del­te sich jetzt dar­um, schnell mit dem Kö­ni­ge zu re­den.

      Mit­ten in die­ser Be­spre­chung wur­de Herr von Van­den­es­se ge­mel­det und der Her­zog rief aus: »Da kommt Ihr Ret­ter!«

      Frau Bi­rot­teau war die­sem jun­gen Man­ne nicht un­be­kannt, da er schon ein- oder zwei­mal bei ihr ge­we­sen war, um ei­ni­ge Klei­nig­kei­ten zu kau­fen, die oft bei großen Din­gen eine so wich­ti­ge Rol­le spie­len. Der Her­zog setz­te ihm nun aus­ein­an­der, was La Bil­lar­diè­re vor­hat­te. Van­den­es­se ging so­fort mit La Bil­lar­diè­re zu den Gra­fen von Fon­taine und bat Frau Bi­rot­teau, auf ihn zu war­ten. Der Graf von Fon­taine war, eben­so wie La Bil­lar­diè­re, ei­ner je­ner tap­fe­ren Edel­leu­te der Pro­vinz, je­ner fast un­be­kann­ten Hel­den, die den Auf­stand der Ven­dée ge­macht hat­ten. Bi­rot­teau war ihm nicht fremd, er hat­te ihn einst­mals in der Ro­sen­kö­ni­gin ge­se­hen. Die Män­ner, die für die Sa­che des Kö­nigs ihr Blut ver­gos­sen hat­ten, ge­nos­sen zu die­ser Zeit Pri­vi­le­gi­en, die der Kö­nig ge­heim hielt, um die Li­be­ra­len nicht vor den Kopf zu sto­ßen.

      Herr von Fon­taine, ei­ner der Günst­lin­ge Lud­wigs XVIII., galt als sein in­ti­mer Ver­trau­ter. Der Graf ver­sprach nicht nur die An­stel­lung ganz fest, son­dern er such­te auch noch den Her­zog von Le­non­court auf und bat ihn, ihm noch am Abend einen Au­gen­blick Ge­hör beim Kö­ni­ge zu ver­schaf­fen und für La Bil­lar­diè­re eine Au­di­enz bei Mon­sieur zu er­bit­ten, der die­sen al­ten Di­plo­ma­ten aus der Ven­dée be­son­ders gern hat­te.

      Noch an dem­sel­ben Abend be­gab sich der Graf von Fon­taine zu Frau Bi­rot­teau und teil­te ihr mit, daß ihr Mann nach dem Ver­gleich mit den Gläu­bi­gern of­fi­zi­ell zu ei­nem Be­am­ten bei der Schul­den­til­gungs­kas­se mit zwei­tau­send­fünf­hun­dert Fran­ken Ge­halt er­nannt wer­den wür­de, da alle Dienst­stel­len beim Haus­halt des Kö­nigs da­mals mit ad­li­gen An­wär­tern be­setzt wa­ren, mit de­nen man ent­spre­chen­de Ab­re­den ge­trof­fen hat­te.

      Die­ser Er­folg er­gab sich aus nur ei­nem Teil von Frau Bi­rot­te­aus Be­mü­hun­gen. Die arme Frau ging auch in die Rue Saint-De­nis, in die »ball­spie­len­de Kat­ze«, zu Jo­seph Le­bas. Auf die­sem Wege kam ihr in ei­ner präch­ti­gen Equi­pa­ge Frau Ro­guin ent­ge­gen, die of­fen­bar Ein­käu­fe mach­te. Ihre Au­gen be­geg­ne­ten de­nen der schö­nen No­tars­frau. Das Scham­ge­fühl, das die rei­che Frau an­ge­sichts der rui­nier­ten nicht ver­ber­gen konn­te, mach­te Kon­stan­ze Mut.

      »Nie­mals wür­de ich für an­de­rer Geld in ei­ner Equi­pa­ge fah­ren«, sag­te sie zu sich.

      Freund­lich von Jo­seph Le­bas auf­ge­nom­men, bat sie ihn, ih­rer Toch­ter eine Stel­lung in ei­nem an­ge­se­he­nen Ge­schäfts­hau­se zu ver­schaf­fen. Le­bas ver­sprach nichts di­rekt; aber acht Tage spä­ter hat­te Cäsa­ri­ne Tisch, Woh­nung und tau­send Ta­ler Ge­halt bei dem reichs­ten Mo­de­wa­ren­hau­se von Pa­ris, das da­mals eine Fi­lia­le im Quar­tier des Ita­li­ens er­rich­te­te. Die Kas­se und die Auf­sicht über das La­ger wur­den der Toch­ter des Par­füm­händ­lers an­ver­traut, die, über der ers­ten Ver­käu­fe­rin ste­hend, die Chefs des Hau­ses zu ver­tre­ten hat­te.

      10

      Was Frau Kon­stan­ze selbst an­langt, so ging sie noch am sel­ben Tage zu Po­pi­not und bat ihn, sei­ne Kas­se und Buch­füh­rung über­neh­men und ihm die Wirt­schaft füh­ren zu dür­fen. Po­pi­not ver­stand, daß sein Haus das ein­zi­ge war, wo die Frau des Par­füm­händ­lers mit dem schul­di­gen Re­spekt be­han­delt wer­den wür­de, auf den sie ih­rer Stel­lung nach, wenn sie sich nicht er­nied­ri­gen woll­te, An­spruch hat­te.

      Mit sei­nem vor­neh­men Emp­fin­den gab er ihr ein Ge­halt von drei­tau­send Fran­ken

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