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Gesichter der Toten

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      Statt eines Vorworts

      »Königin Titania!«

      Aber sie bewegte leicht den Kopf und stand da, nicht als wäre sie im Ballsaal unter all den Menschen, sondern stünde einsam auf einem Felsen am Meer, so verloren blickte sie ins Weite. »Nicht Titania, sondern die Möwe, die gefangen ist und im Kastl sitzt!«

       Marie Larisch-Wallersee, geb. Mendel (1858–1940), Lieblingsnichte von Kaiserin Elisabeth, »Verfemte nach Mayerling«

      Es war, als ob man mit einem Gespenst zusammen fuhr, denn ihr Geist schien in einer anderen Welt zu weilen. Selten sah sie, was um sie herum vorging. Auch bemerkte sie es kaum, wenn sie von denen, die sie erkannten, gegrüßt wurde.

      Eugénie de Montijo (1826–1920), Ex-Kaiserin von Frankreich, Witwe Napoleons III.

      Romantischen Dichtern vergleichbar bist du, mit allen ihren melancholischen Träumen lauschend dem Sang der Baumeswipfel im Morgenwinde, und den schrillen Schrei des Lebens meidend! (…)

      Genügsamkeit, unromantisches Wort dieser Erde! Elisabeth, was konnte dir genügen?! Bergfrieden und die eigene Einsamkeit!

      Was viele zarte Edle, in sparsamen Augenblicken nur, zu erträumen, zu erleiden wagen, dazu hattest du die Kraft ein Leben lang!

       Peter Altenberg (eig. Richard Engländer, 1859–1919), Schriftsteller, Bewunderer von Kaiserin Elisabeth

      Elisabeth

      hungerte wie Lady Di,

      ritt und focht wie d’Artagnan,

      turnte wie Jane Fonda,

      wurde ermordet wie J. F. Kennedy,

      und sah aus wie Romy Schneider.

       Hans Bankl (1940–2004), Prosektor, Buchautor

      I Das Tattoo der Feenkönigin

      »Das Peristyl ist der stumme Zeuge der einsamen Spaziergänge der Kaiserin. Hier stört sie niemand, hier wagt sich niemand her, ohne gerufen zu sein«, erinnert sich Irma Sztáray, eine der letzten Reisebegleiterinnen, die Elisabeth in ihrem Tross noch duldete.

       1 Angelos Gialliná: Das Peristyl im Achilleion, 1893. Aus dem persönlichen Korfu-Album Elisabeths

      Die ungarische Hofdame beschreibt das Peristyl im Achilleion, jenem Refugium auf »Scheria« (altgriechisch: Korfu), das den Traum einer melancholischen Monarchin vom antiken Griechenland zum Leben erwecken sollte.

      Mehrmals täglich betrachtete die fast immer schwarz Gekleidete dort, in ihrem privaten Olymp der Feen und Nymphen, eine blendend weiße Marmorfigur. Die Darstellung einer jungen Frau mit langen Locken und Schmetterlingsflügeln – wobei der Schmetterling für die Flüchtigkeit des Lebens und die Vergänglichkeit steht. Die Fee hält ein schlafendes Kind im Arm und gleitet auf einem Schwan über die Fluten des Ozeans. Zu diesem Wesen aus der Anderswelt kam Elisabeth jeden Morgen und jeden Abend. Ihr griechischer Vorleser, der kleine, bucklige – und deswegen für die im Alter abergläubische Kaiserin besonders glückverheißende – Philosophiestudent Konstantin Christomanos durfte sie gelegentlich begleiten: »So oft die Kaiserin vorübergeht, bleibt sie minutenlang in Anblick der Statue versunken; ja sie hat bestimmte Stunden, an welchen sie die Lichtfee aufsucht.«

      Who’s that girl?

      Die »Lichtfee« trägt den Namen Peri, sie hat einen kurzen Auftritt in John Miltons Versepos »Paradise Lost« aus dem Jahr 1668. Als schöner, anmutiger, übermenschlicher Geist wird sie in der persischen Mythologie beschrieben, doch ist sie von übelwollendem Charakter. Peri kann einen Kometen oder eine Sonnenfinsternis bewirken, Regen verhindern, Missernten und Tod bringen. Diese Ambivalenz ist typisch für John Milton, dessen Werk Elisabeth gekannt und offenbar geschätzt hat.

      Der Dichter, bereits völlig erblindet, soll die monumentale Geschichte des Sündenfalls seinen drei Töchtern diktiert haben. Obwohl sich bei »Paradise Lost« vordergründig alles um den Tod dreht, steht im Mittelpunkt Miltons Alter Ego, der Teufel. Ein verführerischer, charmanter, gegen Gott aufbegehrender Satan, der sich einen Streiter der Freiheit nennt: »Lieber in der Hölle herrschen als im Himmel dienen.« Erstmals in der Literaturgeschichte wird Satan beschrieben, wie er den Menschen ihre Potenziale bewusst macht, damit sie selbst zu Wissen und Göttlichkeit gelangen können. Milton hat in diesem größten englischen Epos den Teufel rehabilitiert: Der Verlust des Paradieses ist sein Werk und lässt sich selbst von Gott nicht rückgängig machen. Das Gute hat nicht gesiegt und das Böse sich in der Welt festgesetzt. Milton interpretiert den Teufel als intelligenten, egozentrischen Archetypus: Er ist gewissermaßen der erste »Byronic Hero« der Literatur.

      Lord Byron, ein britischer Dichter um 1800, spielte in Kaiserin Elisabeths Welt eine wichtige Rolle, war er doch auch griechischer Freiheitskämpfer. Sie bewunderte ihn und die von ihm erschaffenen Protagonisten, allesamt Außenseiter und Rebellen. Sie kämpfen nicht für das »Allgemeinwohl« oder gesellschaftliche Veränderungen, sondern sind auf sich selbst fixierte Einzelgänger. Zynismus und Arroganz beschreiben ihren Charakter. Regeln, Sitten und soziale Reglements werden von ihnen verachtet, dennoch – oder gerade deswegen – gehören solche Antihelden immer einem höheren Stand an, verfügen über entsprechenden Wohlstand und luxuriösen Lebensstil. Byrons Gestalten bevölkern eine Welt der »Schwarzen Romantik«, es umgibt sie oft ein düsteres Geheimnis. Außerdem müssen sie sich mit einem hohen Maß an Frustration auseinandersetzen und zeigen selbstzerstörerische Tendenzen. Die Figuren sind – wie Miltons Satan – abstoßend und faszinierend zugleich.

      Über einen ihrer toten Lieblingshelden, Achilleus, sagte die Kaiserin: »Er war stark und trotzig und hat alle Könige und Traditionen verachtet und die Menschenmassen für nichtig gehalten, gut genug, um wie Halme vom Tode abgemäht zu werden. Er hat nur seinen eigenen Willen heilig gehalten und nur seinen Träumen gelebt, und seine Trauer war ihm wertvoller als das ganze Leben.«

      Elisabeths erklärter Lieblingsdichter Heinrich Heine widmete dem philhellenischen Lord Byron ein Gedicht:

      Eine starke, schwarze Barke

      Segelt trauervoll dahin.

      Die vermummten und verstummten

      Leichenhüter sitzen drin.

      Toter Dichter, stille liegt er,

      Mit entblößtem Angesicht;

      Seine blauen Augen schauen

      Immer noch zum Himmelslicht.

      Aus der Tiefe klingt’s, als riefe

      Eine kranke Nixenbraut,

      Und die Wellen, sie zerschellen

      An dem Kahn, wie Klagelaut.

      Die Zeilen beschreiben die Überführung der einbalsamierten Leiche des klumpfüßigen Dichters, der eine Tochter mit seiner Schwester hatte, auf einem Schiff nach England. Byron war 36-jährig in Griechenland gestorben. Allein vom Inhalt her könnte das Gedicht von der Kaiserin selbst stammen.

      Als der französische Maler und Grafiker Gustave Doré, bekannt vor allem für seine bizarren

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