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sein, dir wel­che zu ma­chen, du jun­ger Toll­kopf! Höre mich an, Emi­lie. Ich habe nicht län­ger die Ab­sicht, mei­ne Stel­lung aufs Spiel zu set­zen, auf der zum Teil das Ver­mö­gen mei­ner Kin­der be­ruht, in­dem ich die­ses Re­gi­ment von Tän­zern zu­sam­men­brin­ge, die du dann in je­dem Früh­jahr lau­fen läßt. Du bist schon, ohne es zu wis­sen, der An­laß zu vie­len ge­fähr­li­chen Feind­schaf­ten mit ge­wis­sen Fa­mi­li­en ge­we­sen. Ich hof­fe, daß du heu­te die Schwie­rig­kei­ten dei­ner und un­se­rer Lage be­grei­fen wirst. Du bist zwei­und­zwan­zig Jahr alt, mein Kind, und seit bei­na­he drei Jah­ren hät­test du schon ver­hei­ra­tet sein müs­sen. Dei­ne Brü­der und dei­ne bei­den Schwes­tern sind reich und glück­lich ver­sorgt. Aber die Aus­ga­ben, mein Kind, die uns die­se Hei­ra­ten ver­ur­sacht ha­ben, und die Art, wie du dei­ne Mut­ter un­ser Haus zu füh­ren ver­an­las­sest, ha­ben un­se­re Ein­künf­te der­ma­ßen auf­ge­zehrt, daß ich dir kaum eine Mit­gift von hun­dert­tau­send Fran­ken ge­ben kann. Von heu­te ab muß ich an die Zu­kunft dei­ner Mut­ter den­ken, die für mei­ne Kin­der nicht ge­op­fert wer­den darf. Wenn ich ein­mal mei­ner Fa­mi­lie feh­len wer­de, dann soll Frau von Fon­taine nicht von an­dern Leu­ten ab­hän­gig sein, son­dern auch wei­ter­hin die Be­hag­lich­keit ge­nie­ßen kön­nen, mit der ich spät ge­nug ihre Auf­op­fe­rung in mei­nen un­glück­li­chen Zei­ten habe be­loh­nen kön­nen. Du siehst, mein Kind, daß dei­ne un­be­deu­ten­de Mit­gift in kei­nem Ver­hält­nis zu dei­nen großen An­sprü­chen steht. Und auch dies ist noch ein Op­fer, das ich für kein an­de­res mei­ner Kin­der ge­bracht habe; sie ha­ben groß­mü­tig dar­auf ver­zich­tet, der­einst einen Aus­gleich für die­se Be­vor­zu­gung ei­nes all­zu ge­lieb­ten Kin­des zu ver­lan­gen.«

      »Bei ih­ren Ver­hält­nis­sen!« sag­te Emi­lie und schüt­tel­te den Kopf.

      »Mei­ne lie­be Toch­ter, du darfst die­je­ni­gen, die dich lieb­ha­ben, nie­mals so her­ab­set­zen. Du mußt wis­sen, daß nur die Ar­men groß­mü­tig sind! Die Rei­chen ha­ben stets aus­ge­zeich­ne­te Grün­de, warum sie nicht auf zwan­zig­tau­send Fran­ken zu­guns­ten ei­nes Ver­wand­ten ver­zich­ten wol­len. Also schmol­le nicht, mein Kind, und laß uns ernst­haft mit­ein­an­der re­den. Ist dir un­ter den jun­gen Hei­rats­kan­di­da­ten nicht Herr von Ma­ner­ville auf­ge­fal­len?«

      »Oh ja, er sagt ßön, statt schön, be­trach­tet im­mer sei­ne Füße, weil er sie für klein hält und be­wun­dert sich im Spie­gel! Au­ßer­dem ist er blond, ich lie­be die Blon­den nicht.«

      »Nun, und Herr von Beau­den­ord?«

      »Der ist nicht von Adel. Au­ßer­dem ist er schlecht ge­wach­sen und dick. Er ist al­ler­dings brü­nett. Die bei­den Her­ren müß­ten ihr Geld zu­sam­men­tun, und dann soll­te der eine sei­nen Kör­per und sei­nen Na­men dem an­dern ge­ben, der aber sein Haar be­hal­ten müß­te; dann … viel­leicht …«

      »Und was hast du ge­gen Herrn von Ras­ti­gnac ein­zu­wen­den?«

      »Frau von Nu­cin­gen hat einen Ban­kier aus ihm ge­macht«, sag­te sie bos­haft.

      »Und der Vi­com­te von Por­ten­duè­re, un­ser Ver­wand­ter?«

      »Ein Kind, ein schlech­ter Tän­zer, au­ßer­dem hat er kein Ver­mö­gen. Alle die­se Leu­te, lie­ber Va­ter, ha­ben auch kei­nen Rang. Zum we­nigs­ten will ich doch Grä­fin wer­den, wie mei­ne Mut­ter.«

      »Du hast also in die­sem Win­ter nie­man­den ge­fun­den, der …«

      »Nein, lie­ber Va­ter.«

      »Was für einen wün­schest du also?«

      »Den Sohn ei­nes Pairs von Frank­reich.«

      »Du bist ja toll!« sag­te Herr von Fon­taine und er­hob sich.

      Er er­hob die Au­gen zum Him­mel und schi­en aus from­men Ge­dan­ken ein neu­es Quan­tum von Er­ge­bung zu schöp­fen; dann warf er einen Blick voll vä­ter­li­chen Mit­leids auf sei­ne Toch­ter, die be­wegt wur­de, nahm ihre Hand, drück­te sie und sag­te zärt­lich zu ihr: »Gott ist mein Zeu­ge, du ar­mes, be­tör­tes Ge­schöpf, daß ich mei­ne vä­ter­li­chen Pf­lich­ten ge­gen dich ge­wis­sen­haft er­füllt habe; was sage ich, ge­wis­sen­haft? Vol­ler Lie­be, Emi­lie. Ja, Gott weiß es, ich habe in die­sem Win­ter dir mehr als einen eh­ren­haf­ten Mann zu­ge­führt, des­sen Fä­hig­kei­ten, Sit­ten und Cha­rak­ter mir be­kannt wa­ren, und alle wa­ren nach mei­ner An­sicht dei­ner wür­dig. Mei­ne Auf­ga­be ist er­füllt, mein Kind. Von heu­te ab bist du selbst Her­rin dei­nes Ge­schicks, und ich füh­le mich glück­lich und un­glück­lich zu­gleich, daß ich der schwers­ten vä­ter­li­chen Pf­licht ent­ho­ben bin. Ich weiß nicht, ob du noch lan­ge mei­ne Stim­me hö­ren wirst, die un­glück­li­cher­wei­se nie­mals streng war; den­ke aber dar­an, daß das ehe­li­che Glück nicht so sehr auf glän­zen­den Ei­gen­schaf­ten und auf Reich­tum be­ruht, wie auf ge­gen­sei­ti­ger Ach­tung. Solch ein Glück ist, sei­nem We­sen ent­spre­chend, be­schei­den und ohne äu­ße­ren Glanz. Geh, mein Kind; wen du mir als Schwie­ger­sohn bringst, der soll mei­ne Zu­stim­mung ha­ben; soll­test du aber un­glück­lich wer­den, dann be­den­ke, daß du nicht das Recht hast, dei­nem Va­ter Vor­wür­fe zu ma­chen. Ich wer­de mich nicht wei­gern, Schrit­te für dich zu tun und dir zu hel­fen; nur muß dei­ne Wahl ernst­haft und end­gül­tig sein: ich wer­de nicht zum zwei­ten­mal die Ach­tung, die man mei­nen wei­ßen Haa­ren schul­dig ist, aufs Spiel set­zen.«

      Der Aus­druck war­mer Zu­nei­gung, der sich in der An­spra­che ih­res Va­ters äu­ßer­te, und ihr fei­er­li­cher Ton gin­gen Fräu­lein von Fon­taine ans Herz; aber sie ließ ihre Rüh­rung nicht ge­wahr wer­den, setz­te sich dem Gra­fen, der sich, noch zit­ternd, wie­der nie­der­ge­las­sen hat­te, auf die Knie, über­häuf­te ihn mit Zärt­lich­kei­ten und schmei­chel­te ihm so rei­zend, daß sich die Stirn des al­ten Herrn ent­wölk­te. Als Emi­lie an­nahm, daß die pein­li­che Er­re­gung ih­res Va­ters sich wie­der be­ru­higt hat­te, sag­te sie lei­se zu ihm:

      »Ich dan­ke Ih­nen herz­lich, lie­ber Va­ter, für Ihre lie­bens­wür­di­ge Auf­merk­sam­keit. Sie ha­ben Ihr Zim­mer auf­ge­räumt, weil Sie Ihre Toch­ter emp­fan­gen woll­ten. Sie ha­ben nicht ge­dacht, daß sie so tö­richt und so wi­der­spens­tig sein wür­de. Aber ist es denn, lie­ber Va­ter, so sehr schwie­rig, einen Pair von Frank­reich zu hei­ra­ten? Sie ha­ben doch selbst be­haup­tet, daß sol­che zu Dut­zen­den er­nannt wür­den. Ach, Ihren Rat wer­den Sie mir doch nicht vor­ent­hal­ten.«

      »Nein, mein ar­mes Kind, nein, und ich wer­de dir mehr als ein­mal zu­ru­fen: Hüte dich! Be­den­ke doch, daß die Pai­rie ein noch zu neu­es Hilfs­mit­tel für un­se­re Re­gie­rungs­fä­hig­keit ist, wie der hoch­se­li­ge Kö­nig zu sa­gen pfleg­te, als daß die Pairs schon ein großes Ver­mö­gen be­sit­zen könn­ten. Und die, die reich sind, wol­len noch rei­cher wer­den. Der reichs­te un­ter al­len un­sern Pairs hat noch nicht die Hälf­te des Ein­kom­mens, das der ärms­te Lord des eng­li­schen Ober­hau­ses be­sitzt. Des­halb wer­den alle Pairs von Frank­reich nach rei­chen Er­bin­nen für ihre Söh­ne su­chen, gleich­gül­tig, wo sie zu fin­den sind. Die­se Not­wen­dig­keit, rei­che Hei­ra­ten zu ma­chen, wird mehr als zwei­hun­dert Jah­re an­dau­ern. Es ist mög­lich, daß, wenn du auf den glück­li­chen Zu­fall, mit dem du rech­nest, war­test, was dich aber dei­ne bes­ten Jah­re kos­ten kann, dei­ne Rei­ze (man hei­ra­tet in un­serm Jahr­hun­dert ja haupt­säch­lich aus Lie­be!), dei­ne Rei­ze ein Wun­der zu­stan­de brin­gen kön­nen.

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