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Ehe glaubte, dass es für sie überhaupt keine Zweifel gab.

      Die Psychologen sagten doch, dass Kinder entweder das Verhaltensmuster ihrer Eltern oder eines Elternteils übernehmen oder genau das Gegenteil tun.

      Yvonne hatte sich dafür entschieden, es ihren Eltern gleichzutun, also mit ihrem Partner glücklich zu sein.

      Bei ihr sah es ja nun völlig anders aus. Ihr Vater, ja, der hatte seinen Kindern alle Liebe gegeben. Aber die Ehe ihrer Eltern war nicht glücklich gewesen, ihre Mutter hatte ihr eigenes Leben gelebt und sich weder für ihren Ehemann noch für ihre Kinder interessiert. Ein harmonisches Elternhaus war es nicht gewesen, in dem sie aufgewachsen waren. Es hatte keine Eltern gegeben, die Vorbild waren, nur einen liebevollen Vater, gutes Personal und finanzielle Sicherheit.

      War das der Grund, warum sie sich so verzweifelt nach geordneten Verhältnissen sehnte, nach dieser emotionalen Sicherheit, die sie nur in einer glücklichen Ehe zu finden hoffte?

      Vielleicht war das eine Illusion und ein Sehnen, das nicht in Erfüllung gehen musste. Ihre Geschwis­ter hatten alle geheiratet, und deren Beziehungen waren in die Brüche gegangen. Jörg und Grit waren geschieden, Grit hatte auf der Jagd nach Glück ganz offensichtlich mit ihrem Robertino Schiffbruch erlitten. Frieder war zwar noch verheiratet, aber ihn und Mona hielt nur das Geld zusammen. Sie wollte ihren gesellschaftlichen Status nicht aufgeben und hatte offensichtlich etwas gegen ihn in der Hand, um die Scheidung zu verhindern. Aber Frieder hatte sich längst anderweitig orientiert und lebte mit einer jüngeren Ausgabe von Mona zusammen.

      Vielleicht waren auch ihre Geschwister auf der Suche nach etwas, was es in ihrem Elternhaus nicht gegeben hatte, vielleicht hatte sie das zu Beziehungskrüppeln gemacht, die überhaupt nicht in der Lage waren das zu leben, was sie sich erträumten, weil es mehr war als ein Anderer geben konnte.

      Aber sie hatte Jan, der ein liebevoller, zuverlässiger, zärtlicher Partner war, der nur einen kleinen Schönheitsfehler hatte – für ihn war eine Ehe nicht wichtig!

      Er hatte sie nicht einmal ausgeschlossen, sah man einmal von dem nicht ernstzunehmenden Heiratsantrag ab, zu den sie ihn im Grunde genommen provoziert hatte.

      Es schwirrte in ihrem Kopf herum wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm, und je mehr sie nachdachte, umso verworrener wurde alles.

      Auch jetzt hatte ihr der Spaziergang mit Max überhaupt nichts gebracht. Ihre Laune hatte sich nicht verbessert, und Max in seiner Drolligkeit hatte sie auch nicht aufgeheitert.

      Sie brachte den Hund zu Arno, der im Gärtnerhaus herumwerkelte, dann ging sie hinüber zu Leni, um in deren Küche noch einen Kaffee zu trinken, und dann würde sie in der Destille versuchen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, die sich auf ihrem Schreibtisch häufte.

      Sie fand Leni in der Küche, wie vermutet, an ihrem blankgescheuerten großen Tisch, neben sich einen großen Pott Kaffee, vor sich Illustrierte und Kreuzworträtsel.

      Leni blickte auf, legte ihre Brille beiseite.

      »Was ist los, du siehst aus, wie sieben Tage Regenwetter, geht es dir noch immer nicht besser?«

      Bettina schüttelte den Kopf, holte sich eine Tasse und setzte sich.

      »Nein, es fehlt nur noch der Griff, um mich wegzuwerfen«, sagte Bettina und schenkte sich von dem köstlich duftenden Kaffee aus der weißen Warmhaltekanne ein.

      Leni blickte prüfend zu ihr hinüber.

      »Was bedrückt dich, hast du dich mit Jan gezankt … Ich meine, hattest du mit ihm ein unerfreuliches Telefongespräch?«

      »Nein.«

      »Was ist es dann? Du bist seit Tagen ungenießbar, so was kennt man doch überhaupt nicht von dir.«

      Bettina trank etwas von ihrem Kaffee.

      »Ach, Leni, ich weiß doch selbst nicht, was mit mir los ist, was mich so unzufrieden macht. Ich habe halt Herrn Möbius von Thomas erzählt, dass der mich auch hintergangen hat. Das habe ich doch nur gemacht, um ihm zu zeigen, dass das mit seiner Frau nichts Einmaliges ist, dass Lug und Betrug auch anderswo passieren.«

      »Ach so, und jetzt ärgerst du dich, dass du es ausgeplaudert hast, weil du sonst nicht über deine privaten Dinge sprichst, schon gar nicht Fremden gegenüber.«

      »Nein, das ist es nicht.« Bettinas Stimme klang beinahe ein wenig barsch.

      »Dann erkläre es mir, ich kann zwar Kreuzworträtsel machen, aber da hab ich eine Vorgabe.«

      »Durch das Gespräch ist …, es ist so vieles hochgekommen, und ich muss dauernd an Thomas denken, ob ich will oder nicht, er schiebt sich einfach in meine Gedanken.«

      »Das liegt daran, weil du dich mit ihm nicht ausgesprochen hast. Schön, er hat dir diese Nancy verschwiegen, aber er wollte mit dir reden, es dir erklären, aber das hast du alles abgelehnt, und nun hast du in deinem Inneren eine Baustelle, weil es nicht abgeschlossen ist. Du hast nur einen Zaun so nach dem Motto: Vorsicht, nicht betreten, darum gemacht. Aber so einen Zaun kann man einreißen.«

      »Eine Aussprache hätte auch nichts gebracht, er hätte nur versucht, es schönzureden – Fakt ist doch, dass er mich hintergangen hat, dass er mir die große Liebe vorgegaukelt hat, aber Nancy wohlweislich verschwieg … und meine Liebe, das hat er mit Vorsatz gemacht. Erinnerst du dich, er hat sich gewunden wie ein Aal und es mir immer wieder ausgeredet, wenn ich zu ihm nach Amerika kommen wollte. Und er hat …«

      Mit einer herrischen Handbewegung brachte Leni sie zum Schweigen.

      »Jetzt wärm bloß keine ollen Kamellen wieder auf, vorbei ist vorbei. Mir kommt etwas ganz anderes in den Sinn …«

      Sie schaute Bettina prüfend an, zögerte mit ihrer nächsten Frage, die dann wirkte wie der Einschlag einer Bombe.

      »Sag mal, Bettina, liebst du Thomas noch?«

      Bettina wurde abwechselnd rot und blass, sie schluckte, war zunächst nicht in der Lage, zu antworten. Als sie es endlich konnte, war ihre Antwort heftig: »Natürlich nicht, so ein Blödsinn, wie kommst du denn darauf?«

      Leni goss sich bedächtig einen neuen Kaffee in ihren Becher, schob die Warmhaltekannte beiseite, trank, setzte den Becher wieder ab. »Du solltest es noch einmal überprüfen«, sagte sie mit ruhiger Stimme.

      Bettina war vollkommen durcheinander, da gab es nichts zu überprüfen, das war Blödsinn.

      »Schon vergessen, ich liebe Jan van Dahlen, mit dem bin ich sehr, sehr glücklich.«

      »Hey, Bettina, mich musst du nicht überzeugen. Jan ist ein ganz Netter, aber Thomas kann doch trotzdem noch in deinem Herzen sein, schließlich war er deine große Liebe.«

      »War … war, Leni, das hast du klug erkannt, aber jetzt gehört mein Herz Jan.«

      Leni setzte zu einer Antwort an, unterließ es dann aber. Was immer jetzt auch noch gesagt würde, Bettina würde sich immer mehr verheddern.

      Für Leni stand fest, dass sie mit Thomas, trotz aller Beteuerungen, noch längst nicht abgeschlossen hatte. Aber so etwas ging auch überhaupt nicht, man konnte die große Liebe seines Lebens nicht von heute auf morgen vergessen wie einen irgendwo in einem Res­taurant liegengelassenen Schal.

      Sie hatte es nur verdrängt, und jetzt holte sie es ein. Das Gespräch mit Rolf Möbius hatte diese Lawine ins Rollen gebracht.

      Leni wusste nicht, wie sie Bettina jetzt helfen konnte, es genügte nicht, ihre Hand zu tätscheln und dabei so etwas zu sagen wie »das wird schon wieder«.

      Nach einer Weile des Schweigens änderte sie das Thema.

      »Aber das ist doch nicht alles, was dich bedrückt, oder?«

      Bettinas Kopf ruckte hoch.

      »Nein, Leni, ich hatte ein Gespräch mit Yvonne.«

      »Und die hat dich so durcheinander gebracht?«, erkundigte Leni sich ängstlich. Sie fühlte sich jetzt in der Zwickmühle, sie liebte ihre Tochter über alles,

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