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denk jetzt bloß nichts Verkehrtes, Yvonne hat mich nachdenklich gemacht …«

      Und dann erzählte sie ihr von dem Gespräch.

      »Weißt du, sie ist sich so sicher, und ich frage mich, warum ich nicht auch so sein kann … Yvonne geht freischwebend auf’s Seil, und ich brauche Netz und doppelten Boden, da ich ja sonst mit allem im Leben klarkomme, frage ich mich schon, ob das mit meinem verkorks­ten Elternhaus zusammenhängt.«

      »Dein Vater hat dich sehr geliebt, er hat dich vergöttert«, bemerkte Leni, die so etwas nicht hören wollte. Die Fahrenbachs waren etwas Besonderes für sie, und deswegen durfte auch kein negatives Wort über sie gesagt werden.

      »Ja, das weiß ich, darum geht es doch gar nicht, ich meine, wenn ich ein intaktes Elternhaus gehabt hätte wie Yvonne …«, sie brach ihren Satz ab, weil ihr da bewusst wurde, dass sie etwas ganz Törichtes gesagt hatte, etwas, was Leni verletzen musste, die schließlich die leibliche Mutter war.

      »Tut mir leid, Leni, das war blöd von mir …«

      »Aber die Wahrheit, sie wuchs bei den Wiedemanns ja sehr behütet auf, und die waren nicht nur vorbildliche Eltern für sie – zum Glück muss man ja sagen – sondern sie haben offenbar auch eine sehr glückliche Ehe geführt.«

      Sie seufzte, und ihre Hand zitterte, als sie ihren Kaffeebecher an den Mund führte, um etwas zu trinken.

      »Das macht es mir auch so schwer, an Yvonne heranzukommen«, sagte sie leise. »Was habe ich ihr denn im Gegensatz zu den Wiedemanns zu bieten? Nichts, ich habe sie weggegeben.«

      Bettina hätte sich selber eine knallen können, weil sie in ihrem Unbedachtsein so etwas ausgelöst hatte.

      »Das hat sie doch inzwischen verstanden, Leni, sie weiß, dass du gar keine andere Wahl hattest.«

      Leni seufzte erneut, diesmal abgrundtief.

      »Wir verstehen uns gut, eigentlich immer besser, aber ihr Herz …, das wird bei den Wiedemanns bleiben, aber warum beklag ich mich eigentlich? Ich habe es doch nicht anders verdient.«

      »Sie wird dich als Mutter akzeptieren, Leni, das wird sie ganz bestimmt, hab einfach noch etwas Geduld.«

      Sie wussten beide, dass dieser Satz nur so dahergesagt war und nicht mehr als Wunschdenken war.

      »Leni, es wird«, beteuerte Bettina erneut, und um das zu bekräftigen, zitierte sie einen von Lenis Sprüchen, »die Hoffnung stirbt zuletzt.«

      Das war so banal, dass Bettina sich dafür fast schämte, und sie wollte jetzt nichts mehr dazu sagen, um nicht noch mehr ins Fettnäpfchen zu treten.

      »Wie findest du es eigentlich, dass Linde mit den Zwillingen nach Portugal fahren will? Das ist doch nur eine Flucht, oder siehst du das anders?«

      Leni zuckte die Achseln.

      »Ich kann dazu nichts sagen, aber Linde tut nichts Unbedachtes. Sie weiß, was sie tut, und wenn sie glaubt, jetzt nach Portugal zu müssen, dann hat es einen Grund.«

      »Um Martin nahe zu sein, um etwas zu klären, was ihr nach einem intensiven Traum nicht klar geworden ist«, sagte Bettina, die nicht wusste, inwieweit Linde Leni eingeweiht hatte.

      Sie standen sich zwar auch nahe, denn sonst hätte Linde sie nicht zur Patentante ihrer kleinen Amalia gemacht, aber alles erzählte sie Leni auch nicht.

      »Sie und Martin standen sich sehr nahe, vielleicht ist es an der Zeit, ihn loszulassen, nicht mehr mit dieser Intensität zu trauern … Portugal war ja für die beiden etwas Besonderes. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie sich ihm dort mehr verbunden fühlt. Vielleicht ist es für sie auch wichtig, ihre Kinder dorthin zu bringen, wo sie und Martin sich besonders nahe waren und wo sie seine Asche verstreut hat.«

      »Vielleicht ist sie auch nur vor Christian auf der Flucht. Sie verstehen sich sehr gut, und Christian liebt sie auf jeden Fall, deswegen zögert er auch, ganz nach Fahrenbach zu kommen.«

      »Linde und Christian? Warum eigentlich nicht, aber wenn, dann muss er sich auf eine lange Wartezeit einstellen.«

      Da war Bettina anderer Meinung, aber das wollte sie jetzt nicht mit Leni diskutieren. Sie trank ihren Kaffee aus. Bettina schob den Becher beiseite, dann stand sie auf.

      »Tja, dann werde ich mal hinauf ins Büro gehen, es wartet genug Arbeit auf mich.«

      Sie besann sich, nahm den Becher, brachte ihn in die Geschirrspülmaschine, als sie wieder an Leni vorbeigehen wollte, stand die auf.

      »Komm mal her, mein Mädchen«, sagte sie und nahm Bettina in die Arme. »Mach dir mal nicht zu viele Gedanken, du bist schon in Ordnung so wie du bist, du musst das Leben leichter nehmen, und merk dir eins, der eine Mensch braucht Sicherheit, für den anderen ist es nicht so wichtig, beides ist richtig, ebenso, wie man ins Schwimmbecken geht. Der eine springt hinein, der andere prüft zuerst vorsichtig mit dem Zeh das Wasser.«

      Bettina musste lachen.

      »Damit meinst du ja wohl hoffentlich nicht mich, Leni.«

      »Nein, es war nur ein Beispiel, um zu demonstrieren, dass die Menschen verschieden sind, und Bettina …, wenn du Thomas noch liebst, dann sei nicht zu stolz, dich bei ihm zu melden.«

      Bettina machte sich mit einem Ruck aus der Umarmung frei.

      »Und als was soll ich mich anbieten, Leni? Als Zweitfrau? Nein, das mit Thomas Sibelius ist vorbei … forever …«

      Sie brach ihren Satz ab, dieses Wort hätte sie jetzt nicht benutzen dürfen, denn das erinnerte sie wieder an Thomas, an dieses wunderschöne Tiffany-Armband, in das er »B.+T. Love forever« hatte eingravieren lassen. Klar, immerwährende Liebe zu der aus der Warteschleife. Nein, Thomas, das war vorbei, sie war kein Trostpreis, sondern wollte der Jackpot sein, und das war sie auf jeden Fall für Jan.

      »Vielleicht wäre euch allen hier auf dem Hof Thomas lieber als der Mann an meiner Seite, weil ihr ihn von frühester Jugend kanntet, weil er stets gern zu euch gekommen ist, auch ohne mich. Jan ist eben anders, er kennt das nicht, dass man, so wie wir, zusammengluckt, aber daran wird er sich gewöhnen, gewöhnt euch daran, Jan ist es für mich, und er wird es auch bleiben, er liebt mich und holt nicht irgendwann aus der Hinterhand eine Ehefrau.«

      »Ist ja schon gut, Bettina, du hast davon angefangen, und ich habe nur, wie man so schön sagt, meinen Senf dazugegeben.«

      »Leni, ich hab dich lieb, auch wenn du sauer auf mich bist«, rief Bettina, umarmte Leni kurz, dann lief sie lachend und winkend davon.

      Die arme Leni!

      Die hatte sich jetzt was anhören müssen, und dafür war sie auch noch zusammengestaucht worden.

      Eines war Bettina aber so richtig klar geworden.

      Sie wollte Jan und sonst niemanden, und sie würde sich um Liebe, Ehe und was auch immer, keine Gedanken mehr machen, auf jeden Fall nicht, wenn sie selbst betroffen war.

      In ihrem Leben hatte sich bislang alles auf wunderbare Weise gefügt, und sie musste darauf vertrauen, dass es so weitergehen würde.

      Als erstes würde sie jetzt eine große Werbeaktion starten, die alle Produkte, die im Angebot der »Likörfabrik Fahrenbach« waren, umfasste.

      Und als erstes würde sie mit »Fire« beginnen, dem Wodka, der zwar längst nicht so gut schmeckte wie der, den sie zusammen mit Irina in dem Russischen Restaurant getrunken hatte, aber er verkaufte sich gut und hatte auf jeden Fall noch mehr Potential.

      Sie lief über den Hof und war bereits schon bei ihrer Kamgagne, als sie ihren Namen hörte.

      Sie zuckte zusammen und blieb stehen.

      »Vor mir musst du doch keine Angst haben«, lachte Arno. »Ich will dir nur was zeigen, was dich freuen wird. Komm mit.« Arno nahm sie beim Arm und führte sie in das Gärtnerhaus, in dem die Arbeiten zügig voranschritten und wo es von Tag zu Tag schöner aussah.

      Sie traten zusammen in die Diele, in der bereits sehr schöne

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