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können.

      Bevor ich in das Dorf kam, konnte ich in der nahen Stadt Sibiu/Hermannstadt bei Bekannten unterkommen. Die Villa war groß, es gab Internet, ich durfte das Auto benutzen. Die Frau drängte mich immer, zu essen. Ihr Mann wollte uns helfen, ein altes Bauernhaus zu finden. Er brachte mich nach Neudorf und stellte mir in Aussicht, hier ein Arbeitsprojekt zu starten. Die einzige Möglichkeit der Leute besteht darin, gelegentlich als Taglöhner oder Schafhirten etwas zu verdienen, oder selbst zwei, drei Schafe zu halten und deren Milch oder Fleisch zu verkaufen. »Wenn ein normaler Mensch hier aus dem Auto aussteigt und die vielen Zigeuner sieht, fährt er sofort wieder weg«, sagte der Geschäftsmann. Die Belastung war für ihn zu groß. Gemeinsam mit einer Volontärin bin ich zurückgeblieben.

      Ein Hindernislauf begann. Wenn ich ratlos bin, schaue ich bei Stana vorbei. Dann weiß ich, dass hier unser Auftrag ist. Sie kämpft für ihre Kinder, sie hat fast nichts und gibt doch viel. Mir gibt sie Geborgenheit.

      Die Frage, was ewiges Leben ist, versetzt mich in Stanas Hütte. Hier kannst du greifen, was gültig ist. Ewiges Leben, so formuliert Jesus den Auftrag, den er vom Vater bekommen hat. Und wie setzt er ihn um? Er versammelt ein paar junge Menschen um sich und zeigt ihnen eine bestimmte Art von Leben. Sie sollen die Not sehen lernen und die Angst ablegen. Mit ihnen geht er zu den Kranken und berührt die Aussätzigen. Bei den Menschen, die anders sind, sieht er das Gute. Auch wenn nicht viel da ist, gibt er den Hungernden zu essen. Kein Wunder, dass seinen Helfern und Helferinnen Stress nichts Unbekanntes ist. Sie suchen Ruhe und stoßen immer wieder auf Leute, die wie Schafe sind, die keinen Hirten haben. Mit den Herausforderungen aber entdecken die jungen Leute ihre Stärken und ihre Berufung.

      Als wir einmal Stanas Familie verlassen, sagt die 19-jährige Volontärin fast übermütig: »Jetzt weiß ich, wozu ich auf der Welt bin; ich werde nicht drei Monate, sondern ein Jahr hierbleiben.« Stana braucht Hilfe. Doch mehr noch gibt sie – eine Liebe, die ihre Kinder spielen lässt und uns den Mut zu einem Auftrag gibt, der glücklich macht.

      Aufträge, die belasten, und Aufträge, die glücklich machen. Was bleibt?

      Und ich weiß, dass sein Auftrag ewiges Leben ist. Was ich also sage, sage ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.

      JOHANNES 12,50

      Einen Weg wählen

      Welche Entscheidung prägt mich? An wen und was habe ich mich gebunden? An welcher Weggabelung stehe ich heute?

       Ruth Zenkert

      Unglaublich, dieser Stefan! Dass er ein so talentierter Fußballer war, hätten wir uns nicht gedacht. Eine wahre Bombe, gewandt, clever, reaktionsschnell. Er schoss mehrere Tore und entschied das Match. Noch eine seiner vielen Begabungen.

      Stefan war für einen Sommer in unser Jugendhaus nach Wien gekommen, um ein Praktikum zu absolvieren. Er studierte Theologie, sein Heimatpfarrer unterstützte den Oberministranten, damit er ein guter Priester werde. Dann ging der Sommer, aber Stefan blieb. Die Arbeit mit den Obdachlosen und Drogensüchtigen faszinierte ihn, und er verlängerte seinen Einsatz. Was er anpackte, wurde zum Erfolg. Der schwarzlockige junge Mann war beliebt bei den Mitarbeitern und Schützlingen, aber auch bei den Mädchen. Seine Welt wurde immer bunter, das Studium hingegen interessierte ihn weniger. Vom Priesterseminar meldete er sich ab. Er wollte zur Philosophie oder auf die Sozialakademie umsteigen. Dann wieder begeisterte er sich für einen praktischen Beruf: Als Tischler mit Langzeitarbeitslosen ein Projekt aufbauen, das hätte ihm gefallen. Wir redeten über viele Ideen, aber rechnen konnten wir nicht mit ihm; er müsse gehen, hieß es. Nach einem Jahr packte er seine Koffer. Stefan hinterließ viele sehnsüchtige Herzen und unerfüllte Träume.

      Eines Tages kam er auf Besuch, mit einer Begleiterin. Ich war schönere Frauen an seiner Seite gewohnt; Silvia war klein, dicklich und schüchtern. Aber bei Stefan spürte ich eine Veränderung. Er war nicht mehr der unruhige Geist, der allen schöne Augen machte. »Wir werden im Herbst heiraten«, kündigte er uns an. Inzwischen hat er drei Kinder und arbeitet als Pastoralreferent. In der Jugendarbeit kümmert er sich um die Außenseiter, und er hat eine lebendige Gemeinde.

      Unter den vielen Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten, hat Stefan eine gewählt. So lädt auch Jesus seine Freunde auf einen Weg ein: »Niemand kommt zum Vater außer durch mich.« Wenn wir mit ihm gehen und lernen, finden wir zu Gott. Jesus macht uns dieses Angebot. Gleichzeitig aber weiß er, dass es viele gibt, die schon bei seinem Vater sind und ihn gar nicht als Wegweiser brauchen. Jesus erkennt an, dass es zu Gott auch andere Wege gibt als ihn. Diese anderen stellt er seinen Gefährten sogar als Vorbild hin, damit sie von ihnen den starken Glauben lernen. Unser Glück finden wir dann, wenn wir uns in der Vielzahl der Wege ganz für einen entscheiden. Jesus bietet uns sein Leben als Modell an.

      Stefan hatte zahlreiche Angebote, viele warben um ihn. Er hat sich für einen Weg entschieden – nicht für die schönste Frau, nicht nach dem Wunsch seiner Begleiter. Es ist nicht der einzige Weg und vielleicht auch nicht der beste, aber er kann ihn gehen. Weil er sich an jemanden gebunden hat, ist er glücklich. Wenn ich mich angesichts all meiner Begabungen, Freunde, Interessen für einen Weg entscheide, bekomme ich Profil und kann mein Ziel erreichen.

      Wann habe ich mich für einen Weg und gegen die vielen anderen entschieden? Welche Entscheidung prägt mich? An wen und was habe ich mich gebunden? An welcher Weggabelung stehe ich heute?

      Niemand kommt zum Vater außer durch mich.

      JOHANNES 14,6b

      Die Schätze in dir

      Du trägst mit dir eine Wegzehrung, das Viaticum. Welche Warnung, welche Ermutigung geben dir deine Erinnerungen?

       Ruth Zenkert

      Feinbitterer, ranzig scharfer Geruch: Motorenöl für Traktoren. Wenn ich es heute irgendwo rieche, steigt ein Bild in mir auf: ein offener Sarg, so hoch oben, dass ich nicht hineinschauen kann; viele schwarz gekleidete Menschen, verlorene Stimmung. Ich war vier Jahre alt, mein Großvater lag aufgebahrt in der Werkstatt des Hofs, auf dem meine Mutter aufgewachsen war.

      Die Nacht vor dem Muttertag. Meine Freundin und ich durchstreiften die Gärten unserer Nachbarn und pflückten die schönsten Blumen. Über Nacht stellten wir sie in Eimer und versteckten sie hinter den Fahrrädern. Am Morgen überreichte ich meiner Mutter mit guten Wünschen einen bunten Strauß. Wie immer durchschaute sie das Spiel: »Woher sind die Blumen?« Ich beschrieb, wie wir über die Zäune geklettert waren; da nahm sie den Strauß und warf ihn in den Mistkübel: Stehlen ist eine Schande! Der Tag wurde kein Fest mehr.

      Buchstaben im Schnee. Jeden Winter gab es ein Fest der Pfadfinder im Gemeindesaal. Ein hübscher Bursche forderte mich auf, wir tanzten den ganzen Abend miteinander. Auf dem Heimweg spürte ich ein großes Glück, ich war zum ersten Mal verliebt. Und schrieb mit dem Finger seinen Namen in den Schnee: Robert. Ich habe ihn nie wiedergesehen.

      Eine Zugfahrt. Die Arbeit in der Bank war nicht das, was ich mir für mein Leben vorgestellt hatte. Bei der Suche nach Neuem stieß ich auf eine Bibelschule und fuhr zum Vorstellungsgespräch nach München. Der Pater nahm mich auf, ich unterschrieb und fuhr wieder nach Hause. Im Zug wurde mir erst klar, welch ernste Folgen diese Entscheidung hatte. Ich musste kündigen – und dann? Hatte ich nicht leichtsinnig gehandelt? Ganz allein im Abteil, sah ich die Landschaft vorbeiziehen und wusste: Ich sitze im richtigen Zug.

      Eingesperrt. Vor dem Weihnachtstag veranstalteten wir im berüchtigten Bukarester Gefängnis Jilava eine Feier mit unseren Freunden, die wir von der Straße kannten. Später gab es ein bescheidenes Essen, das wir mit Wurst und Gurken angereichert hatten. Die Festgemeinde musste in ihre Zellen zurück, wir durften durch die Luken hineinschauen: zwanzig Männer auf engstem Raum, mit kleiner Nasszelle, alles von außen unter Kontrolle. Der Wärter sah unsere geschockten Gesichter und fragte: Wollt ihr die Abteilung aus »den Zeiten« sehen? So nennen sie die Ceauşescu-Jahre. Wir folgten ihm in die Bunker, die nicht mehr benutzt werden, aber noch im Originalzustand sind. Lange finstere Gänge. Die Dunkelzellen: ohne Licht und Luft, ein Brett zum Liegen, tagsüber

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