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Ban­kiers durch­bre­chen könn­ten. »Sprich so we­nig wie mög­lich«, hat­te er zu ihm ge­sagt. »Ein Ban­kier schwatzt nie­mals; er han­delt, er über­legt, denkt nach, hört zu und wägt ab. Willst du also als Ban­kier er­schei­nen, so sage nichts, oder rede über un­wich­ti­ge Din­ge. Bän­di­ge dei­nen fi­de­len Blick und sieh ernst aus, selbst wenn du da­durch geist­los wirkst. In der Po­li­tik stell dich auf Sei­ten der Re­gie­rung und er­geh dich in Ge­mein­plät­zen, wie: ›Das Bud­get ist drückend. Ein Aus­gleich zwi­schen den Par­tei­en ist nicht mög­lich. Die Li­be­ra­len sind ge­fähr­lich. Die Bour­bo­nen müs­sen je­den Kon­flikt ver­mei­den. Der Li­be­ra­lis­mus ist der Deck­man­tel für die ver­ei­nig­ten Son­der­in­ter­es­sen. Die Bour­bo­nen ver­hei­ßen uns eine Ära des Wohl­stan­des, also muß man sie un­ter­stüt­zen, auch wenn man sie nicht liebt. Frank­reich hat ge­nug po­li­ti­sche Ex­pe­ri­men­te ge­macht usw.‹ Lümm­le dich nicht an al­len Ti­schen her­um, den­ke dar­an, daß du die Wür­de ei­nes Mil­lio­närs be­wah­ren mußt. Schnau­fe beim Schnup­fen nicht wie ein al­ter In­va­li­de; spie­le mit dei­ner Ta­baks­do­se, be­trach­te oft dei­ne Füße oder die Zim­mer­de­cke, be­vor du ant­wor­test, gib dir über­haupt ein tief­sin­ni­ges An­se­hen. Ge­wöh­ne dir vor al­lem dei­ne un­glück­se­li­ge Ma­nier ab, al­les an­zu­fas­sen. In Ge­sell­schaft muß ein Ban­kier zu müde er­schei­nen, um et­was an­zu­fas­sen. Also : du ar­bei­test nachts, die Zah­len ma­chen dich dumm, man muß so vie­le Ein­zel­hei­ten zu­sam­men­brin­gen, wenn man eine Sa­che lan­cie­ren will! Es be­darf so vie­ler Vor­be­rei­tun­gen! Vor al­lem: schimp­fe auf die Ge­schäf­te. Sie sind drückend, läs­tig, schwie­rig, dor­nig. Mehr sage nicht dar­über und laß dich nicht auf Ein­zel­hei­ten ein. Sin­ge bei Tisch nicht dei­ne Pos­sen­lie­der von Béran­ger und trin­ke nicht zu­viel. Wenn du dich be­trinkst, set­zest du dei­ne Zu­kunft aufs Spiel. Ro­guin wird auf dich auf­pas­sen; du bist bei mo­ra­li­schen Leu­ten, tu­gend­haf­ten Bour­geois, er­schre­cke sie nicht mit dei­nen Knei­pen­wit­zen.«

      Die­se Moral­pre­digt hat­te auf Karl Cla­parons Geist die­sel­be Wir­kung aus­ge­übt wie sein neu­er An­zug auf sei­nen Kör­per. Die­ser lus­ti­ge Spring­ins­feld und Al­ler­welts­freund, ge­wöhnt an of­fe­ne, be­que­me Klei­der, in de­nen sich sein Kör­per nicht be­eng­ter fühl­te als sein Geist durch sei­ne Re­de­wei­se, war ein­ge­zwängt in einen neu­en An­zug, auf den ihn der Schnei­der hat­te war­ten las­sen, und den er in ker­zen­ge­ra­der Hal­tung an­pro­biert hat­te, in Angst, wie er sich be­we­gen und aus­drücken soll­te, sei­ne Hand, die er nach ei­nem Fla­kon oder ei­nem Kas­ten un­vor­sich­tig aus­ge­streckt hat­te, wie­der zu­rück­zie­hend, eben­so wie er sich mit­ten in ei­nem Sat­ze un­ter­brach – die­ses ko­mi­sche Zerr­bild war der ge­eig­ne­te Ge­gen­stand für Pil­ler­aults Beo­b­ach­tung. Sein ro­tes Ge­sicht, sei­ne Perücke mit den lus­ti­gen Kork­zie­her­lo­cken stand in dem­sel­ben Ge­gen­satz zu sei­ner Hal­tung wie sei­ne Ge­dan­ken zu sei­nen Re­den. Aber die gu­ten Bour­geois nah­men die­se fort­wäh­ren­den Wi­der­sprü­che für Ver­le­gen­heit.

      »Er hat so vie­le Ge­schäf­te«, sag­te Ro­guin.

      »Die Ge­schäf­te schei­nen ihm we­nig Ma­nie­ren bei­ge­bracht zu ha­ben«, sag­te Frau Ra­gon zu Cäsa­ri­ne. Ro­guin hör­te die­se Wor­te und leg­te den Fin­ger auf die Lip­pen.

      »Er ist reich, ge­wandt und au­ßer­ge­wöhn­lich zu­ver­läs­sig«, sag­te er und beug­te sich da­bei zu Frau Ra­gon her­ab.

      »Bei sol­chen Ei­gen­schaf­ten kann man ihm schon man­ches zu­gu­te hal­ten«, sag­te Pil­ler­ault zu Ra­gon.

      »Wir wol­len den Ver­trag vor dem Es­sen durch­se­hen,« sag­te Ro­guin, »wir sind jetzt un­ter uns.«

      13

      Frau Ra­gon, Cäsa­ri­ne und Kon­stan­ze hat­ten die Kon­tra­hen­ten, Pil­ler­ault, Ra­gon, Cäsar, Ro­guin und Cla­paron, al­lein ge­las­sen, de­nen Alex­an­der Crot­tat jetzt den Ver­trag vor­las. Cäsar un­ter­zeich­ne­te zu­guns­ten ei­nes Kli­en­ten Ro­gu­ins Schuld­schei­ne über vier­zig­tau­send Fran­ken, wo­für eine Hy­po­thek auf die Ter­rains und sei­ne Fa­brik im Fau­bourg du Tem­ple ein­ge­tra­gen wer­den soll­te; er übergab fer­ner Ro­guin Pil­ler­aults Scheck auf die Bank und ohne Quit­tung zwan­zig­tau­send Fran­ken Wech­sel aus sei­nem Por­te­feuil­le und für hun­dert­vier­zig­tau­send Fran­ken Wech­sel an die Or­der von Cla­paron.

      »Ich brau­che Ih­nen kei­ne Quit­tung dar­über zu ge­ben,« sag­te Cla­paron, »Sie ver­rech­nen sich Ih­rer­seits mit Herrn Ro­guin, wie wir uns un­ser­seits. Die Ver­käu­fer er­hal­ten ihr Geld von ihm, ich ver­pflich­te mich nur dazu, den Rest Ihres An­teils mit die­sen Wech­seln über hun­dert­vier­zig­tau­send Fran­ken zu de­cken.«

      »Das ist in Ord­nung«, sag­te Pil­ler­ault.

      »Dann, mei­ne Her­ren, wol­len wir die Da­men ho­len, man wird nicht warm ohne sie«, sag­te Cla­paron und blick­te Ro­guin an, um zu se­hen, ob sein Scherz nicht zu stark war.

      »Da sind die Da­men ja! Oh, das Fräu­lein ist ge­wiß Ihre Toch­ter«, sag­te Cla­paron, sich ge­ra­de hal­tend, zu Bi­rot­teau. »Ei, Sie sind wirk­lich ein ge­schick­ter Mann. Kei­ne von all den Ro­sen, die Sie de­stil­liert ha­ben, läßt sich mit die­ser ver­glei­chen. Und wahr­schein­lich, weil Sie Ro­sen de­stil­liert ha­ben, ist es Ih­nen …«

      »Ich habe wahr­haf­tig Hun­ger«, un­ter­brach ihn Ro­guin.

      »Also zu Tisch!« sag­te Bi­rot­teau.

      »Wir wer­den vor dem No­tar di­nie­ren«, sag­te Cla­paron und warf sich in die Brust.

      »Sie ha­ben vie­le Ge­schäf­te«, sag­te Pil­ler­ault, der sich mit Ab­sicht ne­ben Cla­paron ge­setzt hat­te.

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