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Miene. „Ach ja, ich kann Ihnen eine Bionade Kräuter bringen. Ist das ok?“

      „Perfekt!“ Geht doch. Kein Almdudler, aber immerhin. ­Sabrina verschwand hinter dem Tresen.

      Die Eingangstür öffnete sich und ein Mann um die zwanzig mit kurzen, blonden Haaren betrat den Gastraum. Er trug einen Anzug ohne Krawatte. Die Pausbacken passten zum leicht korpulenten Körperbau, der wegen seiner geringen Größe massig wirkte. Sein Blick erschien ­Melanie grimmig. Er steuerte auf die Theke zu. Überraschenderweise klang die Stimme, gemessen an der Erscheinung, beinahe piepsig.

      „Ein Bier und ein Schmalzbrot.“

      Die Wirtin schaute den Neuankömmling ohne erkennbare Regung an. „Herr Schneider, Sie wissen, dass Sie hier nichts bekommen! Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass Sie bei mir Hausverbot haben?“ Sie öffnete die Bionade-Flasche.

      Das Gesicht des Jünglings verfärbte sich. „Jetzt hör mir mal zu, du Schlampe.“ Seine Worte überschlugen sich. „Ich bin ein deutscher Bürger und verlange, dass du mich anständig bedienst!“

      „Wenn Sie nicht auf der Stelle mein Lokal verlassen, rufe ich die Polizei.“ ­Sabrina nahm das Telefon.

      Blitzartig beugte sich der Typ vor und packte das Handgelenk der Frau. „Untersteh dich! Ich will ein Bier und ein Schmalzbrot“, zischte er.

      Der Mann am Tisch erhob sich. Nach wenigen Schritten stand er neben dem Unruhestifter, den er deutlich überragte.

      „Lass sie einfach los“, forderte er den Blonden leise auf. „Du hast gehört, was sie gesagt hat. Du bist hier unerwünscht. Mach 'nen Abgang!“

      Schneider wandte sich ihm zu. Sein Kopf schien platzen zu wollen, am Hals pochte eine dicke Ader. Er ließ die Wirtin los. „Was fällt dir ein, mir zu drohen?“ Er ging dabei einen Schritt zurück. „Früher wären solche wie du ins Arbeitslager gekommen!“ Die barsch klingenden Worte passten nicht zu den zuckenden Mundwinkeln.

      Der Langhaarige lächelte. „Gut gebrüllt, Junge! Wir hatten alle unseren Spaß, aber jetzt ist die Show vorbei. Entweder, du gehst freiwillig oder ich helfe dir.“ Er näherte sich dem Blonden, der weiter zurückwich. Plötzlich drehte sich der Jüngling um und eilte aus der Gaststube. „Das wird euch leidtun!“

      ­Sabrina rieb sich das Handgelenk. „Danke, Olli, willst du noch ein Bier?“

      ***

      ­Melanie erhob sich und schlenderte in Richtung Toilette. Am Tresen vorbei erreichte sie eine Steintreppe, die sie langsam hinabstieg und dabei überlegte, ob sie die Wirtin auf den Vorfall ansprechen sollte. Schließlich entschied sie sich dagegen, da sie möglichst wenig auffallen wollte. Am Ende der Treppe stand sie vor zwei gegenüberliegenden Stahltüren. Ein Stück weiter sah sie die Eingänge zu den Örtlichkeiten und eine Tür mit der Aufschrift Privat.

      ­Melanie blieb vor den Eisentüren stehen und horchte nach oben. Geschirr klapperte. Automatisch drückte sie die Klinke der rechten Tür runter und war erstaunt, sie unverschlossen vorzufinden. Ihr Körper spannte sich, als sie den Raum betrat und die Tür hinter sich heranzog, jedoch angelehnt ließ. Sie fand einen Lichtschalter, sofort wurde es hell. Dieser Kellerraum war vielleicht zehn Quadratmeter groß. Links an der Wand stand ein Metallregal, auf dessen Fachböden Kästen und Schachteln lagen, die mit einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt waren.

      ­Melanie runzelte die Stirn, als sie auf den Fußboden sah. Die blanken Rollen des Gestells passten nicht zu dem ansonsten vergammelten Drumherum. Auch der Boden sah frisch geputzt aus.

      Plötzlich entdeckte sie eine weitere, durch das Regal fast vollständig verdeckte, massive Tür. Vorsichtig ging sie darauf zu. Sie würde es nicht hören können, wenn jemand die Treppe hinunterkam. Kurz entschlossen drehte sie sich um und verschloss die Tür zum Treppenhaus.

      Über dem verborgenen Eingang stand Schutzraum für 250 ­Menschen. Diese Stahltür stammte auf keinen Fall aus der Zeit des zweiten Weltkriegs, so glänzend und sauber, wie sie aussah, zudem wirkte das Schloss modern.

      ­Melanie machte mit ihrem Smartphone ein paar Fotos. Ein flaues Gefühl im Magen ermahnte sie, dass es Zeit wurde, zu gehen. Sie hielt sich schon ziemlich lange hier unten auf und vermutlich würde die Wirtin bald nach ihr sehen kommen. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit. Als sie niemanden sah, huschte sie schnell aus dem Raum. Sie blieb stehen und lauschte. Nur Geschirrklappern im Erdgeschoss. Hastig lief ­Melanie zur Toilette.

      Als sie wieder in die Gaststube kam, war der Langhaarige verschwunden und sein Tisch abgeräumt. An ihrem Platz stand der Wurstsalat, den sie in kürzester Zeit vertilgte. ­Sabrina lächelte ihr zu. Sie wirkte völlig entspannt.

      „Möchten Sie noch etwas trinken?

      ­Melanie sah auf die Uhr. „Danke, nein. Machen Sie mir bitte die Rechnung.“

      19. April

      „Timo, ich bin es leid. Wir brauchen das Doppelhaus in der Neuen Mauergasse und zwar gestern!“ Frank ­Schüttler schob sich im Ledersessel nach vorne. „Wie ist der aktuelle Stand?“

      Timo Rall kannte die Ungeduld des Chefs seit vielen Jahren. Immer, wenn der Abschluss eines Immobiliengeschäfts bevorstand, wurde der Architekt nervös. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er aufsprang und seine zwei Meter durch das Büro tigern ließ. Dann gab es folgende Möglichkeiten: Entweder grinste er plötzlich und sagte: „Komm, lass uns einen Kaffee trinken.“ Oder er kündigte Timo fristlos, weil er unfähig sei. Timo hatte aufgehört zu zählen, wie oft er schon rausgeflogen war. Es war einerlei, denn Frank erschien spätestens eine Stunde danach, entschuldigte sich und erklärte ihn zum besten Mitarbeiter, den er je beschäftigt hatte. Was blieb ihm auch übrig? Er war der Assistent, der ­Schüttler den Rücken freihielt und alle Aufträge ohne Murren erledigte, selbst diejenigen, die sonst niemand ausführen wollte.

      Heute war die Situation jedoch anders. Der Startpunkt ihres Projektes war abhängig von dem Anwesen mit der Gaststätte und obwohl der Kauf in den Sternen stand, war ­Schüttler am Morgen im Rathaus gewesen. Er hatte mit dem Bauamtsleiter die geplante Neubebauung des Areals besprochen. Dabei hatte er so getan, als müsse er nur noch auf die Grundbucheintragungen warten, um mit dem Abriss der Gebäude zu beginnen. Timo war gespannt, wie der heutige Auftritt seines Chefs sich entwickeln würde.

      „Unverändert. ­Rosenthal, dem die linke Hälfte gehört, wäre möglicherweise bereit, zu verkaufen. Er scheint sich nach einem Altersruhesitz umzusehen. Das Blöde ist, dass er das Haus nur aufgeben will, wenn die Eskir ihres ebenfalls veräußert. Die verehrte Frau Wirtin ist leider hart wie Kruppstahl. Sie lehnt jede Verhandlung ab.“ Wie er den Job hasste! Er wusste genau, was jetzt kommen würde.

      „Na, dem Juden werden wir sicher helfen können. Da gibt es doch die Seniorenbetreuung. Red mal mit denen, damit die ihm ein Angebot erstellen.“ ­Schüttlers Stimme klang noch immer angespannt.

      „Hab längst mit der Klettke gesprochen. Sie bearbeitet ihn, er ist aber erst 52. Er privatisiert.“

      ­Schüttlers Miene verdunkelte sich. Der nächste Ausbruch bahnte sich an. „Dann klemm dich dahinter!“, schrie er unvermittelt los. „Reden allein bringt nichts!“ Feine Tropfen Spucke flogen über den Tisch, weshalb Timo einen Schritt zurücktrat. „Der Eskir musst du die Lust vermiesen, dort zu wohnen. Mach ihr das Leben zur Hölle! Lass dir endlich was einfallen! Wie oft muss ich dir das noch sagen?“ Er sprang auf und ging im Büro auf und ab. Seine Stimme wurde leiser, er flüsterte beinahe. „Timo, falls du mit der Aufgabe überfordert bist, suche ich mir jemanden, der das kann.“

      Aha, jetzt war es soweit! ­Schüttler blieb direkt vor Timo stehen, der ihn unbeeindruckt ansah und sich aufreizend langsam durch den roten Vollbart strich. Diesmal wich er nicht zurück, auch wenn er acht Zentimeter kleiner als sein Chef war und zu ihm aufsehen musste. Es entwickelte sich ein Blickduell.

      Timo entfernte einen imaginären Fussel vom Leinenjackett und verengte die Augen. „Frank, es reicht mir. Lass mich in Ruhe arbeiten! Ich werde alles daransetzen,

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