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Lampe einen spärlichen Teil der Halle. Vor allem fällt mir der Geruch auf, der süßlich-harzige Geruch von frisch gesägtem Holz, der jedem sofort auffällt, der ihn nicht gewohnt ist.

      Der Franzose aus Saint-Dyé und seine Tochter sind schon da. Sein Spitzname ist Bibi. Die Tochter heißt Jacqueline. Er kniet vor dem Ofen und pustet auf einen feuchten Heuhaufen, über dem Holzbrettchen aufgeschichtet sind, aus denen Flüssigkeit sickert. Die Luft ist feucht und kalt. Er flucht: »Scheiße, verdammte! Irgendwann schmeiß ich den beschissenen Ofen noch raus!« Er wendet sich zu mir um: »Das geht auf keine Kuhhaut! Hier arbeiten zehn Leute, mit dir jetzt elf, und nichts, um ein Feuer zu machen. Schöner Dreck, dieses Scheißloch hier!«

      Ich wundere mich. Bald werde ich erfahren, dass es eine der Lieblingsbeschäftigungen der Arbeiter ist, über ihren Chef zu schimpfen. Ich bekomme eine erste Ahnung vom stillen und erbarmungslosen Krieg, den die Arbeiter gegen ihren Boss führen und den ich auch später an jedem Arbeitsplatz erlebt habe.

      Ich antworte nichts.

      Ein anderer kommt: Er reicht mir die Hand. Er ist herzlich, doch sein Blick ist falsch und böse. Später werde ich erfahren, dass er ein Gendarm im Ruhestand ist, der in Muides wohnt.

      Außerdem gibt es einen Spanier, der zu niemandem ein Wort sagt und im Eck neben dem kalten Ofen hockt.

      Auf Außenstehende muss die Halle in diesem Augenblick einen seltsamen Eindruck machen: ein wirres Durcheinander von Holzbrettern in allen Größen, reglosen Maschinen, die sich undeutlich im Halbdunkel abzeichnen, Holzspänen und Holzkisten mit der Aufschrift:

      CROIX DE LORRAINE – Argenteuil

      – alles unter einer Staubschicht, leblos und vereist.

      Pressurot kommt, seine Begrüßung dröhnt durch

      die Halle: »Guten Morgen, Kinder! An die Arbeit!«

      Ich antworte als Einziger, ganz leise. Alle Augen richten sich auf die alte Standuhr, deren Pendel gleichmäßig glänzt. Sieben Minuten vor sieben. Wortlos geht jeder an seinen Platz, die Hände in den Taschen, den Rücken gebeugt. Die beiden, die gestern an der Trummsäge gearbeitet haben, kommen zuletzt, unausgeschlafen und ungewaschen. Der eine ist klein, jung, gedrungen. Der andere ist grauhaarig, groß, hager und hat viele Falten. Er hat einen Tick: Manchmal verdreht er seine rot durchäderten Glubschaugen. Der Kleine ist Gauthier. Den Alten nennen sie Jules. Wortlos nehmen sie ihre Säge von der Wand und beginnen zu arbeiten, wie am Vortag.

      Währenddessen macht mich Pressurot mit meiner Aufgabe bekannt und erklärt, was er von mir erwartet. Schnelle, sorgfältige, am besten tadellose Arbeit. Und natürlich, dass ich gut liefere, das sei in meinem wie in seinem Interesse.

      Ich muss verschiedene Bretter zu Flaschenkisten zusammenbauen. Mit ein bisschen Übung gehe das ganz von alleine, sagt er. Am Anfang solle ich achtgeben, keine Fehler beim Zusammenbauen zu machen und mir nicht auf die Finger zu hämmern. Zum Glück war ich schon immer recht geschickt. Nichtsdestotrotz werden meine Hände, wenn sie durch den ständigen Kontakt mit den kalten Nägeln und dem kalten Holz ganz steifgefroren sind, noch ein paar schöne Schläge mit dem Hammer abbekommen.

      Meine Schülerhände, die niemals gelitten haben, werden bald ihr Handwerk lernen. Ein schmerzhaftes Handwerk. Ich versuche, so schnell wie möglich zu arbeiten. Das ist dumm. Aber ich will besser sein als die anderen. Man hat mir gesagt, dass ein Anfänger in der ersten Zeit nicht mehr als zwölf Kisten pro Tag schafft. Ich will mehr, ich will die anderen beeindrucken. Erstens aus Eitelkeit, zweitens, weil ich merke, dass die anderen Arbeiter jede meiner Handbewegungen ganz genau beobachten, und mir das nicht gefällt. Ihre Welt ist nicht die meine. Sie sind sich zwar nicht sicher, doch sie spüren, dass ich aus einer wohlhabenderen Klasse komme als sie. Ich hebe mich von ihnen ab, und das, obwohl ich äußerlich genauso aussehe wie sie. Tatsächlich war ich noch nie in meinem Leben so schlecht gekleidet wie heute: Ich trage alte Lederschuhe, eine Art abgetragene Skihose, einen geflickten blauen Pullover und ein blaues, weißgepunktetes Halstuch. Auf dem Kopf eine amerikanische Schirmmütze aus Leinen.

      Doch das ändert nichts, meine Art, meine Redeweise ist anders als ihre, und obwohl sie mich noch nicht kennen, misstrauen sie mir.

      Also arbeite ich, so schnell ich kann, bis plötzlich ein Geräusch zu hören ist, das ich nicht zuordnen kann und das mich den Kopf heben lässt. Es ist das Geräusch des stählernen Sägeblatts, das, angetrieben von zwei gusseisernen Scheiben, langsam zu rotieren beginnt. Zunächst ist das Geräusch noch tief und unklar, mit zunehmender Geschwindigkeit wird es immer klarer und höher. Die Säge wurde angestellt – die Säge, diese verdammte Maschine, die mir über achtzehn Monate so zu schaffen machen wird. Und das Sägeblatt: niemals müde, und man braucht bis zu zehn Männer, um es zu füttern, es zu sättigen.

      Diese Sägebank ist recht klein, zwei Männer genügen, um sie zu versorgen. Später sollte ich leistungsfähigere Blockbandsägen sehen, an denen die oben erwähnten zehn Mann zu schaffen hatten.

      Das Blatt hat die Arbeitsgeschwindigkeit erreicht, es leuchtet hell unter dem Schein der darüberhängenden Lampe.

      Gauthier und Jules packen ein Stück Pappel und werfen es auf den Laufwagen – ein metallisches Scheppern. Die beiden sind die Säger.

      Gauthier verkeilt den Block sorgfältig mit kleinen Holzstücken und richtet ihn aus – wozu? Ich weiß es nicht. Als alles fertig ist, holen die beiden noch einmal tief Luft, dann schieben sie behutsam den Laufwagen über die Walzen. Der am Rand des Laufwagens festgekeilte Block nähert sich langsam dem Blatt – plötzlich ein lautes, reißendes Geräusch und eine Fontäne von frischem Sägemehl: Die Säge ist ins Holz eingedrungen.

      Niemals werde ich dieses Bild vom Aufeinandertreffen von Sägeblatt und Holz vergessen. Dieser Moment ist immer wieder spannend. Man nennt dieses Aufeinandertreffen auch Angriff. In einem Sägewerk beobachtet jeder den Angriff, der einfache Arbeiter ebenso wie der alte Säger, der mit gerunzelter Stirn mit seiner Säge leidet, oder der Schleifer, der bereits am Klang erkennt, ob das Sägeblatt stumpf ist oder nicht.

      Gauthiers nach unten gezogene Mundwinkel und seine gerunzelte Stirn erstarrten im Augenblick des Angriffs. Er sah leidend aus. In Jules’ Gesicht, dessen Falten im Licht deutlich zu sehen waren, lag vor allem eine extreme Müdigkeit. Weit nach vorne gebeugt schoben die beiden den schweren Laufwagen mit dem schweren Block. Als der Block gesägt war, kam der nächste an die Reihe, so lange, bis es kein abgelängtes Holz mehr zum Sägen gab. An ihren Gesichtern konnte ich sehen, wie mühevoll diese Arbeit für sie war. Wenig später erfuhr ich, dass sie jeden Tag zehn Stunden dasselbe machten.

      Wir arbeiten bis Mittag. Um zwölf Uhr versammeln wir uns mit unseren Henkelmännern in den Händen um den Ofen, der immer noch nicht heizt. Keine Möglichkeit, unser Essen aufzuwärmen. Pressurot wünscht uns einen guten Appetit und geht zum Mittagessen nach Hause. Sobald er draußen ist, fieberhafte Aktivität. Bibi holt Tannenbretter, die seit letztem Sommer lagern und schön trocken sind. Er schaltet die Kreissäge an, sägt das Holz in kleine Stücke und schmeißt sie in den Ofen, der langsam zu heizen beginnt. Das ist zwar Diebstahl, aber wenn wir es wenigstens für eine Stunde warm haben wollen, dann bleibt uns keine andere Wahl. Pressurot erlaubt uns nur, junges Pappelholz zu verbrennen. Doch das brennt nicht, und für die Arbeiter gibt es kein Brennholz. Es gibt also nur Feuer, wenn Pressurot nicht da ist. Diejenigen, die nah am Ofen arbeiten, haben es warm. Mir hat man leider gesagt: »Du bist jung, da hat man noch warmes Blut. Mir war mit achtzehn nie kalt« und mich an den Werktisch gestellt, der am weitesten vom Ofen entfernt liegt. Zwischen zwei Türen, den ganzen Tag im eiskalten Luftzug. Wer schon einmal in einem Sägewerk war, weiß, dass oft Wind und Regen durch Ritzen oder fehlende Bretter dringen. Es geht nicht darum, die Arbeiter vor Wind und Wetter zu schützen. Es geht um die Sägebank, das gesägte Holz, die zusammengebauten Kisten, kurz: um die Produktion.

      Nach zweimal fünf Stunden Arbeit am selben Fleck sind meine Füße so steifgefroren, dass es sich anfühlt, als hätte ich Holzklötze in den Socken. Meine Hände gehorchen mir nicht mehr. Trotzdem arbeite ich, so schnell es geht, ich will zeigen, dass ich nicht ungeschickter bin als andere. Deshalb haue ich mir auf die Finger. In der Kälte tut das entsetzlich weh.

      Zum

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