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Steffi.

      »Mein Onkel Herbert wird mir dabei schon helfen!«, erklärte Reni großspurig. Lachend stießen sie mit ihren Kaffeetassen an, als seien es Sektgläser.

      In den nächsten Tagen gehen die Freundinnen zusammen zur Berufsberatung vom Arbeitsamt, surfen im Internet in den Job-Börsen und informieren sich ganz gewissenhaft über all die verschiedenen Berufs-Profile. Suse und Paul haben ihre helle Freude daran, wie verantwortungsbewusst und zielstrebig die jungen Mädchen dabei vorgehen. Besonders Reni und Sabine erkundigen sich gemeinsam über ihre geplanten Studiengänge, über etwa bestehende Zulassungs-Beschränkungen, Studienplatz-Vergabe und lauter Zeug, von dem sie vorher keine Ahnung gehabt haben. Der aufregende Hauch von Abenteuer liegt in der Luft! Eine neue, prickelnde Phase beginnt! Das Leben selbst gestalten! In ihren Zukunftsträumen wachsen die Bäume in den Himmel.

      Eines Abends kommt Reni ganz normal zum Abendbrot. Sie setzt sich mit harmlosem Gesicht zum Essen. Suse ist müde von der Arbeit, Rafi schaukelt wie immer unruhig auf seinem Stuhl hin und her – er ist der reinste Zappel-Philip! Wie gut, dass er wenigstens regelmäßig zum Sport geht! Nur Papa Paul ist, wie immer, die Ruhe in Person, still und konzentriert bestreicht er sich eine Scheibe Vollkornbrot mit Butter. In dieses friedliche Idyll hinein platzt Reni mit der Ankündigung: »Hey, hört mal, Leute! Ich geh’ zum Studium nach Heidelberg!«

      Suse fällt fast die Milchflasche aus der Hand. Paul lässt das Brotmesser sinken. Rafi hört zu kauen auf. Er schluckt, dann steht ihm der Mund offen. Reni genießt den Überraschungs-Coup. Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe!

      »Ja!«, bekräftigt sie grinsend. »Ich werde in Heidelberg studieren!«

      »Aber Göttingen ist auch eine Universitätsstadt!«, protestiert Suse aufgebracht.

      »Ja – aber wer sagt denn, dass ich hierbleiben muss?« Genüsslich grinst Reni übers ganze Gesicht.

      »Wer? Wir!«, antwortet Papa langsam. Er ist so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. »Wenn du hier studierst, müssen wir dir keine teure Studentenbude anderswo bezahlen! Und das haben wir nicht vor!«

      Reni gefriert das Grinsen auf den Lippen. Donnerschock! So hatte sie nicht gewettet! Das ist ja die reinste Erpressung! Für sie war klar, dass sie so weit wie möglich von ihrer Heimatstadt fort muss, um auf eigenen Füßen stehen zu lernen. Soll sie etwa brav wie eine Schülerin morgens das Haus verlassen und zur Uni gehen, als sei es noch zur Schule! Oh nein! Hochschule hin oder her – sie war ja keine Gymnasiastin mehr. Und womöglich würden die Eltern verlangen, dass sie gleich nach der Vorlesung ebenso brav heimzukommen hätte, oder gar ihren Freizeitvergnügungen hinterherspionieren!

      Papa bleibt hartnäckig. »Wir werden unser Geld nicht für unnützes Zeug rausschmeißen!«, erklärt er. »Die Fassaden-Renovierung des Sternenhauses hat uns schon ein kleines Vermögen gekostet, Oma war längere Zeit im Krankenhaus, und …«

      Weiter kommt er nicht. Die große Renate hat doch allen Ernstes auf einmal Tränen in den Augen. Rasch springt Suse ihrer Tochter zur Seite. »Na ja, Reni – wir hatten natürlich gedacht – wenn du am Ort bliebest, dann wäre vieles einfacher – und du könntest sogar immer deine Wäsche zum Waschen heimbringen –«

      Pah! Darüber kann Reni nur lachen! Lieber wäscht sie das ganze Zeug irgendwie selber oder bringt’s in ’nen Wasch-Salon, als deswegen zu Mami heimzulaufen! Einfach lächerlich! Die bloße Vorstellung bringt sie in Rage.

      Suse bemüht sich, ihre Tochter zu beruhigen. Papa ist sauer und sagt nichts.

      Reni aber telefoniert heimlich mit ihrem Onkel Herbert in Berlin – in dem hat sie schon immer einen Verbündeten gehabt! Und hurra! Der Onkel kennt einige Kollegen in Heidelberg und ist auch gerne bereit, eine Empfehlung auszusprechen, wieso ein Studium gerade und ausgerechnet bei diesen Koryphäen für seine Nichte so nutzbringend sein soll. »Was ist mit diesen Koniferen?«, fragt Reni aufgeregt. Da lacht der Onkel am anderen Ende der Leitung so schallend, dass es im Hörer hallt. »Koryphäen, Mädi! Das sind große Experten auf ihrem Gebiet! Du kannst auch sagen, es seien weiße Raben –« Die Wortverwechslung belustigt ihn hörbar. Doch Reni ist dankbar, dass er ihr seine Hilfe zusagt.

      Und – oh Wunder! Er muss dann wohl längere Zeit mit Paul telefoniert haben. Denn dieser kommt merkwürdigerweise nicht mehr auf das Thema »Göttingen« zurück und beharrt nicht mehr darauf, dass Reni in ihrer Heimatstadt bleiben solle. Wessen Eltern über dem BAföG-Satz verdienen, der kann sich ja schließlich noch um ein Stipendium bewerben oder in den Semesterferien jobben, hatte Herbert dem Paul gesagt … Reni wittert Morgenluft!

      Und als dann die Mega-Abi-Abschlussparty in einem gemieteten Saal steigt, da ist Renate die Ausgelassenste von allen! Während die Musik dröhnt und die Luftschlangen fliegen, während gelacht und gealbert wird, malt Renate sich ihre Zukunft in den tollsten Farben aus. Sie sieht sich mit Filmausrüstung und Moskito-Netz durch den Dschungel stapfen, irgendwelchen seltenen Tieren auf der Spur, sieht sich vom Helikopter aus Elefantenherden zählen oder vom Schlauchboot aus Delfine streicheln – hach, es wird großartig! Gemeinsam mit ihren Freundinnen stößt sie auf ihrer aller Zukunft an! Wenn auch die Bäume nicht in den Himmel wachsen – doch so hoch ausschlagende grüne Zweige treiben sie später im Leben nie mehr!

      Verdiente Ferien!

      Renis Eltern haben ihr eine »Abschluss-Reise« nach dem Abitur geschenkt – sie darf sich sogar aussuchen, wohin sie möchte! Zur Auswahl stehen eine Kurzreise nach Teneriffa und die Teilnahme an einer Exkursion des Reitervereins, dem sie einmal angehört hat. Die Flensburger Reiter haben gute Kontakte zu einem Reiterhof in der Provence und wollen in der Camargue auf den legendären weißen Camargue-Pferden ausreiten! Da fällt Renate die Wahl nicht schwer: Natürlich entscheidet sie sich für die Exkursion in Südfrankreich, anstatt nur am »Teutonengrill« in der Sonne zu braten! Die Naturschönheit der Kanaren kann sie sich ja auch später noch angucken – die Gelegenheit zu Reitausflügen wie diesem aber kommt so nie mehr!

      Sie war noch nie in Südfrankreich gewesen, doch hat sie schon von den Flamingo-Kolonien dort gehört. Die will sie unbedingt sehen. Onkel Herbert hatte ihr mal ganz begeistert von Flamingos vorgeschwärmt, die er in Südspanien, im Nationalpark von Coto Doñana, beobachtet hatte: »Die fliegen über dir, mit ihren feuerroten Flügeln am knallblauen Himmel – einfach großartig!« Flamingos in freier Wildbahn – das wollte sie auch einmal selbst erleben! Und papageienbunte Vögel, die blaugelben Bienenfresser, sollte es da auch geben, wie in Afrika!

      Na, und sich mit alten Freunden vom norddeutschen Reiterverein zu treffen, ist doch auch super! Gabi aus Flensburg hatte ihr in einem Anruf diese Möglichkeit mitgeteilt, und die Aussicht auf gemeinsame Reiterferien hatte Renate sofort zusagen lassen! Nun würden die Eltern auch noch den Reiterausflug sponsern! Toll!

      Gabi teilt ihr daraufhin noch telefonisch mit, wann und wo genau sich die Reitfans treffen wollen. Renate macht mit ihrer Freundin aus, sich schon in Avignon zu treffen. Beide reisen per Zug an, wie auch die meisten anderen. Von dort aus wollen sie gemeinsam zu dem Reiterhof hinfahren. Der liegt im Herzen der Camargue, am Étang de Vaccarès. Dort gibt es urtümliche Sumpflandschaften mit noch schier endloser Weite, nicht verbaut und voller wilder Tiere: weißer Pferde, schwarzer Stiere, rosa Flamingos und einer Unzahl weiterer, seltener Wasservögel. Renate freut sich schon unbändig.

      In Avignon traf Renate dann tatsächlich bereits auf ein munteres Grüppchen norddeutscher Reitfans. Gabi winkte ihr schon auf dem Bahnsteig heftig zu. Zwar hatte der Zug Verspätung gehabt, doch was machte das schon! Es gab ein lautes Hallo voller Wiedersehensfreude. Gemeinsam ging es weiter mit Bus und Bahn. Gabi und Renate hatten sich natürlich besonders viel zu erzählen. Auch Herr Nissen, Renis damaliger Reitlehrer, und Herr Jensen, der Junior-Chef des Vereins, waren mit von der Partie. »Leider hab’ ich in Göttingen keine Gelegenheit mehr gehabt, meine Übung im Reiten weiter auszubauen!«, gestand Reni.

      »Na, da wird es ja höchste Zeit, dass du mal wieder in den Sattel kommst!«, rief Herr Nissen.

      »Du wirst aber ganz schön blaue Flecken am Po kriegen!«, kicherte Gabi.

      »Selbst ein wund gescheuertes Hinterteil kann mir meine Freude nicht trüben!«,

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