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ganz zwei – einem seiner Hofkapläne, der sich auch als Kopist von Musikhandschriften betätigte, etwas über zwei Gulden zahlte »für ein Pergamentbuch, das er illuminiert hatte und das die Evangelien und Gebete enthielt, die [den Kindern] jeden Tag vorgelesen wurden, nachdem sie die Messe gehört hatten«. Sieben Monate später schenkte Philipp seiner Tochter Eleonore – vermutlich zu ihrem fünften Geburtstag – »ein Buch namens ›ABC‹, voller großer Lettern, mit vielen Bildern und einigen Lettern in Gold«, das ganze zwölf Gulden kostete – ein hübsches Sümmchen für eine Kinderfibel, aber doch eine lohnende Investition, denn schon ein Jahr darauf war Eleonore in der Lage, ihrem Großvater Ferdinand einen eigenhändigen Brief zu schreiben.26 Karl machte nicht ganz so rasche Fortschritte. In einem Brief in spanischer Sprache vom Januar 1504, der an seinen Großvater gesendet wurde, bittet Karl »Euer Hoheit um Vergebung, dass ich unhöflicherweise nicht eigenhändig schreibe« (was bei einem noch nicht einmal vierjährigen Kind wohl zu entschuldigen wäre). Aber der Prinz konnte auch seinen Namen noch nicht selbst schreiben, sondern malte die Buchstaben von einem anderen Blatt ab, wo Anchieta sie für ihn vorgeschrieben hatte (Abb. 2).27

      Anchieta kehrte schließlich nach Spanien zurück, und Luis Cabeza de Vaca, »ein Spanier von edlem Geblüt, der sich als hochgebildeter Mann von besten Umgangsformen hervorgetan« hatte, wurde der neue Hauslehrer des königlichen Nachwuchses. Unverzüglich ergriff er Maßnahmen, um eine bessere Lernumgebung zu schaffen. Ein Tischler aus der Umgebung fertigte ein besonderes Schreibpult an, dazu noch einen Schrank für die Schulutensilien sowie passende Sitzbänke, »damit der Prinz und seine Schwestern zur Schule gehen konnten« – und tatsächlich besuchten seine drei prominenten Zöglinge den Unterricht während der nächsten drei Jahre gemeinsam (Abb. 1).28 Aber dennoch kam Karl nicht recht voran. Als Kaiser Maximilian im September 1506 den Wunsch äußerte, sein Enkel solle doch auch etwas Niederländisch lernen, antwortete ihm der Prinzenerzieher mit merklicher Kühle: »Ich werde mich Eurer Bitte annehmen, sobald er ordentlich sprechen kann und zu lesen gelernt hat.« Vielleicht waren es gesundheitliche Gründe, die den Lernerfolg bremsten, denn im Lauf des Jahres 1505 wurde eine beträchtliche Menge an »Arzneien, Medizin und Gewürzen … angeliefert, auf Anordnung der Ärzte für den Prinzen und seine Schwestern, als sie krank waren«. Isabella litt am meisten, denn sie hatte »einen Infekt in ihren Augen«, weshalb ihre Eltern sich gezwungen sahen, einen erfahrenen Wundarzt anzustellen, der »sie in den neun Monaten, die sie krank war, jeden Tag aufsuchte«.29

      Im September 1505, gerade hatte der Wundarzt Isabella endlich heilen können, brachte Johanna ihre Tochter Maria zur Welt, die nach ihrer Großmutter väterlicherseits so getauft wurde. Die Anzahl der Königskinder im Palast von Mecheln erhöhte sich damit auf vier, aber dem Familienzuwachs standen auch Abgänge und Verluste gegenüber. Margarete von Österreich, Karls Tante und Patin, verließ den Hof im Jahr 1501, um den Herzog von Savoyen zu heiraten; seine Urgroßmutter und erste Erzieherin, Margarete von York, starb zwei Jahre darauf. Obwohl Karl noch zu jung war, um von diesen Veränderungen stark betroffen gewesen zu sein, wird er doch bemerkt haben, dass seine Eltern fortgingen. Sie besuchten Mecheln im November 1505, unmitttelbar vor ihrer Abreise nach Zeeland, wo Philipp bereits eine Flotte zusammengezogen hatte, die sie nach Spanien bringen sollte. Da ungünstige Winde die Schiffe im Hafen festhielten, kam Philipp im Dezember auf einen allerletzten Kurzbesuch bei seinen Kindern noch einmal in Mecheln vorbei – es sollte seine letzte Begegnung mit ihnen bleiben: Er starb in Spanien kein ganzes Jahr später. Isabella und Maria sollten weder ihn noch ihre Mutter jemals wiedersehen, und auch ihre jüngste Schwester Catalina (geboren im Frühjahr 1507) sollten sie niemals kennenlernen, denn Johanna lebte zwar noch bis zum April 1555, aber sie verließ Spanien nicht mehr, während Catalina, die ihre engsten Verwandten allesamt überlebte – sie starb im Jahr 1578 –, in ihrem ganzen Leben nie die Iberische Halbinsel verließ.

      Obwohl das neue Königspaar von Kastilien natürlich nicht ahnen konnte, dass es keine Rückkehr in die Niederlande geben würde, ließen sie doch schon die üblichen Gefahren und Risiken, die mit einer solchen Reise im frühneuzeitlichen Europa verbunden waren, entsprechende Vorkehrungen treffen. Im Juni 1505 traf Philipp mit seinem Vater und seiner Schwester zusammen, um – wie der Gesandte Quirino berichtet – darüber zu sprechen, dass Margarete, die wieder einmal verwitwet war, »über die Niederlande herrschen würde, während [Philipp] in Spanien weilte; aber sie konnten zu keiner Einigung gelangen, und so kehrte sie nach Savoyen zurück«. Stattdessen benannte Philipp seinen Kammerherrn Guillaume de Croÿ, Seigneur de Chièvres, als Regenten und obersten Befehlshaber während seiner Abwesenheit; in allen militärischen, rechtlichen und Verwaltungsangelegenheiten kam diesem Stellvertreter die volle Entscheidungsgewalt zu. Auch durfte er »Verträge, Allianzen und Vereinbarungen« mit fremden Mächten schließen »und überhaupt all das tun oder anordnen, was wir selbst tun könnten oder würden«. Philipp setzte außerdem den Fürsten von Chimay, einen Vetter Chièvres’ (und Taufpaten Karls), zum Vormund seiner Kinder ein, der in dieser Aufgabe von Henri de Witthem, dem Herrn von Beersel, unterstützt wurde. Karl und seine Schwestern, ordnete Philipp an, sollten »sorgsam bewacht und außerdem zu guten Manieren und vielerlei Kenntnissen erzogen werden«.30

      Und schließlich setzte Philipp ein Testament auf, aus dem eine tiefe Unsicherheit über die Zukunft seiner Herrschaftsgebiete sprach. Sollte er in Spanien sterben, hieß es da, wollte er in Granada an der Seite seiner Schwiegermutter Isabella begraben werden. Für den Fall, dass der Tod ihn in den Niederlanden – oder zumindest in deren Nähe – ereilte, bestimmte er Brügge als letzte Ruhestätte, wo bereits seine Mutter Maria begraben war. »Falls jedoch das Herzogtum Burgund [zum Todeszeitpunkt] in unserer Hand sein sollte«, hieß es weiter, »wünsche ich, in der Kartause von Dijon begraben zu werden, an der Seite meiner Vorgänger, der Herzöge von Burgund.« Philipps Testament legte außerdem fest, dass jede seiner jungen Töchter einen Unterhalt bekommen sollte, der nach Art und Umfang ihrem hohen Stand gerecht wurde – und zwar »auf Kosten meines ältesten Sohnes« –, und dass im Heiratsfall jede Tochter »eine Mitgift von 200 000 Goldgulden erhalten« sollte (eine vollkommen realitätsferne Klausel, denn schon der Wert einer solchen Mitgift hätte seine jährlichen Einnahmen aus den niederländischen Besitzungen weit überstiegen). Aber das vielleicht Verblüffendste war: Philipp benannte seine beiden Söhne gemeinsam als »Alleinerben aller meiner Königreiche, Herzogtümer, Grafschaften, Lande, Herrschaften und anderer Besitzungen« und verfügte weiter, dass »jeder der beiden die jeweiligen Teile und Anteile erben soll nach Sitte und Brauch der Gegenden, in denen mein besagter Besitz sich befindet oder dann befinden mag«.31

      Offenbar schwebte Philipp eine Teilung der immensen, aber sperrigen und schwer zu überblickenden Erbmasse vor, die sich durch die Heiraten und Sterbefälle in seiner Trastámara-Verwandtschaft angesammelt hatte – ein kluger Schachzug, den auch seine Nachfolger noch verschiedentlich erwägen sollten. Zum damaligen Zeitpunkt hielten indes nur wenige eine solche Teilung für wahrscheinlich. Heinrich VII. von England beispielsweise sagte voraus, Karl werde »Herrscher über alles sein und wird imstande sein, die Welt zu beherrschen«. Und der Gesandte Quirino erklärte, dass Karl als Alleinerbe »der ganzen Niederlande, und da er seiner Mutter [Johanna], wenn sie stirbt, als Herrscher über Kastilien nachfolgen wird und seinem Großvater als Erzherzog von Österreich, ein großer Herrscher sein wird«. Allerdings, fügte Quirino mit unheilvollem Unterton hinzu, sei Karl zwar »ein schönes und fröhliches Kind, aber in allen seinen Taten erweist er sich als eigenwillig und grausam, ganz wie der alte Herzog Karl [der Kühne] von Burgund«.32

      »Ein schönes und fröhliches Kind«

      Noch eine ganze Zeit lang hing die Zukunft dieses »schönen und fröhlichen Kindes« in der Schwebe. Philipp hatte ein Gefolge von über 400 Hofleuten, eine Garde von mehr als 100 Leibwächtern und beinahe 2000 deutsche Landsknechte nach Spanien mitgenommen, und sein plötzlicher Tod im September 1506 ließ diesen ganzen Tross mit einem Mal völlig mittellos dastehen. »Unter uns war keiner, der auch nur einen roten Heller in der Tasche hatte«, klagte später einer, »und als der König starb, hatte er sein ganzes eigenes Geld schon ausgegeben.« Da von spanischer Seite keine Hilfe zu erwarten war und »weil wir Angst hatten, es könnte uns die Heimreise in unser eigenes Land verboten werden«, rissen sich die verzweifelten Höflinge schleunigst so viel von des toten Königs Besitz unter

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