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und ich war auch dort. Inzwischen hatte ich das Glück gehabt, an eine Ölquelle zu geraten, die zu sprudeln begann. Ich war mittlerweile auch wer und konnte mich mit Derring messen. Ich fragte ihn, ob er Sophia geheiratet hätte, aber er sagte, daß er davon abgesehen hatte, weil sie ein Kind erwartet hätte. Ziemlich herablassend bemerkte er, ob ich nicht der Vater dieses Kindes sei. Ich kann nicht beschreiben, was ich empfand zwischen Angst und Hoffnung. Sofort ließ ich nach Sophia und ihrem Kind suchen, aber nach langem Warten erfuhr ich, daß sie gestorben sei. Sie war in Ulm gestorben, aber von dem Kind wußte man nur, daß es eine Tochter mit Namen Antonia war. Für mich war dieser Vorname ein Beweis, daß ich der Vater war und Sophia mich nicht vergessen hatte. Aber warum hatten meine Briefe sie nicht erreicht? Ich meine, sie hätte mir doch wenigstens ein Lebenszeichen geschickt. Ich weiß nicht, ob Du die Frage beantworten könntest, ich kann nur hoffen, daß ich Dich eines Tages doch noch finden werde. Ich kann Dich nur bitten, mir zu verzeihen, daß ich Dir nicht Vater sein konnte. Alles was mir gehört, sollst Du bekommen. Es kann Dir von niemandem streitig gemacht werden. Ich wäre so stolz gewesen, eine Tochter in die Arme schließen zu können. Wenn es nicht sein darf, und Du diese Zeilen lesen wirst, fühle dich umarmt von Deinem Vater.

      Antonia kamen die Tränen. Mit uns hat es das Schicksal nicht gut gemeint, Vater, dachte sie, nicht mit Mama und auch nicht mit mir. Du warst einsam mit all dem Besitz, den du erworben hast.

      Aber sie mußte auch denken, daß unbedachte Worte ihrer Mutter ihn dazu getrieben hatten, sie zu verlassen, auch daran, daß sie von ihrer Mutter diese Wahrheit nicht erfahren hatte.

      Ein leises Geräusch lenkte sie ab. Niklas stand in der Tür.

      »Was war denn eigentlich?« fragte er noch immer schläfrig. »Wieso habe ich so lange geschlafen?«

      »Weil du müde warst«, erwiderte sie lächelnd, aber er sah doch die Tränen, die noch nicht getrocknet waren.

      »Kann ich etwas für dich tun, mein Liebes?« fragte er.

      »Du kannst den Brief lesen, wenn du wieder richtig gucken kannst. Wie spät ist es eigentlich?«

      »Schon fast elf Uhr und eigentlich Schlafenszeit. Ich werde mal den Zimmerservice anrufen und uns noch was Leckeres bringen lassen. Und dann werden wir uns schon die Zeit vertreiben, bis wir wieder müde werden. Stell doch mal den Fernseher an.«

      Sie wollte nicht zeigen, wie nahe ihr der Brief ihres Vaters ging, der aus dem Jenseits zu ihr gesprochen hatte, der ihr bewies, wie schnell Menschen einander weh tun konnten mit ein paar Worten, die man nicht zurücknehmen konnte. Es sollte ihr eine Mahnung sein.

      *

      In München war es später Nachmittag, und Dr. Nordens Sprechstunde neigte sich dem Ende entgegen. Kurz nach siebzehn Uhr war Frau Möhl gekommen. Sie wartete geduldig, bis Dr. Norden Zeit für sie hatte. Wendy war auch zu beschäftigt, um sich mit ihr zu unterhalten, aber auf Lilian Möhl wartete ja niemand, sie hatte Zeit.

      Eigentlich wollte sie nur wissen, ob Dr. Norden von Antonia eine Nachricht bekommen hätte, aber da sie immer noch sehr erkältet war, konnte sie das nebenbei fragen.

      Er konnte ihr leider auch nichts sagen, während er sie gewissenhaft untersuchte und ihr sagte, daß sie ihre Medikamente noch nehmen und sich auch noch schonen müsse.

      »Ich tue ja sowieso nicht viel, und lange Spaziergänge mag ich bei dem schlechten Wetter auch nicht machen«, meinte sie.

      »Sie wird schon etwas von sich hören lassen«, wurde sie von Dr. Norden beruhigt.

      »Wahrscheinlich genießt sie ihren Urlaub und weiß noch nichts von dem Brief aus Kanada. Wenn ich von ihr Nachricht bekomme, sage ich Ihnen Bescheid, Frau Möhl.«

      »Sie sind zu gütig, Herr Doktor. Es ist so schön, wenn man einen Arzt wie Sie hat, der sich noch Zeit für gute Worte nimmt. Ich merke jetzt erst, wie sehr mir Antonia ans Herz gewachsen ist. Sie fehlt mir sehr.«

      »Sie kommt ja bald wieder«, tröstete er. »Die Zeit vergeht so schnell.«

      Er konnte ja auch nicht ahnen, was Antonia inzwischen erlebte, aber Lilian Möhl konnte sich an diesem Abend freuen, denn es kam ein Anruf aus Quebec.

      Da Antonia und Niklas wieder munter waren und auch ein paar leckere Kleinigkeiten gegessen hatten und eine Flasche Champagner bereits zur Hälfte geleert war, kam Antonia auf den Gedanken, die liebe Frau Möhl zu benachrichtigen, wo sie jetzt gelandet war. Lilian Möhl wußte gar nicht, wie ihr geschah, als Antonia es erzählte.

      »Dann war es ja eine gute Nachricht«, stammelte sie, »ich habe mir Gedanken gemacht, daß Ihnen der Urlaub verdorben werden könnte.«

      »Ganz im Gegenteil. Einen Mann habe ich auch gefunden, der mir beisteht, einen sehr netten, lieben Mann, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«

      »Das muß ich gleich morgen Dr. Norden erzählen. Ich war nämlich heute bei ihm und habe ihn gefragt, ob er was von Ihnen gehört hat. Es ist so lieb, daß Sie mich anrufen, aber wird das nicht zu teuer?«

      »Machen Sie sich keine Gedanken, ich bin mit Geld versorgt. Ist sonst alles in Ordnung im Haus?«

      »Und auch in der Wohnung. Ich lüfte und versorge die Pflanzen, darauf können Sie sich verlassen. Das Wetter ist gräßlich, die Grippe greift um sich. Diesbezüglich verpassen Sie wirklich nichts.«

      »Sie ist eine gute Seele«, erklärte Antonia, als das Gespräch dann endlich beendet war, »da kann man nicht gleich wieder Schluß machen. Es war auch sehr entgegenkommend von ihr, daß ich in der Wohnung bleiben konnte, obgleich sie bei einem Mieterwechsel eine höhere Miete hätte verlangen können.«

      »Es ist schon von Vorteil, wenn man sich mit dem Vermieter gutsteht«, räumte er ein, »und wie es scheint, bist du wirklich gut aufgehoben gewesen.«

      Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ich habe noch nicht entschieden, mich zu verändern«, stellte sie fest.

      »Haben wir nicht beschlossen, uns nie mehr zu trennen?« fragte er.

      »Wir können doch alles in Ruhe angehen. Daß wir gemeinsame Zukunftspläne haben, bedeutet noch nicht, daß wir wie die Kletten aneinander hängen müssen.«

      »Aber auch nicht, daß wir über Meilen getrennt sind«, sagte er sehr bestimmt. »Du in München, ich in Portugal, das kommt nicht in Frage.«

      »Wie wäre es denn, wenn wir beide in Kanada bleiben?« meinte sie verschmitzt. »Einen Kompromiß müssen wir auf jeden Fall schließen. Ich will nicht um jeden Preis in München bleiben, aber auch nicht ständig in Praia da Rocha leben. Seßhaft warst du auch nicht. Wir können uns hier mal umschauen, Möglichkeiten gäbe es für dich hier auch genug.«

      »Zum Prinzgemahl tauge ich aber nicht«, beharrte er.

      »Lies jetzt bitte erst Vaters Brief, und mach dir Gedanken darüber. Ich möchte nicht, daß ein paar unüberlegte Worte zwischen uns eine Kluft aufreißen, Niklas.«

      Er sah sie bestürzt an. »Hab’ ich etwas gesagt, was dich kränkt?«

      »Noch nicht. Ich nehme es dir nicht krumm, wenn du deine Meinung sagst, aber meine mußt du auch gelten lassen.«

      »Das tue ich. Ich kann mir ein Leben ohne dich nur nicht mehr vorstellen, Antonia. Noch nie hat mir ein Mensch soviel bedeutet wie du. Ich liebe dich über alles.«

      Und sie liebte ihn, daran gab es keinen Zweifel. Sie umarmte ihn innig. »Wir werden uns bestimmt einig, Niklas. Jetzt lies den Brief, ich werde ein Bad nehmen.«

      Dies mitten in der Nacht zu tun wäre ihr früher niemals eingefallen, aber ihr Leben hatte sich verändert und sie spürte, daß sie sich auch veränderte.

      *

      Lilian Möhl erschien am nächsten Morgen schon um acht Uhr in der Praxis. Wendy hatte gerade erst die Tür aufgeschlossen. Sie war es gewohnt, daß schon ein paar Patienten davorstanden, aber daß Frau Möhl so früh erschien, erstaunte sie doch, da sie ja erst gestern dagewesen war.

      »Geht es Ihnen schlechter?«

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