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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
Читать онлайн.Название Honoré de Balzac – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962815226
Автор произведения Honore de Balzac
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
»Mama,« sagte Cäsarine, die sich auf die Knie der Mutter setzte und sie, wie es die Frauen nur unter sich zu machen verstehen, wie ein Schmeichelkätzchen liebkoste, »du hast mir doch gesagt, daß, wenn ich einen tapferen Entschluß fassen wollte, auch du die Kraft finden würdest, dem Unglück zu widerstehen. Also weine nicht mehr, liebste Mutter. Ich bin bereit, eine Anstellung in einem Geschäft anzunehmen, und ich werde nicht mehr daran denken, was wir gewesen sind. Ich will das werden, was du in deiner Jugend warst, eine erste Verkäuferin, und du sollst von mir kein Wort der Klage oder des Bedauerns zu hören bekommen. Und dann habe ich ja noch eine Hoffnung. Hast du nicht gehört, was Herr Popinot gesagt hat?«
»Der liebe Junge; er wird nicht mein Schwiegersohn sein …«
»Aber, Mama! …«
»Sondern in Wahrheit mein Sohn.«
»Das Unglück«, sagte Cäsarine und umarmte die Mutter, »hat wenigstens das Gute, daß es uns unsere wahren Freunde kennen lehrt.«
Es gelang Cäsarine schließlich, den Kummer der armen Frau zu besänftigen, indem sie sie, wie eine Mutter ihr Kind, beruhigte. Am nächsten Morgen begab sich Konstanze zu dem Herzog von Lenoncourt, einem der ersten Kammerherren des Königs, und hinterließ einen Brief für ihn, in dem sie bat, ihr eine Audienz zu einer bestimmten Stunde an diesem Tage zu gewähren. Inzwischen ging sie zu Herrn von La Billardière, erklärte ihm, in welche Lage die Flucht des Notars Cäsar versetzt hatte, und bat ihn, sie bei dem Herzog zu unterstützen und ihr Fürsprecher zu sein, da sie fürchtete, sich nicht angemessen ausdrücken zu können. Sie wollte eine Anstellung für Birotteau erbitten. Birotteau würde sicher der ehrlichste aller Kassierer sein, wenn es bezüglich der Ehrlichkeit überhaupt Unterschiede gäbe.
»Der König hat soeben den Grafen von Fontaine zum Generaldirektor im Hausministerium ernannt, wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Um zwei Uhr stiegen La Billardière und Frau Konstanze die große Treppe des Palais Lenoncourt in der Rue Saint-Dominique hinauf und wurden zu dem bevorzugtesten Edelmann des Königs geführt, sofern der König Ludwig XVIII. überhaupt jemanden bevorzugte. Die freundliche Aufnahme durch diesen Grandseigneur, der zu der kleinen Anzahl wahrer Edelleute gehörte, die das vorige Jahrhundert dem unsrigen hinterlassen hat, erfüllte Frau Birotteau mit Hoffnung. Die Frau des Parfümhändlers zeigte sich groß und natürlich in ihrem Kummer. Der Schmerz adelt auch die einfachsten Menschen, denn er trägt seine Größe in sich, und um von seinem Glanz überstrahlt zu werden, braucht man bloß wahr zu sein. Und Konstanze war eine durch und durch wahrhaftige Persönlichkeit. Es handelte sich jetzt darum, schnell mit dem Könige zu reden.
Mitten in dieser Besprechung wurde Herr von Vandenesse gemeldet und der Herzog rief aus: »Da kommt Ihr Retter!«
Frau Birotteau war diesem jungen Manne nicht unbekannt, da er schon ein- oder zweimal bei ihr gewesen war, um einige Kleinigkeiten zu kaufen, die oft bei großen Dingen eine so wichtige Rolle spielen. Der Herzog setzte ihm nun auseinander, was La Billardière vorhatte. Vandenesse ging sofort mit La Billardière zu den Grafen von Fontaine und bat Frau Birotteau, auf ihn zu warten. Der Graf von Fontaine war, ebenso wie La Billardière, einer jener tapferen Edelleute der Provinz, jener fast unbekannten Helden, die den Aufstand der Vendée gemacht hatten. Birotteau war ihm nicht fremd, er hatte ihn einstmals in der Rosenkönigin gesehen. Die Männer, die für die Sache des Königs ihr Blut vergossen hatten, genossen zu dieser Zeit Privilegien, die der König geheim hielt, um die Liberalen nicht vor den Kopf zu stoßen.
Herr von Fontaine, einer der Günstlinge Ludwigs XVIII., galt als sein intimer Vertrauter. Der Graf versprach nicht nur die Anstellung ganz fest, sondern er suchte auch noch den Herzog von Lenoncourt auf und bat ihn, ihm noch am Abend einen Augenblick Gehör beim Könige zu verschaffen und für La Billardière eine Audienz bei Monsieur zu erbitten, der diesen alten Diplomaten aus der Vendée besonders gern hatte.
Noch an demselben Abend begab sich der Graf von Fontaine zu Frau Birotteau und teilte ihr mit, daß ihr Mann nach dem Vergleich mit den Gläubigern offiziell zu einem Beamten bei der Schuldentilgungskasse mit zweitausendfünfhundert Franken Gehalt ernannt werden würde, da alle Dienststellen beim Haushalt des Königs damals mit adligen Anwärtern besetzt waren, mit denen man entsprechende Abreden getroffen hatte.
Dieser Erfolg ergab sich aus nur einem Teil von Frau Birotteaus Bemühungen. Die arme Frau ging auch in die Rue Saint-Denis, in die »ballspielende Katze«, zu Joseph Lebas. Auf diesem Wege kam ihr in einer prächtigen Equipage Frau Roguin entgegen, die offenbar Einkäufe machte. Ihre Augen begegneten denen der schönen Notarsfrau. Das Schamgefühl, das die reiche Frau angesichts der ruinierten nicht verbergen konnte, machte Konstanze Mut.
»Niemals würde ich für anderer Geld in einer Equipage fahren«, sagte sie zu sich.
Freundlich von Joseph Lebas aufgenommen, bat sie ihn, ihrer Tochter eine Stellung in einem angesehenen Geschäftshause zu verschaffen. Lebas versprach nichts direkt; aber acht Tage später hatte Cäsarine Tisch, Wohnung und tausend Taler Gehalt bei dem reichsten Modewarenhause von Paris, das damals eine Filiale im Quartier des Italiens errichtete. Die Kasse und die Aufsicht über das Lager wurden der Tochter des Parfümhändlers anvertraut, die, über der ersten Verkäuferin stehend, die Chefs des Hauses zu vertreten hatte.
10
Was Frau Konstanze selbst anlangt, so ging sie noch am selben Tage zu Popinot und bat ihn, seine Kasse und Buchführung übernehmen und ihm die Wirtschaft führen zu dürfen. Popinot verstand, daß sein Haus das einzige war, wo die Frau des Parfümhändlers mit dem schuldigen Respekt behandelt werden würde, auf den sie ihrer Stellung nach, wenn sie sich nicht erniedrigen wollte, Anspruch hatte.
Mit seinem vornehmen Empfinden gab er ihr ein Gehalt von dreitausend Franken