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sich dicht vor ihr. Den kleinen Revolver hatte er direkt auf ihre Stirn gerichtet und ein schiefes Grinsen zeigte, dass er bei dem Crash extremes Glück gehabt und beschlossen hatte, sich auf die Lauer zu legen.

      Die Zeit blieb förmlich stehen.

      Kaleidoskopische Bilder von verlorenen Momenten und all den Dingen, die sie bedauerte, rasten durch ihr Hirn … eine Bilderfolge nie endender Erfahrungen. Der Finger des Mannes krümmte sich um den Abzug … Kinimaka schien meilenweit entfernt zu sein und schrie frustriert auf, weil er genau wusste, dass er sie nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte … als plötzlich ein drei Meter langer Alligator auftauchte, und sein Maul um die Mitte seines Gegners schloss.

      Weniger als einen Wimpernschlag später war der Mann verschwunden und hinterließ nur das geisterhafte Echo eines Schreies und ein paar Blutspritzer.

      Doch das war nichts verglichen mit der Hölle, die er ertragen musste, während er auf den Grund des Flusses gezerrt wurde.

      Gewalt schwängerte die Luft.

      Hayden musste jede Unze Willenskraft aufbringen, um sich zusammenzureißen. Sie brauchte sämtliche Erinnerungen an all das Gute, das ihr Vater ihr beigebracht hatte. Jede schwere Lektion und jeden stolzen Moment. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf den Augenblick, in dem sie erfahren hatte, dass er gestorben war … eiskalt ermordet … und sie erinnerte sich an die Schwüre, die sie geleistet hatte und die ihr Leben fortan verändert hatten.

      Es war alles, was sie noch hatte, um sich anzutreiben und um das Blutvergießen zu vergessen und weiterzumachen. Immer einen Schritt nach dem anderen. Sie erreichte das Ufer, grub die Finger in die Erde und zog. Dann kletterte sie nach oben. Ihr Magen verkrampfte sich vor Panik, als sie ein weiteres gewaltiges Platschen hinter sich hörte und aus dem Augenwinkel die albtraumhafte Gestalt eines Alligators sah, der sich aus dem Wasser erhob und drehte, als er in ihre Richtung sprang.

      Sie war noch nicht weit genug geklettert.

      Doch in diesem höllischen Moment sah sie eine massige Gestalt blitzartig an sich vorbeischießen. Sie hörte ein Brüllen und wurde aus dem Weg gestoßen. Dann sah sie, wie sich Kinimaka auf den Alligator stürzte und dessen Hals umklammerte. Der Aufprall war so laut, dass man ihn vermutlich bis nach Disneyland hören konnte. Der Alligator, der garantiert komplett geschockt war, dass ihn überhaupt etwas angriff, ganz zu schweigen von diesem Berg von Mann, wurde nach hinten geworfen und klatschte rücklings ins flache Wasser. Kinimaka landete sofort auf ihm, schlang wieder die Arme um ihn und packte ihn so fest, als würde sein Leben und das seiner Vorgesetzten davon abhängen.

      Während Hayden das Gleichgewicht wiederfand und sich aufrichtete, eröffneten die Männer aus den anderen beiden Propellerbooten das Feuer. Kugeln pfiffen durch das Dickicht um sie herum und kleine Wasserfontänen spritzten hoch. Kinimaka kämpfte immer noch mit dem Alligator, der weiterhin am Leben war. Hayden ließ sich mit dem Rücken auf das schlammige Ufer fallen.

      Dann hob sie die Maschinenpistole und eröffnete das Feuer.

      Hayden, die halb im Schlamm und Matsch vergraben und klatschnass war, feuerte aus der Hüfte und mähte mit jeder einzelnen Kugel einen Gegner nieder. Kinimaka hielt währenddessen den Alligator in Schach, der sich zu ihren Füßen wand und brüllte dabei vor Anstrengung; die Augen weit aufgerissen, während er nach einer Möglichkeit suchte, das Tier auf relativ sichere Weise loszulassen.

      Boudreaus Männer hingegen rückten eher zaghaft vor. Boudreau, der die Nachhut bildete, brüllte sie an, um sie zur Eile anzuhalten. Als keiner von ihnen ihm Beachtung schenkte, schoss er einem seiner Soldaten in den Hinterkopf, um für die nötige Motivation zu sorgen.

      In diesem Moment hörte sie ein Geräusch hinter sich. Bevor sie sich umdrehen konnte, packte jemand sie mit eisernem Griff am Hals und sie wurde hochgerissen.

      Der Griff des Mannes bedeutete den Tod. Kinimaka war ebenfalls in Bedrängnis. Er sah, was passierte, konnte den Alligator aber nicht loslassen. Hayden entspannte den Körper und ließ den Arm mit der Waffe sinken. Dann zog sie den Abzug und verwandelte den Fuß des Mannes in einen blutigen Klumpen. Er ließ augenblicklich los und fiel nach hinten. Sie drehte sich um und feuerte ihm eine Salve in die Brust.

      Unter Feuer stehend und am Ende ihrer Kräfte zerrte sie den Toten hinab ins flache Wasser.

      »Tu es!«, schrie sie Kinimaka an. Der gewaltige Hawaiianer ließ daraufhin los und der Alligator raste davon. Sein Schwanz schlug wild um sich und blutiges Wasser spritzte in die Luft. Die suchenden Kiefer packten den Toten und dann schmeckte er Blut. Mit einem weiteren Schlag des gewaltigen Schwanzes verschwand er mit seiner Beute.

      Kinimaka saß jetzt sichtlich erschöpft im Wasser. Hayden legte ihm einen Arm um die Schultern. Gemeinsam ignorierten sie den Feind einige Sekunden.

      Dann hob Hayden erneut die Maschinenpistole. Die Gangster waren gerade dabei, aus dem Boot zu klettern, und hatten deshalb keine Deckung. Sie zielte und riss am Abzug, aber die Waffe verfügte über keine Munition mehr.

      Sie senkte den Kopf. Eine Sekunde lang empfand sie pure Verzweiflung und Wut darüber, dass sie nicht in der Lage war, den Träumen ihres Vaters gerecht zu werden … dass sie seinem tadellosen Vermächtnis nicht genug Ehre machte.

      Doch niemand konnte behaupten, sie hätten nicht alles gegeben.

      Boudreau gestikulierte wild. Das Messer, das er benutzt hatte, um ihr Team zu töten, erschien wieder in seinen Händen und er fuchtelte damit durch die testosterongeschwängerte Luft.

      Auf einmal vernahm sie ein Geräusch der Hoffnung und der potenziellen Rettung. Das Wupp, Wupp, Wupp schwerer Maschinen. Helikopter, die sich ihnen rasch näherten.

      Diese waren zweifellos vom Militär und kamen jetzt wie Motorradfahrer, die in einem Rennen rasant eine Kurve nahmen, um die Biegung im Kanal.

      Boudreau brüllte und plötzlich ging seine Stimme in ein angsterfülltes Kreischen über: »Schneller! Schneller! Jetzt sofort, ihr Arschlöcher! Wir müssen uns verstecken!«

      Tja, dachte Hayden. Du hast versagt, du Bastard. Versuch mal, deinem verdammten Blutkönig unsere Flucht zu erklären.

      Kapitel 8

      Als Matt Drake Hayden Jaye erblickte, dachte er zuerst, sie sei bereits tot. Sein Herz setzte vor Angst einen Schlag aus, seine Kehle schnürte sich zusammen und er stellte sich vor, wie wohl Bens Reaktion ausfallen würde, doch dann bewegte sie sich. Der Hüne neben ihr rührte sich ebenfalls. Drake konnte kaum glauben, dass das wirklich ein Mensch war. Hayden wirkte im Vergleich dazu absolut winzig, aber sie schien vergnügt neben ihm zu sitzen.

      »Was zur Hölle ist das?«, fragte einer der Jungs vom SEAL-Team. »Ein Nilpferd? In den Everglades?«

      »Das ist dann wohl Mano.« Die ersten Worte, die Ben sprach. Seine Augen leuchteten und sein Herz pochte. »Sie hat erwähnt, dass er ganz schön riesig ist.«

      »Riesig, ja«, sagte Drake. »Schön? Eher nicht.«

      Der Helikopter ging nun in den Schwebeflug, während Drake und die anderen heraussprangen. Ihre Mission war es, Hayden Jaye zu retten, nicht den Feind zu verfolgen, also zeigten sie kein Interesse an der flüchtenden Mörderbande. Ben sprang ebenfalls aus dem Helikopter, klatschte prompt mit dem Gesicht voran ins flache Wasser, prustete und ruderte mit den Armen.

      Aber das schien ihn dennoch kaum zu bremsen. Als er Boden unter den Füßen spürte, bahnte er sich so schnell wie nur möglich einen Weg zu Hayden. Drake war dicht hinter ihm und hörte, wie sie miteinander redeten.

      »Ich habe gedacht, ich hätte dich verloren, Hay. Es tut mir so leid.«

      »Ist doch nicht deine Schuld, Ben. Ich bin so froh, euch alle zu sehen.«

      Mano Kinimaka ging es offensichtlich genauso.

      Drake und der überlebensgroße Hawaiianer begrüßten sich kurz und dann war Hayden wieder ganz bei der Sache.

      »Wir müssen schnellstens zurück zu deren Hauptquartier.

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