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holte Wasser vom Brunnen, schaffte den Müll fort, ohne dass ich ihm ein Wort sagen musste, bis er sich die Balken und neue Dachziegel verdient hatte. Wir brachten das Baumaterial zu ihm und halfen ihm, das Dach zu bauen. Ghiza brachte Stroh, einen Haufen Maiskolben, Heu, und bald stand ein junges Fohlen im Stall. Als ältester Sohn der zwölfköpfigen Familie wird er jetzt ein wenig mithelfen können, dass jeden Tag Brot im Haus ist.

      Erst als Ghiza eine Perspektive für sich sah, konnte er zupacken. Dann konnten wir ihm helfen, seine Wünsche zu erfüllen. So mag es auch Jesus mit seinen Schülern gegangen sein. Jahrelang lehrte er sie in Wort und Tat, manches hat gegriffen, manches weniger. Bis der Zeitpunkt gekommen war, dass sie selbst umsetzen konnten, was er ihnen beigebracht hatte. »Bis jetzt habt ihr noch um nichts in meinem Namen gebeten. Bittet und ihr werdet empfangen …« Jesus schickte seine Schüler in die Welt, damit sie sein Werk fortsetzen. Er wusste, dass sie nur dann beginnen würden, wenn die Pläne ihrer eigenen Sehnsucht entsprangen und nicht mehr seiner Führung. Nach den Jahren, die sie mit ihm verbracht hatten, würden sie »in seinem Namen« ihre Ziele verwirklichen.

      Wer hat mich zum Laufen gebracht? Wann ist der Funke auf mich übergesprungen? Wann habe ich mit eigenen Plänen begonnen? Welche Bitte habe ich heute im Herzen?

      Bis jetzt habt ihr noch um nichts in meinem Namen gebeten. Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist.

      JOHANNES 16,24

      Beim Helfen scheiden sich die Geister

      Was haben uns Gegner zu sagen?

       Ruth Zenkert

      Alles war für die Orchesterprobe vorbereitet, Stühle, Notenständer, und es war eingeheizt. Remus, der Dirigent, lief nervös auf und ab. Kein Musikschüler war erschienen. Florin ahnte, was geschehen war. Er schwang sich auf sein Fahrrad und raste zum Versammlungsraum der Baptisten am Ortsrand. Dort war es gesteckt voll. Auch Leute, die sonst arbeiten gingen, drängten hinein. Florin schob sich in die Menge, bis er unsere Kinder, die Musikschüler, erreichte. Mit dem Zeigefinger tippte er auf seine Armbanduhr und ermahnte sie, zur Probe zu kommen. Die Kinder rührten sich nicht, versuchten bloß, schneller zum Gemeindeleiter zu gelangen. Der verteilte gerade Geschenke an alle Dorfbewohner. Eine Hilfslieferung aus Amerika war angekommen, jede Familie erhielt eine Kiste mit bunt gemischten Kleiderspenden, dazu Reis und Milchpulver. Als gäbe es in Rumänien keine Lebensmittel. Die ersten Empfänger standen schon draußen und tauschten Waren, stritten, weil andere mehr bekommen hatten. Florin warb um die Kinder. Da begann eine Mutter zu schimpfen: »Was haben wir davon, wenn die Kinder zu euch kommen? Sie müssen ein Instrument lernen, sie sollen in die Schule gehen. Aber was kriegen sie dafür? Und wir – wenn man bei euch etwas will, muss man dafür arbeiten. Wofür sollen wir uns plagen? Hier bekommen wir alles geschenkt.« Florin gab auf. Er kam ohne Kinder zurück, saß verzweifelt allein mit Remus in der Musikschule und schimpfte über die »Bekehrten«, wie sie sich nennen. Später trudelten die Kinder ein, Kaugummi kauend und mit bunten Kreuzkettchen behängt. Sie machten ihre Musik wie üblich, nur Florin schlug seine Trommeln etwas lauter, um seine Wut abzureagieren. Aber – gibt es eine treffendere Beschreibung unserer Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen als die dieser Mutter? Ist es nicht genau das, was wir erreichen wollen? Ich empfand es als Kompliment.

      »Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben«, sagt Pilatus zu den Hohepriestern, als sie die Inschrift auf der Tafel am Kreuz korrigieren wollen: »Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden.« Mit seinen Worten bekennt sich Pilatus, der römische Präfekt, endlich zu seiner Macht und nimmt die Verantwortung wahr, die er hat. Dahinter steckt aber mehr, denn unwillentlich ist er ein Werkzeug Gottes. Als solches proklamiert er in den damaligen Weltsprachen Griechisch, Hebräisch und Lateinisch: Dieser Gekreuzigte ist »der König der Juden«. Und die Aufgabe des Königs der Juden ist es, der Welt mehr Frieden zu bringen.

      Gott verwendet Pilatus, einen Feind, Feigling oder Zyniker, jedenfalls einen ohne Idealismus, um der Welt einen Gekreuzigten als den Friedenskönig vorzustellen. Es lohnt sich also, auf Gegner zu hören. Die schimpfende Mutter bestärkte mich, mit den Kindern den Weg des Lernens und der Leistung weiterzugehen.

      Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.

      JOHANNES 19,22

Freundschaft stiften

      Es ist ein Geschenk, einen Liebling zu haben

      In schweren Stunden halten wir nicht viele Menschen aus. Wer stützt dich dann? Wen möchtest du in der Stunde des Todes in deiner Nähe haben?

       Georg Sporschill

      In diesen Tagen wäre Prälat Leopold Ungar hundert Jahre alt geworden. Gestorben ist er vor zwanzig Jahren, am frühen Morgen. Er wollte, dass ich in der Nacht bei ihm blieb. Es waren Stunden der Erschütterung, wie am Ölberg.

      Am Nachmittag des Vortages hatte ihn noch Kardinal König besucht, sein Chef und Weggefährte. Der Prälat richtete sich auf, geistesgegenwärtig und gesprächsbereit. Dass die Caritas das Studentenheim in der Annagasse verkauft hatte, ärgerte ihn. Abends klopfte es an der Tür des Krankenzimmers. Sein Nachfolger, der Präsident der Caritas, wollte ihn besuchen. »Der Prälat kann nicht«, musste ich ihm ausrichten. Nur ich durfte bei ihm bleiben. Halbernst trug er mir noch auf, ich solle mich um seine Schwester Vilma, er nannte sie Medi, kümmern, denn sie könne nicht mit Geld umgehen. Bis zu ihrem Tod konnte ich sie mit diesem Auftrag ärgern. Sie war auch schon fast achtzig und hatte als Jüdin Flucht und Nazigefängnis hinter sich. Der Abend wurde für den Sterbenden mühsam. Hilflos fragte ich ihn, ob ich ihm aus dem Brevier das Nachtgebet vorlesen solle. »Für heute habe ich mich dispensiert«, ein Spaß mit letzten Kräften. Als es hell wurde, wollte der Prälat aufstehen. Er tastete zum Gitter an seinem Bett und befahl mir mit schwacher Stimme: »Nimm den Blödsinn weg.« Was sollte ich tun? Ich war allein mit ihm. Der Schwerkranke ließ sich helfen und schlüpfte in die ledernen Hausschuhe. Im Bad betrachtete er sich im Spiegel und schüttelte den Kopf, erschüttert darüber, wie der Tod ihn gezeichnet hatte. Ermattet sank er aufs Sterbebett. Dann kam seine Schwester, um mich abzulösen.

      Wer ist bei Jesus in der Nachtstunde, als er das Letzte Abendmahl verlässt und hinausgeht zum Ölberg? Drei Personen treten aus dem Kreis seiner Schüler, in den er die unterschiedlichsten Persönlichkeiten aufgenommen hat, hervor. Der eine ist der Schüler, der ihn überliefern wird, Judas. Eine Verantwortung, die diesen völlig überfordert. Der zweite ist der eine Schüler, der »an der Seite Jesu« lag, es war der, »den Jesus liebte«, Johannes. Die dritte Person ist Simon Petrus, der Leiter der Gruppe.

      Einer der Jünger aber wird für ihn in der schwersten Stunde am wichtigsten. Mit ihm verbindet ihn eine besondere Nähe, eine Liebe, die man nicht herstellen kann. Sie ist keineswegs selbstverständlich. Ein anderes Mal, als Jesus einen jungen Mann als Mitarbeiter gewinnen wollte, weil er ihn liebte (Markus 10,21), entschied dieser sich gegen ihn. Der begabte und reiche Jüngling ging traurig weg. Diese Liebe war Jesus nicht geschenkt. Zu seinem ganzen Kreis an Schülern und Mitstreitern hat er eine tiefe Beziehung. »Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.« (Johannes 13,1b) Trotzdem rückt in der Stunde der Erschütterung der Liebling in seine Nähe. Er trägt Jesus.

      In schweren Stunden halten wir nicht viele Menschen aus. Wer stützt dich dann? Wen möchtest du in der Stunde des Todes in deiner Nähe haben?

      Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte.

      JOHANNES 13,23

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