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auf dem sie Platz ge­nom­men, in einen Kai­serthron ver­wan­delt.

      Zu spät er­kann­te Herr von Fon­taine, wie sehr die Er­zie­hung sei­ner Lieb­ling­s­toch­ter durch die zärt­li­che Ver­wöh­nung der gan­zen Fa­mi­lie ver­dor­ben wor­den war. Die Be­wun­de­rung, mit der ei­nem jun­gen Mäd­chen zu­erst von der Ge­sell­schaft ge­hul­digt wird, für die sie sich aber spä­ter un­ver­meid­lich rächt, hat­te den Stolz Emi­li­ens noch er­höht und ihr Selbst­be­wußt­sein noch wach­sen las­sen. Der all­sei­ti­ge Dien­stei­fer hat­te bei ihr den na­tür­li­chen Ego­is­mus ver­wöhn­ter Kin­der ent­wi­ckelt, die, ähn­lich den Kö­ni­gen, sich über al­les, was sich ih­nen nä­hert, lus­tig ma­chen. Jetzt ver­bar­gen noch ihre ju­gend­li­che Gra­zie und der Reiz ih­res Geis­tes vor al­len Au­gen die­se bei ei­nem weib­li­chen We­sen um so häß­li­che­ren Feh­ler, als die Frau ja nur durch Hin­ge­bung und Selbst­ver­leug­nung wahr­haft ge­fal­len kann; da aber dem Blick ei­nes gu­ten Va­ters nichts ent­geht, so mach­te Herr von Fon­taine oft­mals den Ver­such, sei­ner Toch­ter die ers­ten Sei­ten in dem rät­sel­haf­ten Bu­che des Le­bens zu er­klä­ren. Das war aber ein ver­geb­li­ches Un­ter­neh­men. All­zu­oft muß­te er über die lau­nen­haf­te Un­be­lehr­bar­keit und die iro­ni­sche Weis­heit sei­ner Toch­ter seuf­zen, als daß er bei den schwie­ri­gen Ver­su­chen, eine so schlim­me Na­tu­r­an­la­ge zu bes­sern, hät­te ver­har­ren kön­nen. Er be­gnüg­te sich da­mit, ihr von Zeit zu Zeit Ratschlä­ge vol­ler Lie­be und Güte zu ge­ben; aber er muß­te zu sei­nem Schmer­ze er­ken­nen, daß auch sei­ne zärt­lichs­ten Wor­te von dem Her­zen sei­ner Toch­ter wie von Mar­mor ab­glit­ten. Vä­ter­li­che Au­gen öff­nen sich so spät, daß es für den al­ten Ven­déer mehr als ei­nes Be­wei­ses be­durf­te, bis er merk­te, mit wel­cher Herab­las­sung sei­ne Toch­ter ihm ihre sel­te­nen Zärt­lich­keits­be­zeu­gun­gen zu­teil wer­den ließ. Sie glich dar­in den klei­nen Kin­dern, die ih­rer Mut­ter zu sa­gen schei­nen: »Mach schnell mit dei­nem Küs­sen, ich will spie­len ge­hen.« Ge­wiß be­saß Emi­lie auch zärt­li­ches Emp­fin­den für ihre An­ge­hö­ri­gen. Aber häu­fig über­kam sie eine plötz­li­che Lau­ne, wie sie sonst bei jun­gen Mäd­chen un­er­klär­lich er­scheint; sie blieb dann für sich al­lein und ließ sich nur sel­ten bli­cken; sie be­klag­te sich dar­über, daß sie die vä­ter­li­che und müt­ter­li­che Lie­be mit All­zu­vie­len tei­len müs­se und war auf alle, selbst auf Brü­der und Schwes­tern, ei­fer­süch­tig. Und wenn sie dann mit größ­ter Mühe Ein­sam­keit um sich ge­schaf­fen hat­te, dann klag­te das merk­wür­di­ge Mäd­chen die gan­ze Welt we­gen die­ser frei­wil­li­gen Ver­ein­sa­mung und we­gen ih­res Kum­mers, den sie sich selbst ver­ur­sacht hat­te, an. Mit der Er­fah­rung ei­ner Zwan­zig­jäh­ri­gen be­klag­te sie ihr Los, ohne zu be­grei­fen, daß die wah­ren Be­din­gun­gen des Glückes in uns sel­ber lie­gen, und ver­lang­te, daß die Din­ge der äu­ße­ren Welt es ihr ge­wäh­ren soll­ten. Bis ans Ende der Welt wäre sie ge­flo­hen, um sol­chen Hei­ra­ten, wie sie ihre Schwes­tern ge­macht hat­ten, zu ent­ge­hen; aber trotz­dem ver­spür­te sie eine ab­scheu­li­che Ei­fer­sucht in ih­rem Her­zen, daß sie sie reich und glück­lich ver­hei­ra­tet se­hen muß­te. Und manch­mal muß­te ihre Mut­ter, die eben­so­sehr wie Herr von Fon­taine das Op­fer ih­res Ver­hal­tens war, auf den Ge­dan­ken kom­men, daß sie eine Spur von Irr­sinn in sich tra­ge. Eine sol­che Ver­ir­rung ist nicht un­er­klär­lich: denn nichts ist ver­brei­te­ter als die­ser heim­li­che Stolz im Her­zen jun­ger Per­so­nen, die zu Fa­mi­li­en ge­hö­ren, die auf der so­zia­len Lei­ter eine hohe Stu­fe ein­neh­men, und von der Na­tur mit großer Schön­heit be­schenkt wor­den sind. Fast alle die­se sind da­von über­zeugt, daß ihre Müt­ter, wenn sie das vier­zigs­te oder fünf­zigs­te Le­bens­jahr er­reicht ha­ben, mit den jun­gen See­len we­der mit­füh­len noch ihre Träu­me ver­ste­hen kön­nen. Sie re­den sich ein, daß die meis­ten Müt­ter auf ihre Töch­ter ei­fer­süch­tig sind, daß sie sie nach ih­rem Ge­schmack klei­den, mit der aus­ge­spro­che­nen Ab­sicht, sie bei­sei­te zu schie­ben und ih­nen die für sie be­stimm­ten Hul­di­gun­gen zu rau­ben. Da­her rüh­ren häu­fig die heim­li­chen Trä­nen und die stum­me Auf­leh­nung ge­gen die an­geb­li­che müt­ter­li­che Ty­ran­nei. Trotz die­ses Kum­mers, der echt ist, ob­wohl er auf ei­ner ima­gi­nären Grund­la­ge fußt, ha­ben sie noch die Ma­nie, sich einen Le­bens­plan zu­rechtzu­ma­chen und sich selbst ein glän­zen­des Ho­ro­skop zu stel­len; ihre Ver­ir­rung be­steht dar­in, daß sie ihre Träu­me für Wirk­lich­keit hal­ten, sie neh­men sich heim­lich, nach lan­gem Grü­beln, vor, Herz und Hand nur ei­nem Man­ne zu schen­ken, der die und die vor­treff­li­chen Ei­gen­schaf­ten ha­ben wür­de; sie ma­len sich in der Ein­bil­dung einen be­stimm­ten Typ aus, dem ihr Zu­künf­ti­ger wohl oder übel ent­spre­chen müs­se. Wenn sie dann die nö­ti­ge Le­bens­er­fah­rung ge­won­nen und mit den Jah­ren ernst­haf­ter über den Lauf der Welt und ih­ren pro­sa­i­schen Gang nach­ge­dacht ha­ben, dann ver­blas­sen die schö­nen Far­ben ih­res Ideal­bil­des; und spä­ter fin­den sie ei­nes Ta­ges im Ver­lauf des Le­bens zu ih­rem Er­stau­nen, daß sie ein ehe­li­ches Glück ohne die Er­fül­lung ih­rer poe­ti­schen Träu­me ge­fun­den ha­ben. Aber Fräu­lein Emi­lie von Fon­taine hat­te auf Grund sol­cher Poe­sie sich in ih­rer leicht zu er­schüt­tern­den Weis­heit ein Pro­gramm zu­recht­ge­macht, dem ihr Zu­künf­ti­ger ent­spre­chen müs­se, wenn sie ihm ihr Ja­wort ge­ben sol­le. Da­her ihr Hoch­mut und ihre Spöt­te­rei­en.

      »Jung und von al­tem Adel,« hat­te sie sich ge­sagt, »muß er auch Pair von Frank­reich oder der äl­tes­te Sohn ei­nes Pairs sein! Es wäre mir un­er­träg­lich, wenn ich nicht an mei­nem Wa­gen­schlag mein Wap­pen in­mit­ten der we­hen­den Fal­ten ei­nes him­melblau­en Man­tels se­hen und nicht beim Ren­nen von Long­champ durch die große Al­lee der Champs-Elysées eben­so wie die Prin­zen fah­ren könn­te. Mein Va­ter be­haup­tet ja auch, daß dies ei­nes Ta­ges der höchs­te Rang in Frank­reich sein wür­de. Au­ßer­dem soll er Sol­dat sein, wo­bei ich mir vor­be­hal­te, ihn sei­nen Ab­schied neh­men zu las­sen, und dann will ich, daß er de­ko­riert ist, da­mit man vor uns prä­sen­tiert.«

      Aber die­se schon an sich sel­te­nen Ei­gen­schaf­ten wür­den noch nichts be­deu­ten, wenn die­ses er­dach­te We­sen nicht auch noch be­son­ders lie­bens­wert, von gu­tem Aus­se­hen, geist­voll und schlank ge­wach­sen wäre. Die Schlank­heit, die­ser kör­per­li­che Vor­zug, so ver­gäng­lich er auch, be­son­ders un­ter der Herr­schaft des Re­prä­sen­ta­tivsys­tems, war, bil­de­te eine un­er­läß­li­che Be­din­gung. Fräu­lein von Fon­taine hat­te sich ein ge­wis­ses Ideal­maß fest­ge­setzt, das ihr als Mo­dell galt. Der jun­ge Mann, der auf den ers­ten Blick die­sen ge­stell­ten Be­din­gun­gen nicht ent­sprach, emp­fing nicht ein­mal mehr einen zwei­ten.

      »Mein Gott, se­hen Sie doch nur, wie dick die­ser Herr ist«, das be­deu­te­te bei ihr den Aus­druck äu­ßers­ter Ver­ach­tung.

      Wenn man sie hör­te, wa­ren schon die Leu­te von er­träg­li­cher Kor­pu­lenz kei­ner Emp­fin­dung fä­hig, schlech­te Ehe­män­ner und nicht wür­dig, zur zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft zu­ge­las­sen zu wer­den. Ob­gleich ein im Ori­ent hoch­ge­schätz­ter Vor­zug, er­schi­en ihr Fett­lei­big­keit bei Da­men als ein Un­glück; beim Man­ne aber war es ein Ver­bre­chen. Sol­che pa­ra­do­xen An­sich­ten wirk­ten bei ihr, dank ei­ner ge­wis­sen scherz­haf­ten Form der Fas­sung, amüsant. Trotz­dem hat­te der Graf das Ge­fühl, daß die Prä­ten­tio­nen sei­ner Toch­ter, de­ren Lä­cher­lich­keit man­chen eben­so

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