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Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Halle hat ergeben, dass der Schädel »linksseitig hochgradig« zertrümmert wurde. Die Gardinenschnur vom Hals des Kindes sei »in typischer Drossellage vorgefunden« worden. Die Rechtsmediziner gehen von einem »gewaltsamen Erstickungstod mit wahrscheinlich folgender stumpfer Gewalteinwirkung in Form von Hieben mit der stumpfen Beilseite« aus. Ein Todeszeitpunkt sei aufgrund des hohen Verwesungsgrades nicht mehr festzustellen.

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      Links die Schnur, nachdem sie von der Leiche entfernt wurde. Daneben das Gegenstück der Gardinenschnur, von der die Schlinge abgeschnitten wurde.

      Was im Haus vermutet wird, damit hält Hildegard Kohl bei ihrer Zeugenvernehmung nicht hinterm Berg. »Für uns gibt es keine Frage: Als Täter kommt nur der Horst – Horst Otte – in Frage.«

      Als Unterkommissar Baberowski sie fragend anschaut, wird sie deutlicher: »Na, der hat sich doch im vorigen Jahr schon an ein Mädchen rangemacht. Er hat der Gisela aus unserem Haus, sie war damals 12 oder 13 Jahre alt, erzählt, dass er einen Brief für sie hat, und sie in seine Wohnung gelockt. Da hat er ihr den Schlüpfer runtergezogen und sie aufs Bett geworfen. Abgelassen von ihr hat er doch nur, weil sie sich gewehrt und laut geweint hat.«

      Noch am selben Abend wird die Schülerin der 7. Klasse im Beisein ihrer Mutter befragt. Sie erzählt, dass sie Anfang Mai 1952 nach Hause gegangen sei. »Aus der Gaststube kam der Horst. ›Du, deine Großmutter hat geschrieben. Ich habe den Brief in meiner Wohnung. Komm mal mit‹, hat er gesagt.« Sie habe an der Korridortür gewartet. »Horst hat gerufen: ›Komm mal rein!‹ Als ich in der Wohnung war, hat er mich an den Schultern gepackt und mich aufs Bett geworfen. Er versuchte, mir den Schlüpfer herunterzuziehen. Ich strampelte und schrie. Horst drückte mir die Kehle zu. Im selben Moment klapperte es an der Wohnungstür.« Horst Otte habe dann gesagt: »Ich lasse dich gehen. Aber nur, wenn du keinem was sagst.«

      Sie habe ihrer Mutter den Vorfall geschildert, unter dem sie »heute noch nervlich leidet«. »Meine Mutti hat dem Schulleiter, dem Sozialamt und unserem Schularzt die Sache erzählt. Eine Anzeige bei der Polizei hat sie nicht gemacht.«

      Polizeirat Düben befragt am 4. August kurz vor 22 Uhr Anna Otte*. Die 47-Jährige berichtet, dass ihr Sohn Horst kein leibliches, sondern ein Adoptivkind ist. »Ich kann keine Kinder bekommen, darum haben wir 1935 Horst adoptiert. Da war er vier Wochen alt.« Nach seiner Kochlehre habe der 18-Jährige in der Gaststätte mitgearbeitet. »Nachdem klar war, dass wir die Pacht kündigen, hat sich Horst bei der Volkspolizei beworben. Er wurde angenommen und ist seit einer Woche beim Betriebsschutz in Leuna.«

      Wie das tote Kind in ihren Keller gekommen ist, könne sie sich nicht erklären, sagt die Frau. Allerdings habe sie manchmal den Eindruck gehabt, dass der Keller offen gewesen sei. »Die Kohlen hochgeholt haben zumeist mein Sohn Horst oder die 23 Jahre alte Kellnerin Annemarie Zobel*.«

      Auf die Fragen des Polizeirates, ob ihr Mann irgendeine spezielle sexuelle Ausrichtung habe, und ob sie ihm einen Mord zutraue, antwortet die Wirtin: »Mein Mann ist sehr ruhig und nach der Arbeit immer sehr abgespannt und müde.« Einen Mord traue sie ihm auf keinen Fall zu.

      Auch ihrem Sohn Horst traue sie solch eine Gewalttat nicht zu. »In seinem Wesen ist er ruhig, zurückhaltend und verschlossen.« In »sexueller Hinsicht« sei ihr zu Ohren gekommen, dass sich Horst an einem Mädchen aus dem Haus »vergreifen wollte«. Genaueres sei ihr darüber nicht bekannt.

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      Polizeifoto des Täters Horst Otte, das nach seiner Festnahme gemacht wurde

      Am selben Abend muss Horst Otte auf die Fragen der Kriminalpolizei antworten. Nachdem die Leiche gefunden worden war, hatte er schnell seine Werkschutz-Uniform angezogen, um dadurch jeden Verdacht von sich abzulenken. Doch diese Strategie geht nur kurze Zeit auf, und bald schon gilt er bei der Polizei als Hauptverdächtiger.

      Er räumt auch gleich ein, dass er 1951 einmal für vier Tage im Jugendheim in der Fischer-von-Erlach-Straße »festgehalten« wurde. »Ich hatte eine junge Frau an der Saale überfallen und versucht, sie zu vergewaltigen. Aber die Polizei hat mich festgenommen, bevor es zur Notzucht kam. Weil ich noch jugendlich war, habe ich keine Strafe gekriegt.«

      »Das interessiert uns jetzt hier gar nicht«, fällt Polizeimeister Masthoff ihm energisch ins Wort. »Uns geht es hier einzig und allein um das tote Mädchen im Keller Ihrer Eltern. Und ich sage Ihnen gleich, um die ganze Sache abzukürzen: Sie haben ganz schlechte Karten. Bei Ihrem sexuellen Vorleben, das Sie hier ja gerade noch einmal angedeutet haben, und der Tatsache, dass Sie fast alleine Zugang zum Keller hatten, sind Sie hier der Hauptverdächtige.«

      Der Vernehmer spürt, dass der Jungpolizist mit sich ringt. Nach einer Weile blickt der Verdächtige von der Tischplatte auf und sagt: »Ich gebe zu, dass ich am 20. Mai Helga Räder getötet habe.« Dann schildert er die Tat.

      Horst Otte ist an jenem Mittwoch allein in der Gaststätte seiner Eltern. Gegen 12.45 Uhr betritt ein blondes Mädchen – der 18-Jährige schätzt es auf zehn bis zwölf Jahre – das Lokal. Das Kind ist lediglich mit einer schwarzen Turnhose bekleidet. Das erregt den Wirtssohn. »Habt ihr Brause?«, fragt das Mädchen. Otte reicht ihr die Limonade über die Theke. Dann geht er schnell um den Schanktisch herum und hält das Kind fest.

      Helga schreit: »Mutti, Hilfe!«, und: »Lass mich los!« Aber der 18-Jährige, der immer erregter wird, lässt nicht ab von ihr und schließt die Gaststättentür ab. Er wirft das strampelnde Kind auf den Boden. Dann kniet er sich vor Helga und reißt ihr Hose und Unterhose herunter. Weil sie immer noch schreit, versucht er, sie zu würgen. Als ihm das nicht gelingt, erhebt er sich. Helga ist bereits halb ohnmächtig und kann nicht mehr aufstehen. Trotzdem geht der Täter zur Theke und nimmt aus einem Kästchen einen Rest Gardinenschnur mit hölzernen Zierelementen. In aller Ruhe schneidet er ein Stück davon ab, legt es dem weinenden Kind als Schlinge um den Hals und zieht zu. Später wird er aussagen, dass er mit Helga »geschlechtlich verkehren wollte, aber aufgrund der Gegenwehr des Mädchens nicht mehr dazu gekommen« sei.

      Otte öffnet die Tür zum Hausflur und prüft, ob die Luft rein ist. Dann schaut er nach, ob jemand im Keller ist. Er klemmt sich die Sterbende unter den rechten Arm, geht in den Keller und legt das röchelnde Kind auf den Betonfußboden, schließt die Tür ab und geht nach oben. Vor der Gaststättentür warten Gäste. Er schenkt ihnen Bier aus und läuft anschließend wieder in den Keller. Helga atmet kaum noch. Otte nimmt das Beil vom Regal und schlägt damit auf das Kind ein.

      Er räumt Kohlen beiseite, legt die nackte Tote in die Kuhle und bedeckt sie sofort wieder mit Braunkohlen. Im Gastraum widmet er sich nach seiner blutigen Tat erneut den Gästen, als ob nichts geschehen ist. Den Kellerschlüssel hängt er ans Schlüsselbrett.

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      Das Innere des Lokals nach der Schließung. Links neben dem Ofen stand das Büffet, wo das Opfer vom Täter gewürgt wurde.

      Zwei Tage später, am Freitag, geht Otte in den Keller. In der Hand hält er zwei Säcke, die er zuvor vom Hausboden geholt hat. Den einen zieht er der Toten von unten über die Füße, den zweiten stülpt er ihr über den Kopf. Er steckt sowohl die Turnhose, als auch den rosa Schlüpfer in den ersten Sack. Danach vergräbt er die Leiche erneut im Kohlehaufen links unter dem Fenster.

      Als die Vernehmer am Abend des 4. August den Druck erhöhen, räumt Otte ein: »Der Grund dafür, dass ich das Mädel umgebracht habe, ist, dass es sich gewehrt hat, als ich sie geschlechtlich gebrauchen wollte.«

      Es bleibt nicht bei seinem Mordgeständnis. Ohne danach gefragt zu werden, gibt er »weitere strafbare Handlungen« zu: »Ich habe zweimal im Stadtwald Frauen überfallen. Einmal habe ich einen Strick benutzt. Ich wollte die Frauen vergewaltigen.« Er räumt auch ein, er habe einem Mädchen aus dem Haus den Hals zugedrückt und versucht, es zu vergewaltigen.

      Am 5. August erlässt das Kreisgericht Halle, Bezirk I, Haftbefehl.

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