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Klaviers perlten über sie hinweg und Kay rutschte tiefer in die weichen Polster.

      »Vielleicht war es doch keine so gute Idee, unter Leute zu gehen.«

      »Es war die einzig gute Idee. Du unterhältst dich seit Wochen nur mit mir, das ist nicht gesund, Beautiful.«

      Jetzt war es soweit: Sie wurde von ihrer KI bemuttert. Jeder wusste, was das bedeutete: Man war ganz unten angekommen.

      »Es wird Zeit, dass du nach deinem Umzug neue Sozialkontakte knüpfst. Mit lebenden Personen wohlgemerkt.«

      Auch das entsprach leider der Wahrheit.

      »Außerdem seien wir ehrlich, Darling, wenn du dich weiter so hängen lässt, musst du mich verkaufen, weil du dir deinen gewohnten Lebensstandard nicht mehr leisten kannst.«

      »Aha, daher weht der Wind«, lachte Kay. »Du hast Angst, bei irgendeinem geleckten Schnösel zu landen.«

      »Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch einmal bei einer Space Nekromantin lande und eine derart aufregende Existenz führe wie bei dir, ist statistisch gesehen sehr gering. Das musst du zugeben, my dear.« Benedict ließ die Spacelimousine ein Stück weiter rücken, als der Stau sich bewegte. Dann standen sie wieder.

      »Möglicherweise wird es bei mir jetzt aber auch langweilig und öde werden, Benedict. Du weißt, ich habe aufgehört.«

      »Sagen wir, du gönnst dir eine Auszeit.«

      Auszeit. Das war keine Auszeit.

      »Benedict, der letzte Auftrag war … das war … ein Massaker. Ein. Massaker.« Kay betonte jedes einzelne Wort. »Diese Bilder verfolgen mich immer noch. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich kann nicht mehr essen. Ich …« Tatsächlich konnte sie nicht einmal in Worte fassen, was sie empfand. Deshalb hatte sie auch noch mit niemandem darüber gesprochen. Nicht dass es irgendjemanden geben würde, der sich für ihr Seelenleben interessieren würde. Das Leben als freischaffende Auftragsnekromantin war zwar gut bezahlt, aber einsam. Sehr einsam.

      So einsam, dass sie von Benedict bemuttert wurde.

      Dieser schwieg höflich.

      Das Klavier klimperte.

      Sie standen immer noch im Stau.

      »Benedict, gibt es denn noch eine andere Bar, wo wir hinfahren könnten? Bis wir beim Palace of Glass ankommen, habe ich eine Panikattacke.«

      »Wenn wir hier rechts aus der Hauptverkehrsader abbiegen, könnten wir in zehn Minuten die große Dimensionsschleuse für Raumschiffe erreichen. So könnten wir relativ schnell den Rand unserer Galaxy erreichen. Dort gibt es eine Weltraumkneipe. Allerdings …« Er zögerte einen vielsagenden Moment lang. »Nun ja, sie ist nicht so hochklassig.«

      »Nicht so hochklassig?«

      »Von fragwürdiger Reputation.«

      »Wovon sprichst du?«

      »Eine Spelunke, Darling. Sie heißt Waypoint FiftyNine

      »Was ist denn das für ein Name für eine Bar?«

      »Darüber möchte ich mir keine Meinung anmaßen, Honey.«

      Das versprach zumindest unterhaltsam zu werden. Sicherlich spannender als sich die High Society beim Champagnersüffeln anzusehen und sich dabei wie eine Ausgestoßene zu fühlen.

      »Bring mich in diese Spelunke, Benedict.«

      Kurz vor ihrem Ziel verringerte Benedict plötzlich deutlich die Geschwindigkeit. Kay kämmte sich gerade die Haare, überprüfte ihr Make-up und überlegte, ob es besser wäre eine Augenklappe über ihrem Nekromantenauge zu tragen, als sie bemerkte, dass sie nahezu auf der Stelle schwebten. »Ben, was ist los?«, fragte sie verwirrt.

      »Ich habe gerade eine Nachricht der Stations-KI der Kneipe erhalten. Ein defekter Sensor verhindert, dass sich freie Buchten öffnen.«

      »Na und? Wenn eine Bucht wie allgemein üblich drei bis fünf Raumschiffe aufnehmen kann, wo liegt dann das Problem? Da wird doch wohl trotzdem genug Parkraum sein.« Kay entschied sich gegen die Augenklappe und deaktivierte mit einer Handbewegung die Bildschirmkamera, die ihr gelegentlich als Schminkspiegel diente. Nun zeigte der Bildschirm die Meldung der Stations-KI an. »Die wollen uns doch nicht etwa erzählen, dass sie sonst keine freien Plätze mehr haben? Wird diese Spelunke derart überrannt von Besuchern? Das kann ich mir kaum vorstellen.«

      »Beruhige dich, Darling. Du bist etwas gereizt.«

      Kay schnaubte nur als Antwort.

      »Tatsächlich verfügt dieses Etablissement ausschließlich über Einzelparkbuchten.«

      »Wow. Die sind ja dekadent. Einen solche Luxus bietet uns der Palace of Glass nicht. Wir sollten wirklich weniger lästern.«

      »Das Klientel dieser Kneipe wird derartige Maßnahmen verlangen«, meinte Benedict verschnupft. Er mochte den Palace of Glass. Was natürlich an der süßen Service-KI lag, mit der er dort regelmäßig während seiner Updates flirtete.

      »Die Stations-KI des Waypoint FiftyNine fragt, ob wir uns ausnahmsweise einen Parkplatz teilen würden. Scheinbar lassen sich nur noch die belegten Buchten steuern. Oder wir warten, bis eine gewisse Nova den Schaden behoben hat.«

      Ein Bestatterraumschiff zog an ihnen vorbei. Eine Klappe am äußeren Ring der Raumstation öffnete sich. Das Bestatterraumschiff schwebte langsam hinein, die Klappe schloss sich wieder. Nun, offensichtlich funktionierte es problemlos, wenn sie zusagten.

      »Sag ja und dass du eine artige kleine KI bist, die sich nicht mit anderen KIs um frisches Kühlwasser streitet.«

      »Das habe ich wortwörtlich so übermittelt, Love.«

      »Du bist ein Schatz.«

      Wenig später parkte Benedict neben einer dreckigen, kleinen Weltraumschubse.

      Mit einem sanften Klicken schloss sich die Luke ihrer Spacelimousine hinter Kay. Ihr Voice Plug hatte sie auf ihrem Sitz liegen lassen. Nur Loser unterhielten sich noch außerhalb ihres Schiffes mit ihrer KI, wenn es die Arbeit nicht gerade erforderte. Nein, sie würde sich mit echten Personen unterhalten. Oder mit niemanden. Je nachdem. Aber sie würde nicht so tief sinken, ihre KI als einzige Gesellschaft zu haben, wenn sie etwas trinken ging.

      Kay straffte sich und wandte sich dem Schott zu, das zum Inneren der Bar führen musste. Dabei fiel ihr Blick auf den Namen der klapprigen Nussschale neben sich. George Washington. Alles klar. Der Besitzer konnte auch nur ein Mann sein.

      Sie trat durch das Schott und fand sich in einer Kammer wieder.

      »Willkommen«, ertönte eine männliche Stimme aus einem Lautsprecher in der Wand. »Mein Name ist Security-Jack. Ich sorge für die Sicherheit an Bord. Haben Sie irgendwelche Waffen abzugeben?«

      »Nein«, sagte Kay. Die einzige Waffe, die sie bei sich führte, waren die Fähigkeiten, die in ihrem Körper verborgen lagen. Die konnte man nicht abgeben.

      »Scan wird durchgeführt.«

      Kay hielt artig still, bis die blinkenden Lichter erloschen waren und das Surren aufhörte. Das gegenüberliegende Schott öffnete sich.

      »Wo geht es zur Bar?«, fragte sie.

      »Laufen Sie einfach den Ringkorridor entlang. Da hän-gen Schilder, die sie ins Zentrum der Station führen. Viel Spaß.«

      Kay folgte der Wegbeschreibung und stand schließlich vor einem weiteren Schott, das sie per Knopfdruck öffnete. Sie trat ein und ging einige Schritte über den glänzenden Boden, dessen Farbe im Schummerlicht schwer zu definieren war.

      Dann blieb sie stehen und sah sich einen Moment einfach nur um. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das dämmrige Halbdunkel des gefüllten Schankraums.

      Die Wände waren mit einem Sammelsurium an bunt zusammengewürfelten Artefakten bestückt. Am Tresen war es etwas heller als an den Tischen, denn die verspiegelte

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