ТОП просматриваемых книг сайта:
Waypoint FiftyNine. Sandra Florean
Читать онлайн.Название Waypoint FiftyNine
Год выпуска 0
isbn 9783945230503
Автор произведения Sandra Florean
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ehemaliger Finanzminister«, korrigierte der ehemalige Finanzminister.
Der Fremde hatte ihn unvorbereitet getroffen, doch dasselbe war ihm bereits mit öffentlichen Anschuldigungen, Steuerbescheiden und wütenden Mobs passiert – und es war ihm stets gelungen, den Anschein der Ruhe zu bewahren und jemand anderen ans Messer zu liefern.
»Zu Unrecht«, sagte der Fremde. »Gänzlich zu Unrecht. Eine rechtschaffene Amtsperson wie Sie.«
Obwohl die Worte schmeichelnd klangen, war die Stimme des Fremden durch und durch unangenehm. Weshalb konnte der ehemalige Finanzbeamte nicht genau sagen. Dasselbe galt leider auch für sein Äußeres. Er kniff die Augen zusammen, um sich besser auf sein Gegenüber fokussieren zu können, aber sein Blick schien regelrecht von ihm abzugleiten. Der Fremde war durchschnittlich groß, durchschnittlich alt und verfügte über die durchschnittliche Anzahl an Extremitäten. Das war eine ganz beachtliche Leistung, in einem Universum, in dem die Größe seiner Bewohner um mehrere Kilometer voneinander abweichen konnte und die Lebenserwartung irgendwo zwischen einem Atemzug und einigen Jahrmillionen lag. Ganz zu schweigen von der Anzahl der Extremitäten.
Genauere Details ließen sich nicht ausmachen, denn sein Äußeres schien zu flimmern, was es erschwerte, den Blick lange auf ihn fokussiert zu halten.
»Darf ich fragen, welcher Spezies Sie angehören?«, erkundigte sich der ehemalige Finanzminister.
In den meisten Gesellschaftskreisen galt diese Frage als unhöflich, aber im Waypoint FiftyNine konnte man eigentlich nicht von einem Gesellschaftskreis sprechen, sondern vielmehr von einer Abwärtsspirale.
»Oh, entschuldigen Sie, meine natürliche Erscheinungsform verunsichert die meisten Lebewesen«, entschuldigte der Fremde sich und plötzlich sah der ehemalige Finanzminister ihn klar und deutlich vor sich.
Er war klein, schmal und rosig; eindeutig ein Mensch. Inzwischen traf man diese Spezies überall im Universum an, obwohl sie weder besonders widerstandsfähig, noch besonders intelligent war. Daheim auf dem Alterta Mond hatte der ehemalige Finanzbeamte sich manchmal von einem Menschen die Schuhe putzen lassen und einmal – bei einem wirklich exklusiven Dinner auf Roe-3 – hatte er einen von ihnen verspeist. Der Geschmack war nicht übel gewesen, ein bisschen wie uglarisches Hühnchen.
»Sie sind doch nicht etwa ein G-O-2T?«, erkundigte sich der ehemalige Finanzbeamte überrascht über die plötzliche Veränderung seines Gegenübers.
Natürlich war es grundlegend möglich, technisch eine Simulation zu erzeugen, die das Äußere ebenso wie die Stimme vorübergehend veränderte, aber solche Tricks ließen sich nicht lange aufrechterhalten. Außerdem war diese Art von Technik nahezu unerschwinglich. Einige Spezies im Universum verfügten über die natürliche Gabe der Gestaltwandlung, aber nur ein G-O-2T konnte eine solche Illusion wirklich überzeugend vermitteln. Und die Gestalt vor ihm sah überzeugend aus. Nur bei den Haaren war dem Wesen ein kleiner Fehler unterlaufen. Sie glänzten viel zu gepflegt für eine Spezies, die gerade erst aus dem Ozean gekrochen war.
Bescheiden nickte sein Gegenüber. Die rosige Haut sah sehr verletzlich aus und die Gliedmaßen dünn und zerbrechlich. Er hatte die Gestalt offenbar frei gewählt, aber dem ehemaligen Finanzminister blieb es ein Rätsel, warum er sich ausgerechnet für das Auftreten als Mensch entschieden hatte. Vermutlich sollte die harmlose Erscheinung eine beruhigende Wirkung auf ihn ausüben. Mit einem G-O-2T war wirklich nicht zu spaßen. Sie konnten nicht nur ihre Gestalt nach Belieben verändern, sie waren auch so gut wie unsterblich.
»Ich fürchte, Sie liegen mit Ihrer Vermutung ganz richtig. Mein Name ist Kalzan«, sagte der G-O-2T. »Vielleicht haben Sie bereits von mir gehört.«
Seine Stimme hatte sich ebenfalls verändert. Sie war jetzt hoch und nicht besonders sauber akzentuiert. Der ehemalige Finanzminister fand sie immer noch unangenehm, aber nun auf eine Art, die er ganz klar benennen konnte. Es war dasselbe Gefühl, das ihn sonst nur überkam, wenn er sich mit einer unterentwickelten Spezies unterhielt. Obwohl das Wort unterentwickelt in seiner offiziellen Philosophie natürlich keinen Platz fand.
»Der Name kommt mir bekannt vor«, stellte der ehemalige Finanzminister unverbindlich fest.
Das war natürlich gelogen, aber einen G-O-2T verärgerte man lieber nicht. Viel lieber schmeichelte man ihrer Eitelkeit und entfernte sich dann zügig – ohne ihnen den Rücken zuzukehren.
»Ich«, setzte Kalzan an und drückte die stolzgeschwellte Brust durch – bei einem armseligen Geschöpf wie dem Menschen sah das ziemlich lächerlich aus. »Ich bin das wahrscheinlich unbekannteste Auftragsopfer des gesamten Universums.«
Der ehemalige Finanzminister versuchte, einen verständnisvollen Laut auszustoßen, ohne sich in irgendeiner Weise auf eine Stimmung, Meinung oder Grundhaltung festzulegen. Als Politiker hatte er darin zum Glück Übung.
»Wenn Sie derart unbekannt sind, ist es nicht verwunderlich, dass ich nicht von Ihnen gehört habe«, sagte er.
Kalzan nickte. Das blonde Haar auf seinem Kopf wippte dabei. Der Kopf war nun wirklich eine sehr eigenartige Stelle für Körperbehaarung. Die Evolution steckte auf dieser Erde tatsächlich noch immer in den Kinderschuhen.
»Natürlich, natürlich«, stimmte Kalzan zu. »In meinem Geschäft ist es geradezu essenziell, unbekannt zu sein. Als Auftragsmörder, ja, da muss man sich natürlich einen Ruf erwerben. Man muss gefürchtet werden, sonst heuert einen niemand an. Keiner beauftragt heute noch einen einfachen Killer. Es muss schon ein Profi sein. Dafür braucht man ein vorzeigbares Portfolio. Im Keller nützen die Leichen einem überhaupt nichts, man muss sie schon im Schaufenster präsentieren. Die meisten Assassinen sind ja inzwischen selbstständig, wenn sie nicht gerade bei irgendeinem Großkonzern angestellt sind. Da muss man sich schon richtig ins Marketing reinhängen, um Aufträge zu erhalten.«
Kalzan machte eine Pause und der ehemalige Finanzminister nickte, weil er das Gefühl hatte, dass das an dieser Stelle von ihm erwartet wurde.
Ihm war nicht klar, wohin dieses Gespräch eigentlich führen sollte, aber die ständige Erwähnung von Auftragsmorden verursachte ihm Unbehagen – aus persönlichen Gründen.
»Bei mir hingegen ist es genau umgekehrt. Die Tatsache, dass Sie noch nicht von mir gehört haben, sollte Ihnen als Aushängeschild für meine Arbeit dienen. Ich bin nicht nur ein ordinäres Opfer. Ich bin ein Profiopfer.«
»Ah was«, sagte der ehemalige Finanzminister.
»Sie könnten meiner Dienste bedürfen«, erklärte Kalzan.
Der ehemalige Finanzminister war sich nicht ganz im Klaren darüber, was ein Profiopfer eigentlich leistete, geschweige denn welchen Nutzen er davon haben könnte.
»Ist das so?«, erkundigte er sich und bemühte sich, süffisant zu klingen. Er wollte den Eindruck von Überlegenheit vermitteln, während er gleichzeitig hoffte, dass Kalzan eine Erklärung folgen lassen würde.
»Selbstverständlich. Ein Leibwächter nützt Ihnen hier überhaupt nichts.«
Kalzan warf einen vielsagenden Blick zu KRAWUMM!.
Dabei spielte er geistesabwesend an einem Armreif herum, den er um das lächerlich dürre Handgelenk trug. Der ehemalige Finanzminister hätte schwören können, dass noch vor wenigen Augenblicken ein kleines Licht an der Seite geleuchtet hatte, aber jetzt war es erloschen.
»Beispielsweise könnten Sie die drei Individuen dort an der Theke sicher problemlos aus dem Weg räumen. Jedenfalls außerhalb der Kneipe. Hier drin macht Ihnen Ihr schickes Spielzeug mit dem Gewaltblocker im Nacken nicht einmal eine Dose Ravioli auf«, ergänzte Kalzan. »Aber selbst wenn Ihnen die Beseitigung gelingt, kommen schon bald die nächsten. Ihre Feinde aus dem Weg zu räumen ist nicht zielführend, wenn es derart viele gibt. Um Ihre Ruhe zu haben, müssen