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diesem Augenblick kam Dr. Norden. »Was höre ich da?« fragte er. »Was ist mit Kanada?«

      »Antonia hat mich gestern angerufen, das muß ich Ihnen doch gleich erzählen. Es ist wegen der Erbschaft von ihrem Vater, der gestorben ist. Einen Mann hat sie auch kennengelernt. Manchmal geschehen noch solche Wunder.«

      »Daß sie einen Mann kennengelernt hat, ist doch ganz natürlich«, meinte er lächelnd. »Wenn Sie geselliger wären, würden Sie sich vor Verehrern nicht retten können. Von einem Vater wußte ich allerdings nichts.«

      »Sie dachte doch, er sei schon lange tot. Nun ist er reich gestorben in Kanada, finden Sie das nicht, daß es an ein Wunder grenzt, daß sie ihn jetzt beerbt. Die Tante Erni hat ihr zwar auch was hinterlassen, aber jetzt scheint sie allerhand zu bekommen. Ich gönne es ihr, sie ist ja so ein liebes Ding. Hoffentlich ist der Mann nicht nur auf’s Geld aus.«

      Das dachte Daniel Norden allerdings auch recht sorgenvoll. Beides zusammen kam schon sehr plötzlich. Na, Fee würde jedenfalls mal wieder etwas zum Staunen haben und ihre eigenen Gedanken dazu. Die Kinder würden natürlich gleich fragen, ob sie nicht auch einen unbekannten Onkel in Amerika oder Kanada hätten.

      Aber bei ihnen war es anders. Sie wußten über ihre Verwandtschaft genau Bescheid, da gab es keine unbekannten Reichen. Aber sie konnten auch ohne solche zufrieden sein.

      Wendy sagte allerdings mit verdrehten Augen, daß ihr so was auch mal passieren könnte.

      »Damit Sie mich im Stich lassen?« tat Daniel Norden empört.

      »Wie könnte ich«, erwiderte sie. »Sie haben ja recht, hier ist mein Platz und Geld macht auch nicht immer glücklich.«

      *

      An Antonias Erbe haftete sehr viel Arbeit, Schweiß, aber auch das Glück des Tüchtigen, wie sie erfuhr, als sie sich mit ihrem Erbe befassen konnte.

      Über den Brief ihres Vaters hatte sie mit Niklas erst beim Frühstück gesprochen, denn sie war nach dem Bad gleich eingeschlafen. Sie hatte viel Schlaf nachzuholen, Niklas kam mit weniger aus und hatte schon einen ausgedehnten Morgenspaziergang gemacht, um seinen Kopf frei zu bekommen.

      »Ich weiß, was du gestern gemeint hast«, sagte er, »aber du wirst mich hoffentlich nicht einen Versager nennen.«

      »Ich wollte nur andeuten, daß manche Bemerkungen sehr verletzen können. Mama hat gar nicht gedacht, was sie damit anrichtet und es auch nicht gewollt, da bin ich sicher. Man kann leicht etwas in die falsche Kehle kriegen. Wir sind uns einig, daß wir uns immer aussprechen, wenn wir uns mal ärgern.«

      »Toleranz gehört im Zusammenleben auch dazu. Übrigens können wir ruhig darüber reden, ob wir uns hier niederlassen.«

      Daß er gleich so nachgiebig war, hätte Antonia nicht erwartet. Daß er aber bereit war, Zugeständnisse zu machen, freute sie. Ihr Selbstbewußtsein war gestärkt, aber dazu hatte Niklas auch beigetragen.

      Sie schenkte ihm ein zärtliches Lächeln, und er streichelte ihre Hand.

      »Wir werden ein gutes Gespann sein, Niklas.«

      »Und immer auf dem Boden bleiben«, sagte sie.

      Es gefiel ihm, daß sie nicht abhob, das Geld nicht mit vollen Händen hinauswarf, wie es Olivia getan hatte, aber die war nie ganz Herr über sich selbst gewesen. Es war eigenartig, daß er doch wieder Vergleiche ziehen mußte. Olivia hatte ihm nie das Glück gegeben, das er jetzt erlebte, doch sie hatte wohl so sein müssen, daß er dieses Glück mit Antonia richtig zu schätzen wußte. Er konnte freilich nicht ahnen, daß ihm noch manche Überraschungen bevorstanden.

      Antonia rätselte darüber, ob dieser Roman Derring wohl noch leben würde.

      »Alt kann er ja noch nicht sein«, meinte Niklas, »willst du ihn etwa suchen?«

      »Ich würde schon gern wissen, was für eine Beziehung es zwischen ihm und Mama gab. Ich habe doch überhaupt nichts davon gewußt, und plötzlich bin ich mittendrin in einem Drama.«

      »Es ist Vergangenheit«, sagte Niklas.

      »Wir haben einmal festgestellt, daß uns die Vergangenheit immer wieder einholt.«

      »Mir wäre es lieber, sie würde ein versiegeltes Buch bleiben.«

      Antonia sah ihn nachdenklich an. »Gibt es noch etwas, an das du nicht erinnert werden willst?«

      »Nichts, was bedeutungsvoll wäre, aber manchmal wird manches lebendig, das düstere Schatten wirft. So wie die Begegnung mit Ramona. Dein ehemaliger Freund könnte uns auch in den Weg laufen.«

      »Er wird auch schnell wieder verschwinden. Wir werden uns doch nicht von diesen und jenen Leuten stören lassen, die mal ein Gastspiel in unserem Leben gaben, damit habe ich bestimmt keine Probleme. Ich werde die Kanzlei anrufen, wann unser Besuch genehm ist«, fügte sie vergnügt hinzu. »Dann werde ich mir für den geplanten Empfang wohl ein Kleid kaufen müssen. Du hast für einen so feierlichen Anlaß sicher auch nichts dabei.«

      »Ich muß nicht dabeisein.«

      »Ohne dich gehe ich aber nicht.«

      Das war auch deutlich gesagt und es war sehr beruhigend.

      Dr. Harrison und Dr. Gardenier hatten sich den Nachmittag für Antonia freigehalten. Sie konnten nichts dagegen sagen, daß sie auf Niklas’ Begleitung bestand. Sie gewannen allerdings bald das Gefühl, daß er ihnen nicht auf die Finger schauen wollte und sein Interesse sich allein auf Antonia erstreckte und nicht auf ihr Erbe.

      Und Niklas stellte fest, daß sie ihre Verantwortung als Testamentsvollstrecker sehr ernst nahmen und überaus korrekt waren. Da er selbst diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht hatte, war er doppelt vorsichtig gewesen, aber diese beiden Anwälte waren nicht auf ihren Profit bedacht. Sie legten Antonia ganz präzise Abrechnungen vor.

      »Ihr Vater hat selbst nicht gewußt, wieviel Vermögen er angesammelt hat, Antonia«, sagte Dr. Harrison väterlich, nachdem er sie zuvor gebeten hatte, sie mit ihrem Vornamen anreden zu dürfen. »Geld war für ihn nicht die Hauptsache. Er überließ die Geldgeschäfte uns, und ich denke, Sie werden mit unserer Arbeit zufrieden sein.«

      Antonia betrachtete völlig benommen die Aufstellungen und sah auch Niklas hilfesuchend an.

      »Ich denke, du bist durch die beiden Herren bestens beraten«, sagte er. »Ich verstehe auch nicht viel von solchen Geschäften, möchte mich da auch gar nicht einmischen.«

      »Aber wie soll es hier weitergehen? Haben Sie einen Vorschlag zu machen?« wandte sich Antonia an die beiden Anwälte.

      »Sie können verkaufen und würden bestimmt einen guten Preis erzielen«, sagte Dr. Gardinier. »Interessenten sind genügend vorhanden. Sie könnten die Aktienmehrheit behalten und mitbestimmen. Überlegen Sie es sich in aller Ruhe. Wir stehen zu Ihrer Verfügung, und es würde uns freuen, wenn Sie uns das gleiche Vertrauen entgegenbringen, wie es Ihr Vater tat, der uns ein guter Freund war.«

      »Ich bin sehr froh, daß er solche Freunde hatte. Sein Brief hat mir klargemacht, daß er sonst sehr einsam war. Es tut mir sehr leid, daß ich nicht mit ihm zusammensein durfte.«

      »Wir freuen uns, daß er sein Lebenswerk gut bewahrt weiß. Wann immer Sie unseren Rat und unsere Hilfe brauchen, wir stehen zur Verfügung. Für morgen abend haben wir einen festlichen Empfang geplant, dessen Gestaltung Sie bitte uns überlassen. Sie sollen wissen, daß Sie hier eine zweite Heimat haben werden, wenn Sie es wünschen.«

      *

      »Wollen wir darüber nachdenken, Niklas?« fragte Antonia, als sie nun zu ihrem Einkaufsbummel starteten.

      »Worüber?« fragte er.

      »Über die zweite Heimat. Wir könnten uns ja mal die Umgebung anschauen. Du warst doch schon mal in Kanada.«

      »In Calgary, das ist am entgegengesetzten Ende. Hast du überhaupt eine Vorstellung, wie groß Kanada ist?«

      »Ich möchte das Land kennenlernen.«

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