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wie jeden Abend, während sie den Abwasch machte. Als das Telefon klingelte, war es einer seiner Computerfreunde gewesen. Eine geschlagene Stunde hatte er am Telefon gesessen, vor sich den Bildschirm, und pausenlos gequatscht und gelacht. Eigentlich hatten sie zusammen einen Film sehen wollen, aber Kristin wußte, wenn sie ihn daran erinnern würde, wäre er sofort wieder auf hundertachtzig und hätte behauptet, sie gönne ihm seine Freunde nicht. Also hatte sie allein geschaut und allein gekocht – vor Wut.

      Er hatte das Gespräch schließlich beendet und war fünf Minuten später in der Tür erschienen.

      »Ich gehe noch mal zu Björn. Er hat da ein kleines Problem mit dem Computer.«

      Plötzlich hatte Kristin ihre Situation glasklar gesehen. Jens lebte sein Leben, wie es ihm gefiel, während sie pausenlos Rücksicht nehmen sollte. Wenn er jetzt ging, würde er vor zwei Uhr nachts nicht erscheinen, dabei hatte sie gerade heute gehofft, daß er sich auch einmal wieder ihrer annehmen würde. Sex wurde nicht mehr sehr groß geschrieben in ihrer Beziehung. Morgen hatte er sowieso eine Verabredung. Sie saß hier herum, kochte und machte den Haushalt, und Jens hielt sie wie ein Haushälterin.

      »Am besten fragst du ihn gleich, ob du dort für eine Zeit wohnen kannst. Ist doch sowieso praktischer, dann spart ihr das Telefongeld.«

      »Was soll denn das heißen? Dir wäre es wohl am liebsten, wenn ich keine Freunde hätte, was?« fuhr er sie sofort an.

      »Doch, mir ist das sehr lieb, daß du Freunde hast. Dann sitzt du ab morgen wenigstens nicht auf der Straße.«

      »Wovon redest du, zum Teufel?«

      »Es ist aus mit uns. Davon rede ich.«

      »Also wirklich, Kristin, das ist ja wohl ein schlechter Scherz, oder? Du bist wieder mal überreizt.«

      »Allerdings, weit überreizt. Und deshalb ist ja auch Schluß. Ich möchte wieder allein sein. Ungestört Fernsehen, und wenn das Telefon klingelt, ist es für mich. Das war’s, jetzt kannst du gehen.«

      Wutentbrannt war er verschwunden. Als er dann in der Nacht gekommen war, um zwei, wie sie geahnt hatte, war er sofort zärtlich geworden. Kristin hatte sich kerzengerade im Bett aufgesetzt und ihm dann noch einmal unmißverständlich klargemacht, daß es damit vorbei sei. Am nächsten Morgen hatte sie seine Sachen zusammengepackt und spätestens, als sie begann, die Kabel von seinem Computer und dem Zubehör aus den diversen Steckdosen zu ziehen, war er aus dem Bett gesprungen. Sein Spielzeug durfte sie nicht anfassen.

      Das war es dann gewesen. Seitdem achtete Kristin streng darauf, daß die Männer, die sie kennenlernte, als Hobby nicht etwa »Computer« angaben. Allerdings wurde es damit immer schwerer, denn alle Welt schien vernetzt oder verkabelt zu sein.

      Eine Zeitlang hatte sie ein bißchen gelitten, aber inzwischen fand sie den Zustand, allein zu leben, recht angenehm. Es bedeutete ja nicht, daß es keine Männer in ihrem Leben gäbe. Sie wurde oft eingeladen und nahm manche Einladung ins Kino, Theater oder zum Essen auch an. In der Buchhandlung lernte sie eine Menge Menschen kennen, darunter auch den einen oder anderen akzeptablen männlichen Mensch. Ihre Computerecke mit der Fachliteratur war beliebt und gut sortiert. Wenn sich jedoch ein Kunde für Geschichte, Reisen oder ähnliches interessierte, wurde sie aufmerksamer. Vielleicht war einmal einer dabei, der sie davon überzeugen konnte, ihr Alleinsein aufzugeben.

      Bei Marion verhielt es sich dagegen viel komplizierter. Sie hatte sich vor fünf Jahren in einen Mann verliebt, und zwar so erdbebenmäßig, daß auch sein spätes Geständnis, er sei verheiratet, sie nicht mehr von ihm abbringen konnte. So führte sie das Leben einer heimlichen Geliebten, die darauf wartete, daß er seiner Frau endlich zumuten konnte, die Wahrheit zu erfahren und die versprochene Scheidung einreichte. Für Kristin war klar, daß das erst am St. Nimmerleinstag passieren würde, aber Marion glaubte weiterhin an ihren Derrik. Selbst die Tatsache, daß er mit Marion zusammen einen Sohn hatte, schien ihn nicht dahingehend zu beeinflussen, seine kinderlose Ehe endlich zu beenden. In Kristins Augen war er ein ausgemachter Schuft, und das hätte sie ihm zu gern einmal gesagt. Aber Marion achtete streng darauf, daß sie sich nicht über den Weg liefen. Ihre rotgeweinten Augen konnte sie dagegen nicht so gut vor Kristin verbergen. Es mußte echt stressig sein, ständig auf Anrufe oder heimliche Besuche zu warten. Mit den Sorgen, wenn Johannes krank war, stand sie sowieso allein da. Sie konnte Derrik ja nicht einmal zu Hause anrufen.

      Kristin mußte sich bei diesem Thema immer noch viel mehr zusammenreißen als bei der Erziehung von Johannes. Sie hatte Marion schon das eine oder andere Ratgeberbuch geschenkt, das dieses Thema ausführlich behandelte, denn laut Statistik wurden die heimlichen Geliebten nur äußerst selten geheiratet, aber Marion ließ sich nicht hineinreden. Blauäugig glaubte sie weiterhin, daß Derrik eines Tages ganz zu ihr kommen würde.

      Johannes stellte sein Schreien ein, als die beiden Frauen die Eier und den Schinken gegessen hatten. Kristin dröhnten die Ohren, aber Marion bestrich sich seelenruhig einen Toast mit Butter und Marmelade und gab ihrem Sohn ein Stück ab. Er schob es in den Mund und kaute strahlend, so als habe er einen Sieg davongetragen. Vielleicht war Marions Methode doch nicht ganz falsch.

      *

      Am Montag hatte Kristin alle Hände voll zu tun in der Buchhandlung. Sie würde heute sicherlich nicht vor neun Uhr abends nach Hause kommen, wie sie es einschätzte. Die neue Ware mußte ausgepackt, ausgezeichnet und einsortiert werden. Wenn sie das ihrer Verkäuferin überließe, würde sie hinterher nichts mehr wiederfinden. So gut Frau Schneider mit Kunden zurechtkam, so unfähig war sie, Bücher nach Sachgebieten und obendrein noch nach dem Alphabet einzusortieren.

      Kristin trug heute eher praktische Kleidung, weil sie bei dieser Tätigkeit immer ein bißchen staubig wurde. Sonst achtete sie darauf, sich chic zu machen, weil sie hier im Laden Gelegenheit dazu hatte. Zu Hause lief sie dagegen meistens in Jeans und T-Shirt herum, weil sie dort sowieso kaum jemand sah.

      Sie kam gerade aus dem Lager, als sie mit einem jungen Mann zusammenstieß, der einen Schritt rückwärts machte, um eine Frau mit einem Kinderwagen vorbeizulassen.

      »Hoppla… oh, entschuldigen Sie. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht weh getan.«

      Kristin blickte in die blauesten Augen, die sie je gesehen hatte.

      »Nein, gar nicht. Schon in Ordnung.«

      »Wo ich Sie gerade umrennen wollte… können Sie mir vielleicht helfen? Ich suche ein Fachbuch.«

      Kristin lachte. Er hatte Humor. Sein Lächeln war ansteckend. Hoffentlich war sein Gebiet nicht gerade Informatik…

      »Es ist ein Informatik-Fachbuch. Hier, ich habe den Titel aufgeschrieben. Den kann man nämlich sonst nur pfeifen.«

      Schade. Damit schied er aus. Es sei denn, er wollte das Buch für einen Freund haben, als Geschenk…

      »Ich studiere nämlich Informatik, und brauchte es ganz dringend. In zwei Buchhandlungen könnte man es mir besorgen, aber ich brauche es möglichst sofort.«

      Na, das hatte ja gerade noch gefehlt. Der Computer war nicht nur sein Hobby, sondern sogar sein Beruf.

      Pech gehabt, die blauen Augen würden jemand anderen bezaubern, sie jedenfalls bestimmt nicht.

      »Ich kenne das Buch. Wenn Sie Glück haben, steht es sogar noch da«, gab Kristin schon etwas weniger begeistert zurück.

      »Das wäre ja umwerfend. Ich werde sofort alle meine Kommilitonen zu Ihnen schicken.«

      »Dann bekommen Sie sogar Prozente.«

      Immerhin, Freundlichkeit schadete nicht. Er war ein netter Kunde.

      Das Buch stand tatsächlich noch im Regal. Begeistert blätterte er darin herum. »Sie können sich gern dahinten setzen und sich einen Tee einschenken. Das gehört bei mir zum Service.«

      »Mein Gott, ein Engel hat mich zu Ihnen geführt.«

      Er strahlte sie an, daß Kristin ein Kribbeln im Magen verspürte. Vielleicht vergaß ja

      nicht jeder Mann, daß es

      noch mehr gab außer diesen

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