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sie alle eine auf Ausbau ihrer Hausmacht bedachte Heiratspolitik. So hatten über mehrere Generationen Infanten aus dem aragonesischen Zweig des Hauses Trastámara Infantinnen aus dem kastilischen Zweig geheiratet und umgekehrt. Das Ziel dieser Taktik war es, die beiden Königreiche Kastilien und Aragón zu vereinen. Auch mit dem Haus Avis, dessen Angehörige über Portugal herrschten, gingen die Trastámara Ehen ein, weil sie hofften, auf diese Weise die ganze Iberische Halbinsel unter einer Krone vereinen zu können. Die Herzöge von Burgund hatten einen solchen »Heiratsimperialismus« von Anfang an verfolgt – 1369 heiratete der erste Burgunderherzog die Erbin der Grafschaft Flandern – und gewannen den Großteil ihrer niederländischen Besitztümer auf dem Erbweg. Bei den Habsburgern wurden Ehen ebenfalls arrangiert, mit dem Ziel, weitere Territorien zu erwerben, aber auch, um die Bande zwischen den Familienzweigen zu festigen. Diese Strategie ist in einer Devise festgehalten, die erstmals nach der Heirat Maximilians von Österreich mit Maria von Burgund im Jahr 1477 populär wurde:

      »Bella gerant alii; tu, felix Austria, nube

      Nam quae Mars aliis, dat tibi regna Venus.«

      »Kriege lass andere führen, du, glückliches Österreich, heirat’!

      Denn was den anderen Mars, Venus, die Göttin, gibt’s dir.«2

      Doch der »Heiratsimperialismus« hatte seinen Preis, denn die Reiche, die auf seiner Grundlage errichtet wurden, waren das genaue Gegenteil eines modernen Staatswesens: Oft war dynastische Loyalität das Einzige, was sie zusammenhielt, und ihre Herrscher neigten dazu, ihre Herrschaftsgebiete, ganz egal, wie weit verstreut sie lagen, als ihren persönlichen Besitz anzusehen, als ein Familienerbe, das unversehrt an die nächste Generation weitergegeben werden musste. So versicherte Karl seinem Sohn Philipp 1543, dass es sein oberstes Ziel sei, »dir kein kleineres Erbe zu hinterlassen, als ich es einst selbst empfangen habe«.3

      Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den drei Dynastien war ihre Furcht vor Frankreich. Burgund hatte in den 1470er-Jahren antifranzösische Bündnisse mit Aragón geschlossen, und ein Jahrzehnt später schlug Maximilian vor, seinen einzigen Sohn mit einer spanischen Infantin zu verheiraten. Die Verhandlungen gerieten indes ins Stocken, bis der französische König Karl VIII. 1494 in Italien einmarschierte und im Triumph auf Neapel vorstieß, um seine dynastischen Ansprüche auch auf dieses Königreich geltend zu machen. Im Jahr darauf warnte Maximilian die Katholischen Könige, dass, »wenn der König von Frankreich erst einmal Neapel gewonnen hat, er auch die anderen italienischen Staaten wird besetzen wollen«. Um sie davon zu überzeugen, dass sie »sich zur Wehr setzen und den König von Frankreich angreifen« sollten, schlug Maximilian eine Doppelhochzeit vor: zwischen seiner Tochter Margarete und dem spanischen Infanten Johann (Juan) sowie zwischen seinem eigenen Erben Philipp und Johanns jüngerer Schwester Johanna. Die Verträge zu dieser Hochzeit wurden im Januar 1495 unterzeichnet, und die spanische Prinzessin traf im Oktober 1496 in Lier bei Antwerpen ein, wo das Paar die Ehe vollzog. Keiner konnte ahnen, dass ihr Sohn einmal über das größte Reich herrschen sollte, das die Welt seit einem Jahrtausend gesehen hatte (Tafel 1).4

      Der zukünftige Karl V. machte sich zum ersten Mal noch aus dem Mutterleib heraus bemerkbar. Im September 1499 bestellte Philipp »eine Hebamme aus der Stadt Lille« herbei, um Johanna »zu sehen und zu besuchen«; und vier Monate später entsandte er einen Kurier »mit äußerster Geschwindigkeit, Tag und Nacht, ohne Männer noch Pferde zu schonen«, um den Abt eines Klosters bei Lille zu bitten, seine wertvollste Reliquie leihweise herauszugeben: den »Ring der Jungfrau«, den angeblich Josef seiner Braut Maria bei ihrer Heirat an den Finger gesteckt hatte. Wie es hieß, sollte er »Frauen unter der Niederkunft Trostund Hilfe spenden«. Einigen Berichten zufolge erwies der Ring sich als überaus wirksam: Johannas Wehen setzten ein, als sie gerade an einem Ball teilnahm, der im Palast der Grafen von Flandern in Gent stattfand. Sie schaffte es gerade noch in die nächste Latrine, da war der künftige Kaiser auch schon geboren. Es war der 24. Februar 1500, der Matthiastag.5 Sobald den Genter Bürgern die Nachricht von Karls Geburt zu Ohren kam, war die Freude groß, wie ein Augenzeuge berichtet, der zufällig auch der führende Dichter der Stadt war:

      »Groß und Klein schrie ›Österreich‹ und ›Burgund‹

      Drei Stunden lang und in der ganzen Stadt.

      Alle liefen umher und riefen die frohe Nachricht aus

      vom [neugeborenen] Friedensfürsten.«

      Philipp gab indessen Order, dass alle größeren Städte der Niederlande »Prozessionen, Feuerwerke und öffentliche Spiele« vorbereiten sollten, um die Geburt seines Erben zu feiern. Außerdem bestellte er die Spitzen des Klerus ein, damit sie an der Taufe des Knaben teilnahmen.6 Auch sandte er einen Eilboten zu seiner Schwester Margarete, die sich gerade auf der Rückreise aus Spanien befand, und »flehte sie an, sich nur zu beeilen, damit sie das Kind bei der Taufe am Taufbecken in ihren Händen halten« und Karls Patin werden könne. Sobald Margarete eintraf, bedrängte sie ihren Bruder, seinen Sohn »Maximilian« taufen zu lassen nach ihrer beider Vater, aber Philipp entschied sich, das Kind nach seinem Großvater zu nennen, dem Burgunderherzog Karl dem Kühnen. Zugleich verlieh er dem Neugeborenen allerdings auch den Titel eines »Herzogs von Luxemburg« – eine Würde, die gleich mehreren von Maximilians Vorfahren zuteilgeworden war.7

      Karls Großeltern reagierten unterschiedlich. »Als seine Großmutter, die Königin Isabella, von seiner Geburt erfuhr … gedachte sie der Worte der Schrift, dass Matthias, der Apostel Jesu, durch das Los erwählt worden war; und da sie wusste, welch große Hoffnungen an die Geburt ihres Enkelsohnes geknüpft waren, der so viele und große Königreiche und Herrschaften erben sollte, so sprach sie: ›Das glückliche Los ist auf Matthias gefallen.‹« In Deutschland erklärte Kaiser Maximilian sich »vollkommen zufrieden mit dem Namen« des Kindes »wegen der Zuneigung, die ich für meinen lieben Herrn Schwiegervater, den Herzog Karl, hege«.8 In Gent bereitete der Magistrat derweil eine Reihe von Triumphbögen vor, die jeweils eines der Reiche darstellen sollten, die das Kind, so es denn überleben sollte, von seinem Vater und Großvater erben würde. Andere Triumphbögen repräsentierten die Tugenden Weisheit, Gerechtigkeit und Friedfertigkeit. Am Abend des 7. März 1500 begleitete eine lange Prozession den Säugling über einen eigens errichteten Laufsteg vom Palast zur örtlichen Pfarrkirche, wo die Taufe stattfinden sollte. Tausende Fackeln entlang des Weges »machten die Nacht zum Tage« (wie ein völlig überwältigter Chronist festgehalten hat) und verschafften den zahlreichen Schaulustigen eine glänzende Sicht darauf, wie die Amtsträger und Höflinge gemessenen Schrittes an ihnen vorbeizogen, bis endlich der kleine Karl und seine vier Taufpaten erschienen. Jeder von ihnen sollte in den frühen Lebensjahren des Knaben eine entscheidende Rolle spielen: seine (Stief-)Urgroßmutter Margarete von York, die Witwe Karls des Kühnen; seine Tante Margarete von Österreich; sowie Charles de Croÿ, Fürst von Chimay, und Jean de Glymes, Herr von Bergen, zwei bedeutende niederländische Adlige. Die Symbolik dieser Reihenfolge war für die Zeitgenossen unübersehbar: Philipp, dem der Ehrenplatz am Ende des Zuges eigentlich zugestanden hätte, trat ihn an seinen Sohn ab, der so – indem er die Huldigung seiner zukünftigen Untertanen entgegennahm – zum gleichen Zeitpunkt sein weltliches Erbe antrat, wie er durch die Taufe zu einem Glied der christlichen Kirche wurde.

      « Schon seit Beginn der Geschichtsschreibung über Karl ist seine Abstammung stets ein Thema gewesen − und das aus gutem Grund. Denn schließlich hatte erst eine bemerkenswerte Abfolge von Geburten, Heiraten und Todesfällen dazu geführt, dass das Erbe von vier europäischen Dynastien unter seiner Herrschaft vereint wurde. Allerdings hatten Karls Großeltern dies so nicht beabsichtigt, und es wäre auch nie so gekommen, wenn die ehelichen Verbindungen zwischen der Infantin Isabella und Manuel von Portugal, zwischen dem Infanten Johann von Kastilien und Margarete von Österreich oder zwischen Ferdinand von Aragón und Germaine de Foix einen Erben hervorgebracht hätten, der das Erwachsenenalter erreichte.

      Für dieses ungewöhnliche Arrangement hatte Philipp gute Gründe. Zwar führte er zahlreiche Titel, doch hatten seine Vorfahren sie

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