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vorwurfsvoll.

      »Nun ja, da habe ich einen guten Handel gemacht, ich habe mir das stattlichste Mädel ausgesucht, für das nur ein geringer Brautpreis zu zahlen war ...«

      Keterlyn brach in Gelächter aus. »Du alter Geizhals!«

      »Aber ich beklage mich nicht, nicht im Geringsten, das käme mir gar nicht in den Sinn. Der Preis war nicht hoch, aber was für ein Prachtweib. Übrigens, ich habe vorhin auf meiner Sternenkarte nachgeschaut, was diese einem schlauen Apotheker für heute verspricht, und dort stand etwas sehr Erfreuliches«, verkündete Melchior und blinzelte seiner Gemahlin spitzbübisch zu.

      Keterlyn ertappte seinen Blick dabei, wie er ihren Körper entlangglitt und fragte mit gespielter Strenge: »So, was denn?«

      Melchior zwinkerte noch einmal und breitete die Sternenkarte aus. »Tritt nur näher, meine Liebe, und schau selbst.«

      »Dieses Sternenzeug ist doch Hokuspokus und ich glaube sowieso nicht dran, was soll ich da denn schauen?«

      Wenn Keterlyn überhaupt an irgendetwas ernsthaft glaubte, so war dies ihr weiblicher Instinkt, in dem sich die alte Bauernschläue ihrer Vorfahren und die Vorsicht einer modernen Städterin vereinten. Melchior aber schmunzelte und beugte sich über die Sternenkarte. Die Frau eines Apothekers ist eben kein Apotheker, dachte Melchior.

      »Wenn ich es richtig verstehe, so zeigt der Schütze ziemlich eindeutig, dass heute morgen ein tüchtiger und vortrefflicher Apotheker genau hier und jetzt von seiner lieben Gemahlin einen süßen Schmatz bekommt«, sagte er dann. Er drehte sich schnell um und zog seine Frau an sich. Keterlyn zierte sich anfangs, doch nur, weil sich das so gehörte. Ihren Einwand, dass doch jeden Moment jemand hereinkommen könnte, wollte Melchior nicht hören. Er drückte seine Frau sanft gegen den Ladentisch, drückte die Lippen auf ihren Mund, fuhr mit der Hand unter ihr Kleid und streichelte ihre geschwungene Hüfte.

      »Siehst du, Liebste, genau so, wie es der Schütze vorausgesagt hat: Ein süßer Schmatz, und der Tag kann beginnen. Du glaubst also ganz umsonst nicht an die Sternenkarte«, flüsterte er nach einer Weile seiner Frau ins Ohr.

      Und erst nachdem Keterlyn die Voraussage des Schützen bereitwillig entgegengenommen hatte, hörte Melchior Wakenstede, dass gestern auf dem Domberg ein hochrangiger Ordensritter umgebracht worden war. Keterlyn war am Morgen auf dem Markt gewesen, und wie Melchior schon oft bemerkt hatte, war der Markt der einzige Ort in der Stadt, wo man noch früher als in der Apotheke das Neueste hörte.

      »So, haben die Ritter einander ein wenig zur Ader gelassen?«, fragte er neugierig, denn Apotheker sind nun einmal sehr neugierig.

      »Ich weiß nicht. Ein gewisser Clingenstain oder so ähnlich. Es heißt, dass man ihm den Kopf abgeschlagen hat, im Schlaf!«

      »Du lieber Gott!«, entfuhr es Melchior. »Was für furchtbare Spiele unsere Ritterherren nur spielen. Wer mag dieser Übeltäter nur gewesen sein?«

      »Oh, erzählt wird alles Mögliche, aber Genaues weiß niemand. Der Komtur weiß es auch nicht, es gibt keine Zeugen. Der Kopf war abgeschlagen und das ist alles, kein Mörder weit und breit. Ein paar Rittersknappen wurden am Morgen schon beim Rathaus gesehen, die waren recht verdrossen und stritten miteinander. Melchior, sag, wohin ist unsere Welt nur geraten, wenn schon die Ordensmänner untereinander Streit suchen und so schreckliche Bluttaten begehen?«

      »Ich weiß es nicht,« gestand Melchior und sah zum Fenster hinaus. »Und ich weiß nicht, ob ich es überhaupt wissen will. Aber ich glaube, dass wir gleich mehr darüber hören werden, denn dort kommt ja unser werter Gerichtsherr Dorn persönlich.«

      Die Stadt war zum Leben erwacht, auf der Raderstraße drängte sich bereits die alltägliche Menschenmenge, und unter den bekannten Gesichtern erkannte Melchior sofort ein besonders vertrautes Gesicht, seinen guten Freund, den Gerichtsherrn der Stadt Reval, Wentzel Dorn. Und schon als Dorn die Apotheke betrat, wusste Melchior, was für Nachrichten ihm der Freund brachte. Der Gerichtsherr schien mürrisch und verdrossen, er hatte seine Amtskette vergessen und brannte auf ein paar Heilschnäpse und guten Rat.

      Das ist nicht das erste Mal, erinnerte sich Melchior. Der Gerichtsherr kannte sich zwar gut im lübischen Recht aus und er hatte kräftige Diener, aber wenn er guten Rat brauchte, so war die Apotheke der erste Ort, den er aufsuchte. Es war schon drei Mal vorgekommen, dass Melchior dem Rat von Reval bei der Suche nach einem Mörder behilflich sein konnte und beim vorigen Mal im letzten Sommer, als Melchior herausgefunden hatte, wer jenen flämischen Ketzer erwürgt hatte, hatten sie festgestellt, dass sie sehr gerne Zeit miteinander verbrachten, über die weite Welt diskutierten und zusammen Bier tranken. Und das nannte man dann wohl Freundschaft.

      Der Revaler Gerichtsvogt Wentzel Dorn war ein Dutzend Jahre älter als der Apotheker, ein untersetzter und stämmiger Mann mit roten Haaren, der leicht auf dem rechten Bein hinkte. Das rührte von einer alten Verletzung her, die er sich in seiner Jugend in der städtischen Kriegstruppe beim Kampf gegen die Litauer zugezogen hatte. Schon sechs Jahre lang war der gebürtige Revalenser Wentzel Dorn der Gerichtsvogt des Rates, einer von vierzehn Ratsherren, allerdings nannte man den Gerichtsvogt auch den kleinen Ratsherren, denn größeres Mitspracherecht bei der Planung von städtischen Angelegenheiten hatte er keines. Die Aufgabe des Gerichtsherrn war es, Verbrecher zu fassen und sie bei geringeren Vergehen nach dem lübischen Recht zu bestrafen. Ebenso war es seine Sache, ein Auge auf die Handwerker zu haben, dass sie die Vorschriften des Rates befolgten und die Stadtbewohner nicht betrogen. Bei schwereren Verbrechen hielt der ganze Rat Gericht, gemeinsam mit allen Bürgermeistern und Ratsherren. Wentzel Dorn war ein guter Gerichtsvogt, fand Melchior, und ein guter Richter, da er das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Wie es im lübischen Recht stand, durfte sich ein Richter weder von Hass, Gunst noch Geschenken beeinflussen lassen und durfte niemanden fürchten außer dem Herrgott, und genau daran hielt sich Wentzel Dorn auch. Wenn jemand gefoltert werden musste, so befahl Dorn, ihn zu foltern. Und was Gerechtigkeit und Rechtsprechung anging, so war er weder übermäßig streng noch grausam, er hörte stets alle Beteiligten an und verhängte eine solche Strafe, die der Angeklagte zahlen konnte und die seine Familie nicht in die tiefe Armut trieb. Wenn aber Schläue nötig war oder man einen Verbrecher seinen Spuren nach suchen musste oder wenn ein Dieb alles abstritt und niemand gegen ihn aussagte, dann fehlte es Dorn manchmal an Scharfsinn. Aber dazu hatte man schließlich Freunde.

      Ja, dies war nicht das erste Mal, dass Melchior seinem Freund einen guten Rat geben sollte, und mit genau solchen gerunzelten Augenbrauen wie immer in solchen Fällen betrat Wentzel Dorn nun die Apotheke.

      Der Gerichtsherr begrüßte höflich Keterlyn und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen.

      »Der Frieden des Herrn sei mit Euch, Herr Wentzel«, sagte Keterlyn.

      »Von Frieden sind die Dinge hier weit entfernt«, entgegnete der Gerichtsherr unwirsch.

      »Ich frage dann erst gar nicht lange«, sagte Melchior, »wie es dem Bauch des Gerichtsherrn heute morgen geht, ich schenke besser gleich einen heilenden Gewürzwein ein.«

      »Ach«, rief Keterlyn mit gespielter Überraschung, »geht es dem Gerichtsherrn wieder im Bauch herum? Wie jeden Morgen?«

      »So ein kleiner Heiltrunk, ja, der würde nichts schaden. Der Bauch zwickt und zwackt schon rechtschaffen ...«, brummte Dorn.

      Melchior hatte die Tonflasche schon bereitgestellt. »Und wie ich sehe, sind die Bauchschmerzen heute ganz besonders schlimm, der Gerichtsherr hat deswegen sogar seine Amtskette vergessen«, bemerkte er, während er den Trunk eingoss. »Wohl bekomm‘s!«

      »Dank dir, Melchior, wohl bekomm‘s!« Der Gerichtsherr kippte den Becher Gewürzwein mit Kräutern die Kehle hinunter und atmete tief aus. Keterlyn beobachtete ihn und lachte still in sich hinein. Soweit sie wusste, plagten den Gerichtsherrn seine Bauchschmerzen allzu oft und ein Apothekertrunk der stärkeren Art schien das einzige zu sein, was half.

      Dorn ächzte jedoch: »Als ob der Leibhaftige selbst dahintersteckte, das zwickt und zwackt nur so. Die Amtskette aber, ja ... Die habe ich vielleicht gar nicht mehr lange um. Aber Melchior, falls du es noch nicht gehört haben solltest ...«

      »Das

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