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auf sei­ne zit­tern­den Lip­pen, und in sei­nen Au­gen lag Mord­lust. Bei die­sem An­blick wur­den die bei­den Al­ten von krampf­haf­tem Zit­tern be­fal­len; sie stan­den da wie zwei Kin­der vor ei­ner Schlan­ge. Der jun­ge Mann sank in sei­nen Ses­sel zu­rück; in sei­ner See­le voll­zog sich eine Art Re­ak­ti­on, und in Strö­men flos­sen die Trä­nen aus sei­nen flam­men­den Au­gen.

      »Oh, mein Le­ben! mein schö­nes Le­ben!« stöhn­te er. »Kei­ne wohl­wol­len­den Ge­dan­ken mehr! Kei­ne Lie­be! Nichts!« Er wand­te sich zum Pro­fes­sor. »Das Un­glück ist ge­sche­hen, al­ter Freund«, sag­te er mit sanf­ter Stim­me. »Sie sind für Ihre treu­en Diens­te nun reich­lich be­lohnt; und mein Un­glück wird we­nigs­tens ei­nem gu­ten und wür­di­gen Man­ne Gu­tes brin­gen.« Es lag in die­sen fast un­ver­ständ­li­chen Wor­ten so viel See­le, daß die bei­den Al­ten wein­ten, wie man wohl beim An­hö­ren ei­ner rüh­ren­den Me­lo­die in ei­ner frem­den Spra­che weint.

      »Er ist Epi­lep­ti­ker«, flüs­ter­te Por­ri­quet.

      »Ich ver­ste­he Ihre Güte, al­ter Freund«, ver­setz­te Ra­pha­el sanft, »Sie wol­len mich ent­schul­di­gen. Krank­heit ist ein miß­li­cher Zu­fall, Un­mensch­lich­keit hin­ge­gen wäre ein Las­ter. Ver­las­sen Sie mich jetzt!« füg­te er hin­zu. »Sie wer­den mor­gen oder über­mor­gen, viel­leicht noch heu­te abend Ihre Er­nen­nung er­hal­ten, denn der »Wi­der­stand« hat über die »Be­we­gung« ge­siegt … Adieu.«

      Der Greis zog sich, von Ent­set­zen ge­packt und in leb­haf­ter Un­ru­he über Va­len­tins Geis­tes­zu­stand, zu­rück. Die­ser Auf­tritt hat­te für ihn et­was Über­na­tür­li­ches ge­habt. Er zwei­fel­te an sich selbst und frag­te sich, ob er aus ei­nem schwe­ren Traum er­wa­che.

      »Höre, Jo­na­thas«, sag­te der jun­ge Mann zu sei­nem al­ten Die­ner, »gib dir Mühe, die Auf­ga­be, die ich dir an­ver­traut habe, end­lich zu be­grei­fen.«

      »Ja, Mon­sieur le Mar­quis.«

      »Ich bin wie ein Mensch, der au­ßer­halb der ge­wöhn­li­chen Da­seins­ge­set­ze steht.«

      »Ja, Mon­sieur le Mar­quis.«

      »Alle Genüs­se des Le­bens wie­gen sich um mein To­ten­bett und um­tan­zen mich wie schö­ne Frau­en; wenn ich sie rufe, st­er­be ich. Im­mer der Tod! Du mußt eine Schran­ke sein zwi­schen mir und der Welt.«

      »Ja, Mon­sieur le Mar­quis«, sag­te der Die­ner und trock­ne­te die Schweiß­trop­fen, die auf sei­ner runz­li­gen Stirn stan­den. »Aber wenn Sie kei­ne schö­nen Frau­en se­hen wol­len, was wol­len Sie dann heu­te abend in der Ita­lie­ni­schen Oper? Eine eng­li­sche Fa­mi­lie, die nach Lon­don zu­rück­reist, hat mir den Rest ih­res Abon­ne­ments ab­ge­tre­ten, und Sie ha­ben eine schö­ne Loge, oh, eine präch­ti­ge Loge im ers­ten Rang.«

      Ra­pha­el war in tie­fes Träu­men ver­sun­ken und hör­te nicht mehr zu.

      »Was hat der ge­tan, daß er so reich ist?« frag­te ein ar­mer Stu­dent der Rech­te, dem der Ta­ler fehl­te, um die be­zau­bern­den Klän­ge Ros­si­nis hö­ren zu kön­nen.

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