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So erlebten wir den Ersten Weltkrieg. Martina Winkelhofer
Читать онлайн.Название So erlebten wir den Ersten Weltkrieg
Год выпуска 0
isbn 9783902862761
Автор произведения Martina Winkelhofer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Der Attentäter Gavrilo Princip versuchte nach dem gelungenen Anschlag erfolglos, sich selbst zu töten. Weil er zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig war, wurde er vom Gericht nicht zum Tod verurteilt, sondern zu einer 20-jährigen Kerkerhaft in der Kleinen Festung in Theresienstadt. Im April 1918 starb Princip in österreichischer Haft an Schwindsucht.
Historische Karte von Sarajevo: Die Route des Erzherzogs führte mitten durch die Altstadt
Die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers verbreitete sich blitzschnell. Am Nachmittag desselben Tages wurde im Sanatorium Purkersdorf, einem Treffpunkt des Wiener Großbürgertums, ein Major, der zu Besuch bei seinen Verwandten in der Anstalt war, zum Fernsprecher gerufen. Nach dem Gespräch kehrte er in großer Erregung zurück und begegnete dem ärztlichen Direktor des Sanatoriums, dem Psychiater August Richter. Der Arzt erinnert sich, was ihm der Major zuflüsterte: »Denken Sie sich, was ich soeben von Wien für eine telefonische Nachricht bekommen! Der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin sind in Sarajevo von einem Serben ermordet worden!« August Richter schreibt in seinen Erinnerungen: »Ich hätte diese Kunde für eine Ausgeburt hirnverbrannter Fantasie gehalten, wenn nicht Überbringer und Quelle der Nachricht so ernst zu nehmen gewesen wäre!«3
Die Julikrise – das Versagen der Diplomatie
Die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers schlug in den europäischen Staatskanzleien wie eine Bombe ein. Die politischen Kreise aller Länder verabscheuten offiziell die Tat und rechneten mit einem Vergeltungsschlag Österreichs gegen Serbien. Allerdings gingen die meisten Regierungen Europas von einem kurzen Balkankrieg aus – regional und zeitlich begrenzt.
Doch zunächst einmal tat sich für die Öffentlichkeit nichts – den ganzen Juli 1914 über war es verdächtig ruhig. Kaiser Franz Joseph unterbrach seinen traditionellen Sommeraufenthalt in Bad Ischl nicht, der deutsche Kaiser begab sich auf seine alljährliche Nordlandreise. Die obersten Heeresleitungen urlaubten demonstrativ und für alle sichtbar an bekannten Orten, der Chef des österreichischen Generalstabes Franz Conrad von Hötzendorf führte vor der heimischen Bergkulisse seine Geliebte spazieren. Frankreich und England wandten sich bereits wieder innenpolitischen Themen zu. Wien schien nicht zu handeln. Dahinter steckte Kalkül: Die Soldaten – meist Bauern – waren bei der Ernte. Das war wichtig, denn die Versorgung der Armee musste vor einer Mobilmachung gesichert sein.
»Wir alle hatten nun leider die richtige Empfindung, dass dieser Fürstenmord der Auftakt zu ferneren, furchtbaren Geschehen sein würde. Indessen verflossen die nächsten Wochen noch ruhig, wenn auch in einer gewissen dumpfen Bangigkeit.« 4
Generalstabsarzt August Richter über die Wochen nach dem Attentat
Hinter den Kulissen ging es freilich alles andere als ruhig zu: Diplomaten, Politiker und Militärs der Donaumonarchie wollten die serbische Regierung für das Attentat zur Verantwortung ziehen.
Beißender Zynismus: Todesanzeige für Serbien – unterschrieben von den Entente-Mächten
Das europäische Gleichgewicht aus österreichisch-ungarischer und deutscher Sicht
Drahtzieher des Attentats war die Geheimorganisation »Vereinigung oder Tod« beziehungsweise »Schwarze Hand«. In Wien ging man davon aus, die serbische Regierung selbst stünde hinter dem Attentat oder sie hätte die Kontrolle über ihre Militärs verloren. Österreich hatte in den letzten Jahren immer wieder mit militärischen Maßnahmen gedroht, sich aber schließlich doch wieder davon abbringen lassen. Diesmal wollte man der Auseinandersetzung nicht mehr aus dem Weg gehen. Beim gemeinsamen Ministerrat am 7. Juli waren bis auf den ungarischen Ministerpräsidenten schließlich alle auf den Kriegskurs eingeschwenkt. Die Devise lautete: Jeder diplomatische Erfolg, selbst wenn er mit einer Demütigung Serbiens enden würde, ist wertlos. Nur eine völlige Niederwerfung Serbiens kann die dauernde Bedrohung der Monarchie durch Serbien beenden. Man formulierte deshalb ein derart scharfes Ultimatum an Serbien, dass mit einer Ablehnung fast zwingend zu rechnen war.
Das Ultimatum
Am 23. Juli 1914 stellte Österreich-Ungarn sein Ultimatum an Serbien, es war auf den 25. Juli, 18.00 Uhr, befristet. Die österreichische Regierung forderte als Konsequenz für die Ermordung des Thronfolgers von der serbischen Regierung die völlige Lossagung von der südslawischen Bewegung, die Säuberung der Armee, der Beamtenschaft und des Schulwesens von »österreichfeindlichen Elementen«, eine Unterdrückung der österreichfeindlichen Presse und die Auflösung von österreichfeindlichen Geheimorganisationen. Die serbische Regierung akzeptierte viele dieser Punkte – und versuchte damit ihre Kritiker zu entwaffnen. Serbien ging praktisch auf alle Punkte ein, die ein souveräner Staat akzeptieren konnte. Nur einen Punkt akzeptierte Serbien nicht: Österreich verlangte die Mitbeteiligung von k. u. k. Beamten an der Untersuchung des Attentats. Mit Hinweis auf seine Souveränität lehnte Belgrad diesen einen Punkt ab – wovon man in Wien von Anfang an ausgegangen war. Am 28. Juli 1914 um 11.00 Uhr erfolgte die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien.
»Als unser Ultimatum an Serbien erfolgte, wusste ich, das bedeutet Krieg.«5
Generalstabsarzt August Richter
Sonderausgaben aller Zeitungen berichteten vom Attentat auf den Thronfolger
Kriegserklärungen und Bündnisse
Die Kriegserklärung Österreich-Ungarns löste einen fatalen Dominoeffekt aus, denn die Bündnissituation Europas führte nun zu einer Kriegserklärung nach der anderen.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges waren die europäischen Großmächte in einem engen Bündnissystem miteinander verstrickt. Europa war außenpolitisch bereits in zwei große Interessensblöcke aufgeteilt. Auf der einen Seite standen die »Mittelmächte«, so genannt wegen ihrer geografischen Lage. Das Deutsche Kaiserreich, Österreich-Ungarn und Italien bildeten in der Mitte Europas von der Nordsee bis zum Mittelmeer einen großen Bündnisblock. Auf der anderen Seite stand die »Entente« (französisch: »Einvernehmen« oder »Vereinbarung«), ein Bündnisblock, bestehend aus Großbritannien