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eine Unterwerfung unter seine Oberherrlichkeit. Er blickte daher mit großer Zufriedenheit auf sein holdes Ehegespons und ermunterte sie, aus Leibeskräften zu weinen, da es nach Ansicht der Ärzte eine ganz gesunde und körperlich wohltätige Übung sei.

      „Es lüftet die Lungen, wäscht das Gesicht rein, stärkt die Augen und beruhigt das Gemüt, also weine nur“, sagte Herr Bumble trocken.

      Nachdem Herr Bumble diesen Witz angebracht hatte, nahm er seinen Hut und setzte ihn verwegen aufs Ohr, wie ein Mann, der die Überzeugung hat, seine Herrschaft auf geeignete Weise behauptet zu haben. Die Hände in den Taschen ging er triumphierend auf die Tür zu.

      Aber dieses Experiment auf nassem Wege hatte Frau Bumble nur angestellt, weil sie es weniger anstrengend hielt als einen Boxkampf. Sie war aber auch bereit, diesen zu wagen, was Herr Bumble bald spüren sollte.

      Die erste Probe davon bestand in einem hohlen Tone, dessen unmittelbare Folge war, daß sein Hut nach der entgegengesetzten Ecke des Zimmers flog. Dieses einleitende Verfahren gab sein Haupt jedem Angriff preis, und während die erfahrene Dame die Kehle ihres teuren Ehegatten umkrallte, ließ sie einen Hagel kräftiger Faustschläge auf seinen Kopf niederhageln. Dann brachte sie ein wenig Abwechslung in die Sache und zerkratzte Herrn Bumble erst mal tüchtig das Gesicht, und dann riß sie ihm ordentliche Büschel Haare aus. Nachdem sie sein Vergehen nun genügend gestraft zu haben glaubte, warf sie ihn über einen Stuhl, der nicht bequemer dafür hätte stehen können und forderte ihn höhnisch auf, noch einmal von seinem Recht zu sprechen, wenn er den Mut dazu hätte.

      „Jetzt steh auf“, sagte Frau Bumble im Befehlstone, „und mach, daß du mir aus den Augen kommst, wenn du nicht willst, daß ich etwas ganz Desperates tue!“

      Herr Bumble erhob sich mit kläglicher Miene und überlegte, was dieses Desperate wohl sein möge. Dann hob er seinen Hut auf und sah nach der Tür.

      „Willst du gehen?“ fragte Frau Bumble drohend.

      „Gewiß, mein Schatz, ich gehe schon“, erwiderte er, seine Schritte beschleunigend. „Es war nicht meine Absicht, dich – ich gehe schon, meine Liebe – du bist aber auch gar zu heftig, daß ich wirklich –“

      In diesem Augenblick trat Frau Bumble eilig vor, um den Teppich wieder zurechtzurücken, der sich während der letzten Viertelstunde etwas verschoben hatte. Herr Bumble benutzte das, um hastig aus dem Zimmer zu stürzen, ohne daran zu denken, seinen Satz zu vollenden, und ließ die frühere Frau Corney im unbestrittenen Besitz des Schlachtfeldes.

      Herr Bumble war überrumpelt worden und hatte eine entscheidende Niederlage erlitten. Aber das Maß seiner Erniedrigung war noch nicht voll. Nachdem er einen Gang durch das ganze Haus gemacht und zum ersten mal darüber nachgedacht hatte, daß die Armengesetze doch wirklich zu hart wären, und daß Männer, die ihren Frauen fortliefen und die Erhaltung derselben der Gemeinde überließen, von Rechts wegen nicht bestraft, sondern vielmehr als verdienstvolle Märtyrer belohnt werden sollten – kam er in eine Waschküche, wo die weiblichen Armen beschäftigt zu werden pflegten, das Leinenzeug der Anstalt zu reinigen, und aus dem ihm lautes Geplauder entgegenschallte.

      „Hm“, sagte Bumble, seine ganze Würde zusammennehmend, „zum wenigsten sollen diese Weiber auch künftig mich anerkennen. – Hallo, zum Donnerwetter! Was soll dieser Radau, verwünschte Hexen?“

      Mit diesen Worten öffnete Herr Bumble die Tür und trat mit hochfahrender, finsterer Miene ein; sie verwandelte sich aber sehr bald in eine demütige, als seine Augen seine bessere Ehehälfte entdeckten.

      „Schatz“, sagte Herr Bumble, „ich wußte nicht, daß du hier wärest.“

      „Wußtest nicht, daß ich hier wäre?“ äffte ihm sein Weib nach. „Was hast du hier zu suchen?“

      „Es kam mir vor, man schwatzte zu viel, als daß die Arbeit gehörig getan werden könnte, Schatz“, erwiderte er, zerstreut nach ein paar alten Weibern am Waschfaß blickend, die sich nicht wenig über das demütigende Benehmen des Armen­hausvaters wunderten.

      „Du glaubst, man schwatze zu viel?“ fragte Frau Bumble. „Was geht denn dich das an?“

      „Ja, lieber Schatz – “ stotterte er demutsvoll.

      „Ich will wissen, was es dich angeht!“

      „Es ist allerdings richtig, daß du hier zu befehlen hast, liebe Frau, aber ich glaubte, du seiest gerade nicht anwesend!“

      „Ich will dir mal was sagen, Bumble, wir brauchen deine Aufsicht nicht. Du steckst deine Nase immer in Dinge, die dich nichts angehen und machst dich lächerlich. Scher dich ’raus!“

      Bumble gewahrte mit Wut im Herzen, wie die beiden alten Weiber am Waschfaß einander zu kicherten und zögerte einen Augenblick. Aber Frau Bumble, deren Geduld schon erschöpft war, nahm einen Topf mit Seifenwasser und drohte den Inhalt über ihn auszuschütten, wenn er sich nicht augenblicklich entferne.

      Was konnte er anders tun? Er blickte niedergeschlagen um sich und schlich von dannen. Als er die Tür erreicht hatte, verwandelte sich das Kichern der Weiber in ein schrilles Gelächter. Das war zu viel. Er war in ihren Augen herabgewürdigt, er hatte Ansehen und Achtung sogar bei den Armenhäuslern verloren. Von der Höhe eines Gemeindedieners war er zur tiefsten Tiefe eines Pantoffelhelden herabgestürzt.

      „Und das alles in zwei Monaten“, klagte Bumble sich selber. „Vor nicht mehr als zwei Monaten war ich nicht nur mein eigener Herr, sondern auch Herr über das ganze Armenhaus, – und nun?“

      Es war zuviel. Er gab dem Jungen eine Ohrfeige, der ihm die Tür öffnete und trat zerstreut auf die Straße. Er ging zuerst planlos straßauf, straßab, bis sich sein erster Kummer gelegt hatte, dadurch war er aber durstig geworden. Er kam an einer Anzahl von Wirtshäusern vorbei und blieb endlich bei einer Kneipe stehen, deren Gastzimmer mit Ausnahme eines Gastes leer war, wie er sich vorher durch einen Blick durchs Fenster überzeugt hatte. Es fing gerade tüchtig zu regnen an, und dies bestimmte ihn, hier einzukehren. Er forderte ein Glas Branntwein.

      Der einzige Gast außer ihm war groß, von dunkler Gesichtsfarbe, und hatte einen langen Mantel umgehängt. Er schien fremd zu sein, und den bestaubten Kleidern nach zu schließen, von weit herzukommen. Er sah den eintretenden Bumble von der Seite an, erwiderte jedoch dessen Begrüßung nur mit einem Kopfnicken. Bumble besaß Würde genug für zwei, und so trank er seinen Schnaps schweigend. Dabei las er mit wichtiger Miene die Zeitung.

      Wie es aber oft zu geschehen pflegt, wenn Menschen unter ähnlichen Umständen zusammentreffen, so kam es, daß Bumble sich gewaltig versucht fühlte, mal einen verstohlenen Blick auf den Fremden zu werfen. Er mußte aber seine Augen verlegen abwenden, als er seinem Gelüste nachgab, denn er bemerkte, daß der Fremde im selben Augenblicke nach ihm hinsah. Bumbles Verlegenheit wurde durch den höchst merkwürdigen Ausdruck im Auge des Fremden noch gesteigert. Denn der stechende Blick des fremden Mannes schweifte argwöhnisch und mißtrauisch umher und gaben seinen Mienen etwas Ab­stoßendes.

      Als sie sich in dieser Weise mehrere Male angesehen hatten, brach schließlich der Fremde das Schweigen:„Haben Sie nach mir gesehen, als Sie durch das Fenster guckten?“

      „Nicht, daß ich wüßte, wenn Sie nicht der Herr –“

      Hier hielt Bumble inne, denn er war neugierig, den Namen des Fremden zu erfahren und hoffte, dieser würde seine Redelücke ausfüllen.

      „Ach, ich merke schon“, sagte der Fremde spöttisch, „Sie haben nicht nach mir gesehen, sonst würden Sie meinen Namen wissen. Ich möchte Ihnen auch nicht raten, danach zu fragen.“

      „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten“, bemerkte Bumble würdevoll.

      „Und haben es auch nicht getan“, entgegnete der Fremde.

      Es folgte nun wieder ein Schweigen, das der Fremde nach einer Weile abermals unterbrach.

      „Ich habe Sie früher schon mal gesehen, glaube ich“, fing er an. „Sie waren damals jedoch anders gekleidet. Ich begegnete Ihnen zwar nur auf der Straße, aber ich meine doch, Sie wiederzuerkennen. Sie waren

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